Was gab es nicht für ein Geschrei, als letztes Jahr der Verein Viennabike in den inneren Bezirken Fahrräder zum kostenlosen Verleih aufstellte und anfänglich nicht alles klaglos funktionierte. Einige Zeitungen bemühten die Vienna-Bikes sogar, um zu erklären, dass der Kommunismus nun mal nicht funktionieren könne.
Jeden Tag berichteten die Medien über Fahrräder, die an den unmöglichsten Orten, etwa im Donaukanal oder im tschechischen Reisebus an der Grenze, aufgefunden wurden. Gleichzeitig wurde die Unmöglichkeit des Kommunismus mit zerstörten oder gestohlenen Fahrrädern belegt. ExpertInnen blieben cool. Erfahrungen in anderen Ländern hatten gezeigt, dass es sich um übliche Anlaufschwierigkeiten gehandelt hatte.
Tatsächlich beruhigte sich die Szenerie nach einigen Wochen entscheidend, die Gratis-Räder gehörten zum Stadtbild. Eins der größten Probleme blieb aber weiterhin die geringe Anzahl der Rückgabe-Terminals und die Beschränkung des Viennabikes auf die Bezirke innerhalb des Gürtels. Beides führte dazu, dass relativ oft Fahrräder einfach am Straßenrand lehnend aufgefunden wurden. Wer einmal quer durch die Stadt geradelt ist, auf der Suche nach einem Rückgabe-Terminal, weiß, wovon die Rede ist. Auch die – trotz aller Aufstockungen – zu geringe Anzahl an Rädern sorgte für Unmut. All das offensichtlich strukturelle Probleme, die leicht beseitigbar gewesen wären (sogar SponsorInnen für eine Ausweitung gab es schon).
Verlierer und Gewinner
Doch weit gefehlt! Heuer musste der Verein Vienna-Bike endgültig Konkurs anmelden, die Terminals werden kostenintensiv wieder ausgegraben, die Fahrräder zum Spottpreis verkauft. Statt dessen wurde eine neue Firma beauftragt, ein neues Konzept auszuarbeiten. "Zufällig" handelt es sich dabei um die Gewista, die – mittlerweile privatisierte – Gemeindewerbung der Stadt Wien.
Die Gewista wurde bereits 1974 aus dem Budget ausgegliedert, vorher war sie eine mit Steuergeldern aufgebaute Magistratsabteilung. 1993 übernahm die Bank Austria die Mehrheitsanteile, verkaufte diese aber dann an den französischen Werbemulti JCDecaux, der 67% Anteile an der Gewista hält. Die restlichen 33% gehören der Progress-Werbung, die wiederum der SPÖ-Wien und der Wiener Städtischen Versicherung gehören. Eine gewisse SPÖ-Nähe ist der Gewista also selbst bei Zudrücken aller vorhandenen Augen kaum abzusprechen, das Angenehme wurde mit dem Nützlichen verbunden.
Wie sieht nun das neue Konzept der "City-Bikes" aus? Zuerst muss einmalig eine Anmeldung erfolgen, die zwei Euro kostet. Danach ist nur mehr die erste Stunde gratis, dann muß bezahlt werden, für die zweite und dritte Stunde je zwei Euro, danach wird es noch teurer. Besonders lustig, da erst im Spätfrühling mit dem Aufbau von Rückgabeterminals begonnen wurde, diesen Sommer soll es in ganz Wien gerade einmal sechs Terminals geben.
Es stellt sich übrigens (nicht nur) in diesem Zusammenhang auch die Frage, was passiert, wenn jemand das Rad zeitgerecht zurückgeben wollte, aber der Terminal voll und der nächste weit entfernt ist. Durch die ganze Stadt fahren, scheint der Vorschlag der Gewista zu sein. Ein Konzept, das ganz ausgezeichnet geeignet ist, um Menschen vom Umsteigen auf das Rad zu überzeugen. Wer möchte schon sein Fahrrad an der nächsten Ecke zurückgeben, wenn es so einfach ist, wieder bis zum Ausgangspunkt zurückzufahren?
Damit das Ganze zusätzlich an Reiz gewinnt, muß die Gebühr, die ab der zweiten Stunde anfällt, mit einer inländischen Bankomat-Karte bezahlt werden (ab Herbst soll es eine "City-Bike-Wien-Karte" geben). Die einzigen, die also an einem Konzept mit so wenigen Terminals noch Interesse haben könnten, TouristInnen, die meist sowieso Rundtouren unternehmen, werden von der Benutzung ausgeschlossen (wenn sie nicht zufällig in Japan oder sonstwo eine österreichische Bankomat-Karte erworben haben). Und als angenehmer Nebeneffekt des Projekts wird auch noch die Akzeptanz der Bevölkerung für einen weiteren Schritt zur kompletten elektronischen Überwachung (die durch die Bankomat-Karte gegeben ist) vergrößert.
Schade drum!
Die ganze Idee ist also mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt, sollte die Gewista nicht bereit sein, die Anzahl der Räder statt der bis Ende 2004 geplanten 1000 Räder schleunigst auf zumindest 2000 – 3000 zu heben (und ihre Qualität zu verbessern, die ersten Tests waren nicht sehr erfolgversprechend). Und selbst dann bleibt zu bemerken, dass wieder einmal ein Gratisangebot zugunsten von etwas kostenpflichtigem abgeschafft wurde.
Fazit: ein eigentlich funktionierendes Projekt, dass kostenlosen Zugang zu einer ökologisch sinnvollen Fortbewegungsart ermöglichte, wurde kaputtgemacht. Stattdessen gibt es jetzt ein Nachfolgemodell, das nicht nur nicht kostenlos ist, sondern auch nicht funktioniert. Hauptsache, der Kommunismus ist wieder einmal gescheitert.