Albanien gehört zu jenen Ländern in Mittel- und Osteuropa, die sich in der Frage eines Irak-Krieges offen auf die Seite der USA gestellt haben. Aber das kleine Balkanland ist derzeit nicht nur aus politischen Gründen für die USA als Teil jenes "neuen Europa" interessant, das von der US-Administration zur Schwächung der deutsch-französischen Position beschworen wurde. Weitgehend abgeschirmt von der breiten Öffentlichkeit, finden derzeit in Albanien gemeinsame Manöver der US- und der albanischen Streitkräfte statt. Auch das wäre an sich noch immer nichts Außergewöhnliches. Aber seit einigen Tagen werden im Südwesten Albaniens in der Nähe der Hafenstadt Vlora auf der Halbinsel Karaburun die alten, aus den Zeiten Enver Hoxhas stammenden Bunkeranlagen bombardiert.
Von Seiten des albanischen Verteidigungsministeriums bekam die US-Army die Erlaubnis, ihre Missiles zu testen. Aus Helikoptern und Kanonen wird also die Halbinsel unter Beschuss genommen. Die Sache ist einfach: Albanische Bunker sind – so ein Sprecher der amerikanischen Streitkräfte, nachdem der Fall in die albanische Öffentlichkeit gebracht wurde – von ähnlicher Stärke und Ummantelung wie die im Irak Saddam Husseins. Der Test der Boden-Boden und der Luft-Boden-Raketen sei daher eine zusätzliche Garantien für den Erfolg der amerikanischen Streitkräfte im Krieg gegen den Irak.
Die 16 km lange und vier km breite Halbinsel Karaburun, die derzeit von der US-Army bombardiert wird, ist wasserlos und wird von Schäfern als Weideland benützt. Die Einwohner des nahe gelegenen Dorfes Dukat protestierten, nachdem sie von der US-Army gewarnt wurden, ihre Tiere weiterhin auf die Halbinsel zu treiben, gegen die Bombenabwürfe. Das Land ist Privateigentum dieser Familien. Sie verlangen nun Entschädigung für die schweren Verwüstungen (tiefe Krater etc.), die seit den ersten Februartagen durch die simulierten Bombenangriffe angerichtet wurden.
Das albanische Verteidigungsministerium versucht jetzt die Sache einerseits gegenüber den unmittelbar Betroffenen herunterzuspielen, betont aber andererseits die Bedeutung dieser Übungen für die freie Welt im Kampf gegen den Terrorismus: Die Bunker, ein Erbe der Isolationspolitik des albanischen Stalinismus, sind wie im Irak ein zentrales Element der nationalen Verteidigung. Und sie sollen eben denen des Irak in Stärke und Bauweise verblüffend ähnlich sein.
Das Interesse der US-Army an einer Verwüstung der albanischen Halbinsel zeigt die Entschlossenheit, mit der die Kriegsvorbereitungen gegen den Irak abseits aller Sitzungen des Sicherheitsrates und aller Waffeninspektionen vorangetrieben werden. Karaburun kommt übrigens aus dem Türkischen. Karaburnu bedeutet Schwarzes Kap. Vlora und sein Umland waren aber bereits seit griechischer Zeit besiedelt (auf der Halbinsel finden sich übrigens antike Überreste, z.B. alte Inschriften in einigen der vielen Höhlen des Kalksteinmassivs). Es steht zu befürchten, dass die griechische Bezeichnung wohl ihrer derzeitigen Bedeutung für die US-Armee als Testplatz für den Irak-Krieg gefährlich nahe kommt: Kereaunion wurde in antiker Zeit als Eingang zum Strafort des Tartaros, der mythischen Unterwelt, gesehen und bedeutet Vorgebirge der Blitze.
Julia Masetovic