Wäre es nach den Wünschen des NATO-Generalsekretärs Javier Solana gegangen, hätte sich die albanische Unabhängigkeitsbewegung UCK, nachdem sie ihre Schuldigkeit getan hat, getrost wieder in Luft auflösen können. Doch das Hätschelkind des Westens ist in seine Trotzphase gekommen und will sich nicht mit einem NATO-Protektorat abfinden – ein Großalbanien muß her!
Das einzige Problem bei dieser Idee ist für den Westen, daß die Regierung in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, nicht so widerspenstig ist wie Serbiens Ex-Diktator Milosevic, und so werden aus ehemaligen FreiheitskämpferInnen TerroristInnen. Nun dürfen jugoslawische Sicherheitskräfte wieder in den Kosovo, um in der dortigen Pufferzone "Recht und Ordnung" zu schaffen. Ein Gebiet, aus dem sie erst vor kurzem von den USA in einem gigantischen Militärspektakel mittels Waffengewalt vertrieben wurden.
Könnt Ihr Euch noch erinnern?
Erst im Sommer 1999 hatten die amerikanischen, deutschen und französischen Truppen die Chance, im Jugoslawienkrieg unter NATO Oberkommando ihr teures Kriegsspielzeug in natura auszuprobieren. Nun ist keine Rede mehr davon, die neue jugoslawische Führung darf selbstverständlich wieder militärisch gegen die AlbanerInnen vorgehen. 1999 wurden fast schon mit Stolz im Fernsehen die Bilder zielgenauer Treffer auf Wohnhäuser, Fabriken und Raffinerien gezeigt. All dies geschah unter dem Vorwand der Menschlichkeit, angeblich um die Kosovo-AlbanerInnen vor den Übergriffen der jugoslawischen Truppen zu schützen. Trotz alledem mußten zur Rechtfertigung dieses imperialistischen Angriffes Schauermärchen von KZs und Massenhinrichtungen herhalten, von welchen bis heute jede Spur fehlt.
Oktoberrevolution, die zweite
Genützt hat der Krieg weder der albanischen Bevölkerung noch der serbischen. Der Schaden beträgt über 3 Milliarden US Dollar, die Arbeitslosigkeit hat ein Rekordhoch erreicht und den AlbanerInnen wird immer noch das Recht auf Selbstbestimmung verweigert.
Milosevic wurde zwar im Oktober 2000 gestürzt, nachdem er versucht hatte die Wahlen zu manipulieren. In revolutionsartigen Szenen stürmte die Bevölkerung das Parlament und die Fernsehsender, die Polizei sah zu wie ein marodes Regime gestürzt wurde oder half selbst mit. Doch mit Kostunica sitzt jetzt ein Mann an den Schalthebeln Jugoslawiens, der zwar durch das Volk an die Macht gebracht wurde, aber nun den Interessen des Westens dient. Kostunica war auch einer der Wenigen, die diese Aufgabe erfüllen konnte. Bekannt als Nationalist und als einer der wenigen PolitikerInnen des Parteienbündnisses DOS, der gegen die NATO-Angriffe Stellung bezogen hatte, war er der richtige Mann, um Jugoslawien US-kompatibel zu machen. Und nun darf er dafür mithelfen, die kosovarischen “Extremisten” zu bekämpfen.
Ein neues Etikett
Die UCK nennt sich jetzt UCPMB (Befreiungsarmee von Presevo, Medvedja und Bujanovac) und hat ihre Waffen, die zu einem guten Teil von westlichen Geheimdiensten stammen, noch immer nicht abgegeben. Und wie es aussieht, wird sie es auch nicht tun. So ist erst Mitte Mai das letzte Ultimatum der mazedonischen Regierung abgelaufen, die Gefechte sind neu aufgeflammt, und wieder müssen Menschen aus ihren Dörfer fliehen.
Der Versuch der UCPMB, ein Großalbanien zu schaffen, hat nichts Fortschrittliches an sich. Ganz im Gegenteil, ihr Erfolg würde nichts zu einem friedlichen Zusammenleben der AlbanerInnen, SerbInnen und MazedonierInnen beitragen, sondern würde die Unterdrückung aller anderen ethnischen Minderheiten, insbesondere der Roma und Sinti, beinhalten. Nicht zuletzt ermöglicht sie es Serbien und Mazedonien, mit der Rückendeckung der NATO, die nationalistische Karte auszuspielen.
Selbstverständlich ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine wichtige Forderung, und wenn es der Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung ist, muß dieser akzeptiert werden. Das heißt aber noch lange nicht, daß MarxistInnen nationalistische Strömungen unterstützen und ihre Ziele propagieren.
Kampf dem Nationalismus!
Statt dessen fordern wir die vollkommene Gleichberechtigung der albanischen Minderheit, die immerhin ein Drittel der dortigen Bevölkerung ausmacht. Sie müssen offiziell als Minderheit anerkannt werden, ihre Sprache muß zur Amtssprache erhoben werden. Jede Form der Unterdrückung wird unausweichlich zu neuen militärischen Konflikten führen, welche sich rasch ausbreiten und eine noch tiefere Kluft zwischen den Völkern hervorrufen werden. Jede weitere militärische Auseinandersetzung stärkt die Regierungen, die sich nationalistischer Phrasen bedienen, um die ArbeiterInnen von sozialen Forderungen abzulenken: Der Sturz eben dieser Regierung und die Errichtung einer Gesellschaft, in dem die Bevölkerung selbst die Macht ausübt, und nicht die Marionetten des imperialistischen Westens.