Absoluter Gehorsam, Selbstgeisselung und fanatischer Glaube – die Jünger des heiligen Josemaria entsprechen wie kaum ein anderer religiöser Zusammenschluss dem von den Medien gemalten, hinlänglich bekannten Bild einer Sekte. Mit einem Unterschied: Das Opus Dei, der fundamentalistische katholische Orden des im Oktober 2002 heilig gesprochenen Gründers und langjährigen Führers Josemaria Escriva, ist eine dem Vatikan unterstellte und weltweit einflussreiche Organisation.
Josemaria Escriva de Balaguer wurde am 9. Jänner 1902 in der spanischen Kleinstadt Bar-bastro als Kind armer Eltern geboren und trat nach Abschluss der Schule ins Priesterseminar von Zaragoza ein. Im Jahre 1925 empfing er seine Priesterweihe und ging 1927 nach Madrid, um dort als Krankenhauskaplan tätig zu werden.
1928 schließlich "gefiel es Gott, ihn zu erleuchten" – er gründete das "Opus Dei" (Werk Gottes). In den Anfangsjahren gelang es ihm jedoch nur, einige wenige Gleichgesinnte um sich zu sammeln.
Nach Ausbruch des BürgerIn-nenkrieges 1936 musste Escriva zunächst untertauchen, kehrte jedoch wieder zurück und arbeitete von nun an mit dem faschistischen Franco-Regime zusammen. In den 60er-Jahren waren sogar zahlreiche wichtige Ministerposten der Franco-Regierung von Opus Dei-Mitgliedern besetzt. Außerdem konnte das Opus Dei während der Zeit der Franco-Diktatur seine Tätigkeit auf ganz Spanien ausdehnen.
Ab 1946 lebte Escriva in Rom und leitete von dort den weltweiten Aufbau des Ordens, bis er am 26. Juni 1975 starb. Am Tag seines Todes hatte die Sekte nach eigenen Angaben bereits 60.000 Mitglieder.
Auf Initiative von 69 Kardinälen und nahezu 1300 Bischöfen (mehr als ein Drittel des Welt-episkopates) erfolgte bereits 1992 die Seligsprechung von Josemaria Escriva durch Papst Johannes Paul II, der mit 6. Oktober 2002 die Erhebung zum Heiligen folgte.
Auch in Österreich sympathisieren heute relevante Teile der katholischen Kirche mit dem Opus Dei. Hier gelten vor allem die Bischöfe Krenn, Küng und Ex-Bischof Eder als Unterstützer der Sekte.
Das weltweite Netz
Das Opus Dei, an dessen Spitze Escriva nach seinem Tod durch Alvaro del Portillo abgelöst wurde, konnte in den 70er-Jahren sein weltweites Netzwerk mit Niederlassungen in über 80 Staaten weiter ausbauen. Nicht nur Entscheidungen innerhalb der Kirche werden heute massgeblich beeinflusst, auch in wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen waren die Mitglieder des Werk Gottes erfolgreich, was das Opus Dei auch zu einer außerordentlich finanzstarken Vereinigung werden ließ.
Offiziell "firmiert" das Opus Dei heute als "Säkularinstitut" und untersteht direkt dem Papst, was es von den Entscheidungen der lokalen Bischöfe unabhängig macht. Als Gegenleistung für diesen Rechtsstatus versprach Escriva dem damaligen Papst Pius XII., den Einfluss der Kirche über das Netzwerk des Opus Dei auf weltliche Institutionen auszudehnen. Eine Aufgabe für die der Laienorden Opus Dei aufgrund seiner Struktur bestens geeignet ist. Die Tatsache, dass in einem Laienorden auch Nicht- Geistliche beitrittsberechtigt sind, ermöglicht die Aufnahme von Führungspersonen aus Politik und Wirtschaft.
Aufgrund der radikal antiliberalen und antikommunistischen Ausrichtung des Ordens Escrivas bemühte sich in den Jahren des kalten Krieges ausserdem der CIA um dessen Unterstützung. Als mittlerweile erwiesen gilt in diesem Zusammenhang die maßgebliche Beteiligung des Opus Dei am Militärputsch gegen den sozialistischen Präsidenten Allende und der Machtübernahme des Diktators Pinochet in Chile.
"Verherrlicht sei der Schmerz"
Nach einem Blick in Escrivas Hauptwerk "Der Weg" vermag dieses Naheverhältnis zu faschistischen Diktaturen jedoch nicht mehr zu verwundern. So schreibt Escriva unter anderem: "Gehorcht, wie ein Werkzeug in der Hand des Künstlers gehorcht, das nicht danach fragt, warum es dies oder jenes tut. Seid überzeugt, dass man euch nie etwas auftragen wird, das nicht gut ist und nicht zur Ehre Gottes gereicht." (Spruch Nr. 617)
"Der Weg", eine für Laien gedachten Schrift, ist eine Aufbereitung der ideologischen Basis der Lehre des Opus Dei. Das Buch, in dem Escriva in 999 Sprüchen die Grundlagen für ein Leben im Einklang mit Gott und die "Heiligung des Alltags" wiedergibt, ist in vielerlei Hinsicht ein erschreckendes Zeugnis für den Charakter der katholischen Sekte.
