Ein Krieg gegen den Irak scheint nur noch eine Frage der Zeit. Trotz immer größerer Proteste sieht es momentan danach aus, dass die weltweite Anti-Kriegs-Bewegung nicht stark genug ist, um den Ausbruch des Krieges zu verhindern.
Bis dato hält die amerikanische Regierung die Menschheit im Unklaren darüber, weshalb dem Irak und damit in Personalunion Saddam Hussein (für den Christen Bush die aktuelle Inkarnation des angeblichen Satans) nun der Garaus gemacht werden soll. Offiziell soll der Irak von den noch immer nicht gefundenen Massenvernichtungswaffen gesäubert werden, die, laut Äußerungen des deutschen Geheimdienstes BND, in ständig mobilen LKWs erzeugt und gelagert werden, um nicht entdeckt zu werden. Auch soll ihm die Möglichkeit genommen werden, Atombomben zu bauen.
Doch noch immer gibt es keinen Beweis dafür, dass der Irak überhaupt in der Lage ist, Atombomben zu bauen. Das es ein Chemie-Waffen-Programm gab, steht allerdings fest. Die Tatsache jedoch, dass es mit Hilfe der USA und Frankreichs in den 80er Jahren installiert wurde, stört anscheinend niemanden.
Dabei ist eigentlich die Liste der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die der Irak unter der Herrschaft von Hussein Clan begannen hat, lang. Als Beispiel seien die Liquidierung der irakisch-kommunistischen Opposition in den 70ern, der langjährige Angriffskrieg gegen den Iran in den 80ern oder die Chemiewaffen-Massaker an Tausenden KurdInnen in den 90ern genannt.
Kein Zufall, dass die Weltbevölkerung vor allem über letzteres im unklaren gelassen wird, wurden die KurdInnen doch nach dem Ende des ersten Golfkriegs 1991 mit Unterstützung der USA hingemetzelt. Wie auch bei den Konflikten in Vietnam, Jugoslawien, beim ersten Irak-Krieg und in Afghanistan spielten die Menschenrechte keine Rolle. Es sind schlichtweg macht- und wirtschaftspolitische Interessen, die dazu führen, dass dem Diktator die Pistole auf die Brust gesetzt wird.
Hintergründe des Krieges
In der sogenannten arabischen Welt nutzt Saddam Hussein die seit elf Jahren bestehenden Sanktionen sowie die Kriegstrommeln der USA geschickt aus. Die Bevölkerungen der benachbarten Staaten sind in ihrer Mehrheit gegen einen Angriff des Iraks durch die USA – im Gegensatz zu den jeweiligen Regierungen, die sehr eng mit Bush kooperieren. Im Irak selbst dürfte es Hussein gelungen sein, in dieser Frage die verarmten und unterernährten Massen hinter sich zu versammeln. Dabei spielt der berechtigte Hass auf die USA die Hauptrolle. Die Menschen im Land geben den USA die Schuld für die soziale Situation, obwohl sie zu einem guten Teil gegen die repressive Herrschaft Saddams sind. Hier offenbart sich auch der Zynismus der USA: Durch ihre Politik in den letzten Jahren haben sie die Menschen im Irak überhaupt erst zu einer Unterstützung Saddams gebracht.
Worum geht es also tatsächlich? Der erste Golfkrieg wurde offiziell geführt, um die vom Irak bedrohte Souveränität Kuwaits wiederherzustellen, doch tatsächlich ging es bereits damals um die amerikanische Herrschaft über den Golf und den Zugang zu den Ölvorkommen. Der Irak spielt aber auch darüber hinaus eine wichtige Rolle: Durch seine zentrale geopolitische Lage wäre der Irak für die US-Armee ein idealer Stützpunkt, um zukünftige Operationen gegen Syrien, den ölreichen Iran oder sogar Saudi-Arabien durchzuführen. Daneben würden US-Truppen im Irak das Machtgefüge im Süden der GUS-Staaten beeinflussen (die aufgrund der riesigen Ölvorkommen in der kaspischen Region weltweite Bedeutung haben) und – neben einem deutlichen Wink für die arabische Welt – bis Indien, Pakistan und China ausstrahlen.
