Die neue Koalition in Berlin wird von der SPD und der PDS gebildet. Die PDS, oft als linke Alternative gesehen, war bereit, für diese Regierungsbeteiligung einen hohen Preis zu bezahlen. Gemeinsam mit der SPD wird sie nun ein gigantisches Sparprogramm in Berlin umsetzen.
Die Wahlen am 21.10.01, waren für viele Linke ein starkes Signal. Hat doch die PDS (Partei des demokratischen Sozialismus), als einzige im Parlament vertretene Partei, gegen die Solidarität mit den USA nach den Anschlägen am 11.9. entschieden und trotzdem das sehr gute Ergebnis von 22,6 Prozentpunkten einfahren können. Das ist eine Gewinn von 4,9% im Vergleich zu den letzten Landtagswahl 1998. Beindruckend sind die Unterschiede zwischen dem Westen und Osten Berlins. Bekam die PDS im Westen durchschnittlich nur 6,7%, so war es im Osten in einigen Wahlkreisen die absolute Mehrheit, durchschnittlich erhielt sie dort 48,1%.
Nach dem Scheitern der Ampelkoalitionsverhandlungen war für die SPD die PDS die zweite Wahl. Ebenso für die Wäh-lerInnen, welche in Umfragen sehr klar für eine Ampelkoa-lition gestimmt haben. 58% wünschten sich eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP, „nur“ 28% eine Koalition zwischen SPD/PDS. Innerhalb des rechten Flügels der SPD ist aufgrund der Koalition mit der PDS mit Austritten zu rechnen. Die Führung der SPD beschwichtigt allerdings ihre WählerInnen und Mitglieder damit, dass „rot-rot“ kein Modell für die Bundesebene sei.
Auch innerhalb der PDS regt sich Widerstand. Bedeutet doch die Koalitionsbeteiligung, eine Politik umzusetzen, wie sie auch unter SPD/CDU gemacht wurde. Die Differenzen zwischen Teilen der Basis und der Führung sind schon so groß, dass der Spitzenkandidat der PDS, Gregor Gysi, mit Sprüchen wie „mehr Polizei auf deutsche Strassen“ auf WählerInnen-fang gehen kann. Von Seiten der CDU ist mit dem Ausschlachten des Themas beim Bundestagswahlkampf im September zu rechnen. Hat doch CSU-Vorsitzender Stoiber schon kurz nach dem Bekannt werden der Koalition bei einer Klubklausur angekündigt, eine Kampagne gegen rot-rot zu führen. Doch ist es gerade die CDU, die Schwesterpartei der CSU, die mit ihrer Politik des Sozialabbaus die PDS in Berlin so stark gemacht hat.
Einsparungen
Im Koalitionsvertrag verpflichtet sich die PDS dazu, den Landeshaushalt zu sanieren. 2009 sollen erstmals keine neuen Kredite aufgenommen werden. In Österreich hat sich Finanzminister Grasser bekanntlich den Begriff des Nulldefizits ausgedacht. Dieses Ziel bedeutet natürlich sparen, aber anders als von einer „linken“ Partei zu erwarten bei ArbeiterIn-nen und nicht bei den Reichen. Damit spart nicht nur die PDS, wie schon so viele Regierungen davor, bei denen, die sowieso zuwenig haben, sondern akzeptiert auch die bürgerliche Sparlogik. Anstatt entschieden gegen Sozialabbau vorzugehen, wird die PDS ihn in Zukunft auch noch rechtfertigen.
Im öffentlichen Dienst, wo bereits innerhalb der letzten 10 Jahre, ein Viertel aller Stellen gestrichen wurden, sollen weitere 15.000 – 30.000 Arbeitsplätze abgebaut werden. Alleine im öffentlichen Dienst soll bis 2006 eine Milliarde Euro an Personalkosten eingespart werden. Lohnverzicht sei „unumgänglich“. Gebührenerhöhungen, Privatisierungen, Arbeitszeit-verlängerungen, Lohnkürzungen, Schließungen von Kindertagesstätten und der Verlängerung von Ladenöffnungszei-ten hat die PDS teilweise bereits im Koalitionsvertrag zugestimmt, es ist davon auszugehen, dass sie viele dieser Sparpläne auch umsetzen wird – natürlich immer mit dem Versprechen, die Einsparungen auf die „soziale Verträglichkeit“ zu prüfen. Zeitgleich mit dem Bekenntnis zum Sparen beschließt die Koalition, Millionen für den Ausbau des Flughafens Berlin auszugeben und sich ein weiteres Mal für die Olympischen Spiele zu bewerben.
Die Rolle der PDS
Die PDS wird wohl einen ähnlichen Weg einschlagen wie die Deutschen Grünen (mehr in Morgenrot 16/2002) auf Bundesebene. Des Weiteren wird die PDS wohl dafür Sorge tragen, dass das Sparprogramm ohne soziale Kämpfe durchgezogen wird. Der Grund für die Regierungsbeteiligung ist allerdings nicht nur das Streben nach Macht und bequemen Re-gierungssesseln. Diese Entwicklung ist in einem längeren Konnex zu sehen. Die Partei hat sich nach und nach von ihren Zielen und Idealen verabschiedet. So hat sich die Nachfolgepartei der DDR-Staatspartei „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“ (SED) im Koa-litionsvertrag vom Mauerbau 1961 distanziert und die Mauer als „unmenschliche Grenz-blockade“ verurteilt. Dieses Bekenntnis wären zwar schon längst fällig gewesen und wurde auch vom AntistalinistInnen innerhalb der PDS gefordert, doch blieben diese Rufe zumeist unbeachtet. Für die SPD und einige Senatssessel ist die PDS-Führung mit Gregor Gysi an der Spitze allerdings bereit, formal mit dem Mauerbau zu brechen.
Innerhalb der PDS gab es auch nie eine marxistische Auseinandersetzung mit dem Stalinismus und der DDR. Im Gegenteil, Gysi versteckt seinen Antisozialismus hinter Antistali-nismus und meint „Stalinismus sei die Konkretisierung marxistischer Theorie“ und schwört somit dem Sozialismus ab. Auch im Kommis-sionsentwurf zum Parteiprogramm heißt es „Die alte Theorie (Anm. gemeint ist wohl der Marxismus) hat immer nur zum Staatssozialismus geführt.“ Ebenfalls nicht mehr hinterfragt wird das kapitalistisch-parlamentarische System als moderne bürgerliche Herrschaftsmethode, da dies die eigene Einbindung in eben dieses System gefährden könnte.
Keine Illusionen
Die eigentliche Aufgabe der PDS müsste sein, die Einsparungen zu stoppen und bereits geschehene Verschlechterungen rückgängig zu machen. Doch wird dies und auch die Hoffnung, die PDS könnte eine „sozialere Sparpolitik“ betreiben, eine Illusion bleiben. Mit den Einsparungen, denen die PDS bereits zugestimmt hat und dem daraus resultierenden künftigen Sozialabbau wird die PDS viele ihrer WählerInnen verlieren, welche, mit der Hoffnung auf eine „andere“ Politik, ihre Stimme links der Mitte abgegeben haben. Bleibt zu hoffen, dass diese Menschen sich eine neue Alternative links der PDS und nicht rechts der Mitte suchen.