Seit 8 Monaten gibt es wöchentliche Demonstrationen gegen FPÖVP, an denen zehntausende Menschen teilgenommen haben. Das ist für Österreich – nach Jahrzehnten sozialpartnerschaftlicher Todesstille – eine beachtliche Veränderung. Trotzdem konnte sich die schwarz-blaue Rechtsregierung seit dem Frühjahr eindeutig stabilisieren und ein ganze Reihe ihrer Vorhaben erfolgreich umsetzen. Warum?
Der erste Grund sind die sogenannten Sanktionen der EU. Diese haben v.a. die diplomatisch-symbolische Ebene betroffen und waren von Anfang an lediglich als halbherzige Warnung gedacht. Die FPÖVP-Regierung hat dann auch vorbildlich die EU-weit übliche neoliberale Spar- und Sozialabbaupolitik umgesetzt. Dementsprechend haben sich im ersten Halbjahr 2000 die ausländischen Betriebsansiedlungen fast verdoppelt – und die Sanktionen wurden im September wieder aufgehoben. Bis dahin hatten sie ihren Dienst für Schüssel, Haider & Co. freilich erfüllt: Der nationalistische Schulterschluß zur Verteidigung Österreichs gegen das Ausland war ein wesentlicher Faktor für die Stabilisierung der Regierung.
Der damit verbundene zweite Grund ist, dass für viele Arbeiter/innen, Angestellte, öffentlich Bedienste, Arbeitslose, Studierende und Schüler/innen noch nicht so deutlich sichtbar geworden war, in welchem Ausmaß sich die neue Rechtsregierung gegen ihre Interessen richtet. Trotz eines diffus unguten Gefühls war die Mehrheit noch nicht bereit, auf eigene Initiative auf die Straße zu gehen bzw. ihre Vertretungen so unter Druck zu setzen, dass diese ernsthafte Kampfmaßnahmen organisierten.
Drittens waren die Gewerkschaften bisher derart in ihrer zahmen sozialpartnerschaftlichen Logik gefangen, dass sie nicht bereit waren, die zunehmende Unzufriedenheit und Bedrohtheit, die die Lohnabhängigen empfinden, weiterzutreiben und in Kampfaktionen im entscheidenden Bereich der Betriebe durchzuführen. Vor lauter Feigheit des eingerosteten ÖGB-Apparates hat es bisher nur zu sehr beschränkten Protesten gereicht, sodass bereits etliche arbeiterfeindlichen Maßnahmen der Regierung kampflos durchgesetzt werden konnten. Die Gewerkschaftsführung ist weitgehend ratlos, weil der harte Neoliberalismus von FPÖVP für die bisherige ÖGB-Politik der kleinen Zugeständnisse keinen Raum mehr lässt. Ob sich der ÖGB angesichts der veränderten Situation – vor Angst erstarrt – ins völlige Out manövriert oder ob seine Funktionäre doch langsam überreißen, dass sie mit ihrem bisherigen unterwürfigen Geschwafel nicht mehr ernst genommen werden, ist noch offen.
Viertens gelang eine Ausweitung der Demobewegung auf den Ausbildungsbreich im Frühjahr ebenfalls nicht. Auch hier war aufgrund der uneinheitlichen Bewusstseinsentwicklung unter den Studierenden und Schüler/innen ein Erfolg nicht garantiert. Aufgrund der ablehnenden Haltung von AKS/SJ (SPÖ-nahe) und GPA-Jugend im Schüler/innen/bereich und der zivilgesellschaftlich desorientierten Basisgruppen-Führungen, KSV (KPÖ-nahe) und VSStÖ (SPÖ-nahe) an den Unis konnte aber nicht einmal ein wirklicher Versuch unternommen werden, einen längeren Streik zu umzusetzen. Lediglich an den Wiener Schulen organisierten die Antifaschistische Linke und die SLP-nahe SchülerInnen Aktionsplattform im Februar einen eintägigen Streik. Insgesamt war aber die revolutionäre Linke nicht stark genug, um sich gegen die Reformist/inn/en durchzusetzen.
Fünftens gab es schließlich auch unter dem Teil der Lohnabhängigen und der Jugendlichen, die sich zum aktiven Kampf gegen FPÖVP entschlossen, teilweise ein unzureichendes Bewußtsein über die notwendige politische Ausrichtung der Bewegung. Manche hatten naive Hoffnungen in die EU und viel zu viele sorgten sich – ganz im Einklang mit dem von Haider bis Van der Bellen propagierten patriotischen Konsens – um das Ansehen Österreichs. Manche (zB SOS-Mitmensch) waren so gewaltfrei, dass sie bereit waren, kämpferische Jugendliche an den polizeilichen Repressionsapparat der Regierung auszuliefern. Viele hatten Illusionen in die etablierten Medien und verstanden nicht, dass diese als Teil des bürgerlichen Herrschaftsapparates kein taugliches Instrument zum Aufbau einer schlagkräftigen Bewegung sein können. Manche trauerten der mittlerweile anachronistischen Sozialpartnerschaft nach und viele wünschten sich eine – letztlich auch neoliberale (siehe Schröder-Fischer) – "rot"-grüne Regierung. Manche verstanden nicht, dass nur eine Orientierung auf Streiks in Produktion und Transport, die das Profitsystem im Herz treffen, die Rechtsregierung wirklich aufhalten kann. Viele verzettelten sich in meist medienorientierten kreativen Aktionen, die zwar teilweise originell waren, aber für FPÖVP keine Gefahr darstellen können.
Nun hat sich die Situation aber erneut verändert. Zwar sind einige reaktionäre Angriffe von FPÖVP bereits über die Bühne, aber nach dem Ende der EU-Sanktionen besteht jetzt wieder die Möglichkeit, dass die politische Auseinandersetzung von der nationalistischen auf die soziale Ebene zurückgebracht wird. Die Angriffe auf die Lohnabhängigen werden sichtbarer und es kommen neue hinzu. Viele Aktivist/inn/en werden aus den erfolglosen Widerstandsformen der letzten Monate ihre Lehren ziehen. Der Druck auf den ÖGB und auf die reformistischen Gruppierungen im Bildungsbereich, echte Kampfmaßnahmen zu organisieren, wird steigen. Die revolutionären Organisationen konnten sich in den letzten Monaten verstärken. Es besteht jetzt im Herbst noch einmal die echte Chance, dass öffentlich Bedienstete, die bereits zu 80% für Streiks gestimmt haben, Studierende, Schüler/innen, Postler und andere gemeinsam eine neue Front gegen FPÖVP aufbauen.
Gemeinsames Flugblatt von AL und AGM