Der Kapitalismus beruht nicht nur auf der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Reichtum resultiert auch aus der Ausbeutung der nichtmenschlichen, belebten und unbelebten Natur.
Das macht für uns als antikapitalistische Organisation ein klares Bekenntnis zur Ökologie notwendig, welches wir, weil es den Umfang eines Artikels sprengen würde, mit einer neuen Serie ablegen wollen. Wir beginnen mit der Analyse von drei der derzeit am häufigsten diskutierten Problembereiche.
Das Eis der Polkappen und Gletscher schmilzt, Pflanzen haben eine längere Vegetationszeit, wandern in höhere Lagen und nördlichere Gebiete; Zugvögel kommen in unseren Breiten früher an und fliegen später weg – dass sich das Klima auf unserem Planeten ändert, kann nicht länger verdrängt werden. In den vergangenen 100 Jahren hat die Konzentration von „Treibhausgasen“ (z.B. Kohlendioxid oder Methan) in der Athmosphäre zugenommen, parallel zur Temperatur, die um durchschnittlich 0,5° gestiegen ist. Für die nächsten 100 Jahre wird ein weiterer Anstieg um bis zu 5,8° prognostiziert.1
Die aus der Klimaveränderung resultierende Zunahme von Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Dürrekatastrophen trifft die Armen am stärksten. Und das, obwohl sie, wie so oft, die geringste Schuld daran tragen: Während in den USA jedes Jahr pro Ein-wohnerIn 20t CO2 in die Luft geblasen werden, ist es in Afrika gerade einmal eine Tonne. Eine Reduktion des Ausstoßes wird aber den Interessen der Wirtschaft untergeordnet. So nahm etwa US-Präsident Bush kürzlich sein diesbezügliches Wahlversprechen zurück, um den Unternehmen angesichts der ach so prekären Wirtschaftslage weitere Belastungen zu ersparen.
1997, auf der Weltklimakonferenz der UNO in Kyoto, war noch eine Reduktion der Treibhausgase in den Jahren von 2008 bis 2012 um 5,2% im Vergleich zu 1990 vereinbart worden.2 (Angesichts der Problematik ist auch dies nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein.) Auf der Folgekonferenz in Den Haag im Vorjahr sollten dann konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieses Zieles beschlossen werden. Statt dessen wurde darüber diskutiert, um wieviel Prozent weniger die Reduktion ausfallen kann, wenn alternative, nicht Kohlendioxid produzierende Energieformen verwendet werden (dazu zählten die USA, die das Kyoto Protokoll bis heute nicht unterschrieben haben, auch ihre Atomkraftwerke), oder große Wälder, die Kohlendioxid assimilieren, vorhanden sind. Außerdem wurde über den Emissionshandel gefeilscht: Dieser läuft nach dem Prinzip, dass ein Land, welches weniger Emissionen produziert als erlaubt, einem Umweltsünder sozusagen Luftraum verkaufen kann – ein einträgliches Geschäft für politische Eliten in Entwicklungsländern und eine Gewis-sensberuhigung für jene der imperialistischen Staaten.
Am Problem selber löst es freilich nichts. Im Gegenteil: Würden alle Länder den gleichen Energieverbrauch wie "wir" aufweisen, das ökologische Gleichgewicht würde nicht am seidenen Faden hängen, sondern wäre längst im Eimer. Dabei würde beispielsweise eine radikale Einschränkung des Individualverkehrs nicht nur eine wirklich relevante Verringerung der Emissionen bedeuten, sondern auch zu einer wesentlich höheren Lebensqualität beitragen. Gleichzeitig könnte der öffentliche Verkehr ausgebaut und massiv verbilligt werden. Energieerzeugung
Aber nicht nur die Verbrennung fossiler Energieträger bringt Probleme mit sich. Selbst die als „sauber“ gepriesene Nutzung der Wasserkraft zerstört durch gigantische Kraftwerksprojekte Naturreservate, aber auch menschliche Existenzen. Denken wir nur an das Ausbleiben der Nilüberschwem-mungen durch den Assuanstaudamm oder die Überflutung des Jangtsekiang-Tales in China.
Bekannter sind die Gefahren, die von der Atomenergieerzeugung ausgehen – deutlich vor Augen geführt 1986 durch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Aber nicht nur ein Supergau, auch der Routinebetrieb eines Atomkraftwerks verursacht eine Strahlenbelastung, die das Erbmaterial einer Zelle schädigen kann. Der zeitliche Abstand zwischen Strahlenereignis und sichtbarem Schaden (die Latenzzeit) beträgt bei verschiedenen Krebsformen bis zu vielen Jahren, bei Erbschäden sogar bis zu vielen Generationen. Eine unschädliche Dosis gibt es nicht, Grenzwerte werden daher primär an der wirtschaftlichen Rentabilität orientiert. (Ähnliches gilt für Starkstromleitungen und Sendemasten.)
Das größte Problem ist die Entsorgung verbrauchter Brennstäbe. Aus ihnen wird in Wiederaufbereitungsanlagen (davon existieren weltweit nur zwei, eine dritte wird derzeit in Japan gebaut) noch spaltbares Material gewonnen, das in Kraftwerken, aber auch in Atombomben Verwendung finden kann. Die Lagerung der noch jahrzehntelang strahlenden Reste stellt für die politisch Verantwortlichen ein unlösbares Problem dar.