Es geht somit bei diesen Krieg nicht ausschließlich um die jetzigen Erdölvorkommen, es geht neben strategischen Interessen vor allem um eine Investition in die weltweite ökonomische Vormachtstellung im 21. Jahrhundert (die die Kontrolle über die unerforschten Vorkommen im Irak und im kaspischen Meer bedeuten würde). Ein weiterer wichtiger Grund für die immer stärker werdende Aggressivität der amerikanischen Außenpolitik ist die dramatische Verschlechterung der amerikanischen Wirtschaftslage. Den Einsatz militärischer Gewalt halten bedeutende Teile der amerikanischen wirtschaftlichen Elite für eine Möglichkeit, die Position des amerikanischen Kapitals weltweit massiv zu stärken und so der Bedrohung durch internationale Konkurrenten entgegen zu treten.
Der russische Revolutionär Leo Trotzki warnte schon 1928: "In Krisenzeiten wird sich die Hegemonie der Vereinigten Staaten vollständiger, offener und rücksichtsloser bemerkbar machen als zu Zeiten des Booms. Die Vereinigten Staaten werden versuchen, ihre Schwierigkeiten und Unpässlichkeiten in erster Linie auf Kosten Europas zu überwinden, sei es in Asien, Kanada, Südamerika, Australien oder Europa selbst, und sei es auf friedlichem Weg oder durch Krieg."
So lassen sich die Spannungen zwischen den größten europäischen Staaten, darunter Frankreich und die BRD, und den USA, erklären. Diese sind nicht erst spürbar, seit die USA das Kriegsbeil ausgegraben haben, doch haben sie einen neuen Höhepunkt erreicht.
Ende Jänner äußerte sich Donald Rumsfeld, Kriegsminister der USA, gegenüber einem Reporter auf die Frage nach der Kritik an der Irak-Politik der Regierung, dass diese Kritik nur aus dem "alten Europa" stamme, aus Deutschland und Frankreich. Das neue Europa, darunter viele Staaten aus Osteuropa, aber auch Großbritannien, Spanien und Italien, sei hingegen auf Seite der USA, betonte er. Die Spaltung der europäischen Imperialistenstaaten scheint somit perfekt.
Hinter der Entscheidung der BRD und Frankreichs, gegen den Irak-Krieg zu votieren, stehen gewiß keine humanitären Überlegungen. Vor allem Frankreich hat erkannt, dass das Hegemonialstreben der amerikanischen Regierung die politischen, ökonomischen und geostrategischen Interessen der europäischen Unterneh-merInnen bedroht.
Geht EU leer aus?
So hat die Regierung Bush schon erkennen lassen, dass die französischen und deutschen Unternehmen nach dem (gewonnenen Krieg) von der Aufteilung der irakischen Ölindustrie ausgeschlossen werden. Und auch der Druck auf den Iran (einen der wichtigsten Öllieferanten Europas) von einem besetzten Irak aus bereitet der europäischen Industrie bereits jetzt Kopfzerbrechen. Frankreich und Deutschland bezeichnen derzeit das Verhalten der USA noch als verantwortungslos und meinen, es drohe, die letzten Reste des gesamten rechtlichen Rahmens, in dem sich der Kapitalismus in der Welt bewege, zu zerstören. Beugen sie sich nun den Wünschen von Bush, verlieren sie zusehends ihre Autonomie und könnten zu einem Protektorat der USA verkommen. Widersetzen sie sich allerdings, könnten sie langfristig die nächsten Staaten auf der militärischen Abschussliste werden.
Doch tatsächlich würden sie genauso agieren, hätten sie die Möglichkeit dazu. Die verteidi-gungspolitischen Richtlinien der BRD etwa sprechen ganz offen vom weltweiten Einsatz des deutschen Militärs zur Sicherung von für Deutschland notwendigen Ressourcen. Der tatsächliche Widerstand wird also nicht von der EU ausgehen. Aber bereits jetzt ist die Anti-Kriegs-Bewegung wesentlich stärker, als sie es vor Beginn des Vietnam-Kriegs war. Nach Bush´s "Rede zur Lage der Nation" Ende Jänner versammelten sich Menschen in über hundert Städten der USA, um gegen die Kriegspläne der Regierung zu demonstrieren.
Auch in Österreich gehen die Menschen auf die Straße. In Wien, Salzburg, Innsbruck, Graz, Linz, Bregenz und Klagenfurt finden oder fanden Anti-Kriegs-Demos statt. In Linz gingen Ende Jänner rund 1500 Menschen auf die Straße – es war die größte Friedensdemo seit einem Jahrzehnt. Und wie schon zu Zeiten des Vietnam-Kriegs wird auch dieser Krieg in den Straßen der imperialistischen Zentren gewonnen oder verloren werden.