Neben einer pathologischen Körperfeindlichkeit ("Wenn du begriffen hast, dass der Leib dein Feind und Feind der Verherrlichung Gottes ist, weil er deine Heiligung bedroht, warum fasst du ihn dann so weich an?" Nr. 227), findet sich darin vor allem immer wieder das eingangs erwähnte Bekenntnis zu autoritären Strukturen. "Hierarchie. – Jeder Teil an seinem Platz. – Was würde aus einem Bilde von Velazquez, wenn jede Farbe ihren Platz verließe, wenn sich jeder Faden aus der Leinwand löste, wenn jedes Holzstück des Rahmens sich vom anderen trennte." (Nr. 624) Auch dem, ebenso aus "gemäßigten" Teilen der Kirche bekannten Dogmatismus ("Mit welchem infamen Scharfsinn argumentiert Satan gegen unseren katholischen Glauben! Aber sagen wir uns stets, ohne uns auf Diskussionen einzulassen: Ich bin ein Sohn der Kirche.", Nr. 576) und der Glorifizierung der Schmerzen ("Gesegnet sei der Schmerz. – Geliebt sei der Schmerz. – Geheiligt sei der Schmerz … Verherrlicht sei der Schmerz!", Nr. 208) wurde in "Der Weg" ein entsprechender Stellenwert eingeräumt.
Das Leben im Opus Dei
Auch im Alltag, und hier insbesondere in der Konzeption des so genannten "Lebensplans", zeigt sich der menschenfeindliche und undemokratische Charakter der Escriva-Sekte. Der Tagesablauf eines Opus Dei-Mitglieds ist genau festgelegt. Zu den notwendigen täglichen Verrichtungen kommen Gebetsstunden und Selbstgeisselung, die sogenannte "Abtötung", hinzu.
Besonders für Frauen hat das Gottes Werk hier eine interessante Perspektive zu bieten. So äußert sich ein weibliches Mitglied des Opus Dei auf der Internetseite der Sekte zu ihrem Alltag: "… im Haushalt verbringe ich viele Stunden des Tages damit, für die Belange meiner Familie zu sorgen. Genau das ist es, worin ich mich mit dem Opfer Christi vereinige."
Die Ausbildung zum Mitglied kann bereits in einem Alter von 14 Jahren beginnen. Nach einer dreijährigen Zeit als "Aspirant" erfolgt die Aufnahme als Vollmitglied. Geeignete Jugendliche werden über Jugendklubs und gemeinsame Aktivitäten gesucht und so langsam in die Strukturen integriert. Ist der/die AspirantIn dann ordentliches Mitglied, wird er/sie in Schulungen und durch die täglichen Unterweisungen von Seiten der Zentrumsleiter weiter im Sinne der Opus Dei-Ideologie geformt.
Um die Beeinflussung der Mitglieder durch Meinungsvielfalt zu verhindern, herrscht in den Opus Dei-Zentren strenge Zensur. Am Besten werden die Zustände in diesem Bereich von einer internen Anweisung des Opus Dei an die lokalen Leiter wiedergegeben: "Konkret darf man ohne die notwendige Erlaubnis nicht lesen: die Bücher, die von der zuständigen kirchlichen Behörde ausdrücklich verworfen sind; die Bücher und Artikel von nicht-katholischen Autoren, die ausdrücklich religiöse Themen behandeln, es sei denn, sie enthalten mit Gewissheit nichts gegen Glaube oder Sitten; die Schriften, die im Widerspruch zum Glauben und zu den Sitten stehen; die Bücher, denen die kirchliche Approbation fehlt, und die diese nach dem Kirchenrecht … benötigen würden; die Werke von Autoren marxistischer Ausrichtung, wobei zu beachten ist, dass der Einfluss dieser Ideologie sich auf vielen kulturellen und wissenschaftlichen Gebieten zeigt …"
Trotz all dieser Unappetitlichkeiten verzeichnet das Opus Dei einen Zuwachs an Mitgliedern und Einfluss. Und vor allem innerhalb der Kirche haben sich die Jünger Escrivas zu einem – vielleicht dem – entscheidenden Faktor entwickelt. Das Opus Dei selbst ist sich dieser Macht bewusst; ein führender Opus Dei-Mann meint hierzu: "In 20, 30 Jahren wird das einzige, was von der Kirche bleibt, Opus Dei sein. Die ganze Kirche wird Opus Dei sein."