Deutlich wird dies durch die Castor3 -Transporte von deutschem Atommüll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague in das Zwischenlager Gorleben. Seit Jahren gibt es Protestaktionen der ansässigen ländlichen Bevölkerung, denen sich seit 1995 auch Linksradikale anschließen. Gemeinsam stellen sie sich einem Großaufgebot von schwer bewaffneten und gewaltbereiten Polizeieinheiten entgegen und schaffen es wiederholt, den Transport tagelang zu verzögern. Dieses Jahr beteiligten sich erstmals auch französische AtomkraftgegnerInnen an den Protesten.
Ferngehalten von der Wiege ihrer Bewegung haben sich heuer die deutschen Grünen. Umweltminister Jürgen Trittin, 1997 selber noch Demonstrant, hat die Transporte genehmigt, um den Kompromiss, über den Ausstieg aus der Atomenergie, nicht zu gefährden. Dass es sich um einen faulen Kompromiss handelt, wird an den Übergangsfristen deutlich – diese sind auf bis zu 20 Jahre ausgelegt, in Ausnahmefällen auch länger.
Landwirtschaft und Ernährung
Seit langem werden in den industrialisierten Staaten täglich Lebensmittel vernichtet, um das Angebot zu verringern und so die Preise zu stabilisieren. Durch den Einbruch des Fleischmarktes in der EU wird uns dies deutlich wie nie vor Augen geführt – allein zur Rettung des wegen BSE eingebrochenen Rindfleischpreises sollen EU-weit 1,2 Millionen Tiere notgeschlachtet werden. In Wirklichkeit ist dies jedoch nur der Gipfel eines ganzen Berges von Problemen, die sich gegenseitig bedingen und die nur im Zusammenhang verstanden und gelöst werden können:
Subventionen für die Landwirtschaft werden je nach Betriebsgröße und Viehbestand ausbezahlt. Dieses System begünstigt Großbetriebe und intensive Tierhal-tungsformen. Die meisten Tiere werden mit Futtermitteln gemästet, die auch für die menschliche Ernährung geeignet wären. Zu einem guten Teil stammen diese aus halbkolonialen „Entwicklungsländern“. Die daraus resultierenden Unmengen von Fäkalien, aber auch mineralische Dünger und Pflanzenschutzmittel, verpesten die Luft und das Grundwasser. Und dies alles nur, um täglichen Fleischkonsum zu ermöglichen, der bekanntlich zu Zivilisationserkrankungen führt – die meisten Öster-reicherInnen sterben an den Folgen falscher Ernährung. Der Ausweg aus der derzeitigen Krise des Fleischmarktes kann also nicht darin liegen, das Vertrauen der KonsumentInnen wiederzuerlangen, wie uns die Agrarlobby weismachen will, angeblich rührend besorgt um die in ihrer Existenz bedrohten Bauern und tausende Arbeitsplätze in der Fleischindustrie.
Die Lösung ist im ökologischen Landbau (ÖLB) zu suchen. Weniger Tiere in besserer Umgebung, dadurch höhere Fleischqualität, weil weniger Medikamenteneinsatz notwendig ist und weniger Stress-hormone im Fleisch sind – dies würde ein vernünftiges Maß an Fleischkonsum sicherstellen. Aber selbst eine vegetarische Ernährung ist ohne künstliche Nahrungsergänzung und Mangelerscheinungen möglich: Entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil kann auch der Bedarf an sämtlichen Vitaminen durch Pflanzen und Mikroorganismen (z.B. in Sauerkraut) gedeckt, die ausreichende Versorgung mit Eiweiß durch verstärkten Anbau von Hülsenfrüchten gewährleistet werden. Dies bringt einen weiteren ökologischen Vorteil mit sich: Hülsenfrüchtler leben in Symbiose mit Knöllchenbakterien, die die Fähigkeit haben, Stickstoff aus der Luft zu binden. Dadurch kann der Einsatz von Mineral-düngerstickstoffe entfallen, der für die konventionelle Landwirtschaft in einem höchst energieaufwändigen Prozess („Haber-Bosch Verfahren“) aus der Luft gewonnen wird.
Der Mangel an Lebensmitteln für weite Teile der Weltbevölkerung (800 Millionen essen täglich weniger, als ihrem Mindestkalorienbedarf entspricht) wird oft als reines Verteilungsproblem abgetan. Auch die derzeitige Debatte über das Verschenken von überschüssigem Fleisch an Bedürftige will uns dies weismachen. Doch das wäre verkürzt: In den meisten Ländern des Südens werden cash-crops (z.B. Futtermittel, Kaffee, Bananen…) statt food-crops produziert. Eine nachhaltige Landwirtschaft (und eine ökologisch orientierte Gesellschaft), die eine möglichst lokale Versorgung sicherstellt, muss sich weltweit entwickeln. Denn Überproduktion geht mit energieaufwändigen Transporten oder Vernichtung von Nahrung einher – und wird durch ÖLB vermieden.
Quellen:
1)Aus dem Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimawandel, 19.2.1, http:www.uno.de/presse/2001/unic320.htm
2)Der komplette Text des Kyoto-Protokolls: http://www.unfccc.int/resource/convkp.html
3)Cask for storage and transport of radioactive material – Behälter zum Lagern und Transportieren von radioaktivem Material