Als US-Außenminister Powell am 19.11. von einem palästinensischen Staat sprach, hatten noch ein letztes Mal die Illusionen in eine imperialistische Lösung des Nahostkonflikts Hochkonjunktur.
Durch die “Allianz gegen den Terror” für die die USA die Unterstützung der arabischen Regime brauchten, schien eine Veränderung der US-Politik und eine Unterstützung der PalästinenserIn-nen durch die USA realistisch. Einen Monat später erklärte Sharon Arafat als irrelevant, ließ neben seinem Hauptquartier Raketen einschlagen, Ara-fat wurde unter Hausarrest gestellt, die USA billigten dieses Vorgehen. Nun musste auch den Blauäugigsten klar werden, dass der Imperialismus sich nicht ändert. Bei Powells Rede handelte es sich um einen kurzfristigen Hackenschlag, der, sobald der Afghanistan-Krieg so gut wie gewonnen war, korrigiert wurde.
Düstere Bilanz
Nach fast eineinhalb Jahren Al-Aqsa Intifada und der israelischen Unterdrückung selbiger bietet sich ein düsteres Bild. Fast 1000 PalästinenserInnen wurden getötet, über 3500 palästinensische Wohnhäuser und 108 Brunnen zerstört. Das palästinensische Territorium ist durch israelische Stellungen in 200 voneinander isolierte Gebiete getrennt. Ende September 2001 hatte die Arbeitslosenrate in den palästinensischen Gebieten 35% erreicht, in Gaza sogar 50%. Die Weltbank schätzt, dass 46% der PalästinenserInnen unter der Armutsgrenze leben, doppelt soviele wie vor Ausbruch der Intifada.
Die durch Oslo, die USA und Israel der palästinensischen Autorität (PA) auferlegten Bedingungen waren hart, seit Beginn der Al-Aqsa Intifada wurden sie skuril: Arafat soll Leute verhaften, die auf israelischen Listen stehen, während seine Sicherheitskräfte bombardiert werden; Arafat kann den Palä-stinenserInnen weder Bewegungsfreiheit noch genügend Nahrungsmittel garantieren, aber er soll die Sicherheit jedes Israelis garantieren; er soll jeden Palästinenser kontrollieren und ihn von Attacken gegen israelische Ziele abhalten, ohne dass er das Land kontrolliert.
Sharon hat durch seine Anweisungen, gegen Terroristen und KritikerInnen des Friedensprozesses vorzugehen, gezielt Unruhen in den Autonomiegebieten provoziert, um die PA zu destabilisieren. Israel erwartete von Arafat, dass er Israel das bringt, woran die israelische Armee scheiterte: Sicherheit für die Israelis. Trotz der Widersprüche versuchte die PA diese Ansprüche gegen ihre eigenen Leute durchzusetzen. Am 8.10. gingen palästinensische Sicherheitskräfte bei Demonstrationen gegen den US-Krieg gegen Afghanistan mit Waffengewalt vor. Erstmals seit dem Ausbruch der Intifada richtete sich die Polizei gegen ihre eigenen Leute, tötete zwei Demonstranten und verletzte 200.
Am 16.12. rief Arafat zu einem Ende der Gewalt gegen Israel und israelische Stellungen und Siedlungen auf. In den folgenden Tagen ließ er 14 Einrichtungen der FundamentalistIn-nen schließen, fünf Palästinenser wurden in Konfrontationen zwischen Hamas und PA getötet, 55 verletzt, 180 verhaftet.
Trotz dieser Maßnahmen, mit denen die PalästinenserInnen gespalten wurden, blieb Sha-ron hart: Er hatte lange nach einem Vorwand für die Zerstörung der PA und jeglicher politischen Führung und Infrastruktur gesucht. Mit den Bombenanschlägen Anfang Dezember war dieser gefunden. Israel brach alle Kontakte mit Arafat ab. Sharons Strategie ist, das Osloer Abkommen zu zerstören, die PA und ihre bewaffneten Kräfte zu entfernen, die israelische Siedlerbewegung zu stärken, Hamas an die Macht zu bringen um sagen zu können, es sei keiner da mit dem man reden könnte und damit die militärische Invasion zu rechtfertigen. Damit wäre sein Projekt, das er 1982 mit der Besetzung des Libanon und den Massakern in den Flüchtlingslagern Sabra und Chatilla begann, vollendet. Alternativen
Arafat und der bürgerliche Nationalismus haben versagt. Die Fundamentalisten und ihre individual-terroristischen Aktionen stellen keine Alternative dar. Hinter ihrer radikal religiösen Fassade verbirgt sich eine nationalistische und prokapitalistische Perspektive. Alle Appelle von Arafat und der internationalen Gemeinschaft, die Intifada einzustellen sind reaktionär und dienen den Interessen der israelischen Rechten.
Die Intifada muss sich von individual-terroristischen Anschlägen frei halten und gezielt gegen die Besatzung und damit gegen israelische Stellungen in der West Bank und Gaza vorgehen, mit Waffengewalt, Demonstrationen, Protestmärschen und allen Formen des zivilen Widerstands. Eine Einheitsfront aller kämpfenden Kräfte, abseits vom individuellen Terror und der korrupten Bürokratie der PA, ist notwendig und muss sich mit den konsequenten Kräften der israelischen Friedensbewegung verbünden.
Unsere Aufgabe ist es, sich einzumischen, gerade aufgrund unserer historischen Verantwortung gegenüber Israel als Heimstatt der Juden/Jüdinnen. Diese Einmischung hat keinen antiisraelischen Charakter. Antiisraelisch ist die Regierungspolitik Sharons, die auch für Israel eine Tragödie ist. Die Solidarität mit der palästinensischen Intifada und den konsequenten israelischen Friedenskräften ist daher das Gebot der Stunde.