Fahrenheit 9/11 – was für die einen bloß plumpe Kritik an George W. Bush ist, ist für die anderen eine großartige Polit-Dokumentation über die Hintergründe und Auswirkungen des 11. September. Michael Moore, der populäre Filmemacher, Oskar-Preisträger und Bush-Kritiker erhitzt wieder einmal die Gemüter. Wir haben seinen neuen Film gesehen und einer kurzen Kritik unterzogen.
Tatsächlich, auf den ersten Blick scheint Moores neuer Klassenschlager wie eine persönliche Abrechnung mit George Bush Junior. Von Anfang an kommt dem amerikanischen Präsidenten eine Hauptrolle im Film zu, die er zwar eher ungewollt, aber ziemlich amüsant spielt: George Bush beim Warten auf einen Live-Auftritt, George Bush beim Lesen eines Kinderbuchs (welches er – wie könnte es anders sein – verkehrt herum hält) vor einer Grundschulklasse, George Bush beim Golfen, George Bush beim Tontaubenschießen…
Hier zeigen sich bereits die ersten Schwächen des Films. Moore, der mit aller Wort- und Bildgewalt George Bushs Einfalt entlarvt, kann damit zwar den einen oder anderen Lacher ernten, ist dadurch aber keineswegs besonders originell. Dass das amerikanische Staatsoberhaupt kein Genie ist, wissen wir schon lange. Ihm dies vorzuwerfen (und zwar hauptsächlich) ist politisch falsch. Denn auch ein unheimlich gebildeter, blitzgescheiter Bush wäre kein besserer Präsident und würde wohl die selbe reaktionäre Politik machen – dann wahrscheinlich noch um eine Spur "effektiver". Zudem ist es wenig erschreckend zu erfahren, dass Bush mehr als 40% seiner Amtszeit in Urlaub verbringt. Denn sein Programm wird auch durch erhöhten Arbeitsaufwand nicht besser.
Massentauglich
Stilistisch macht der Regisseur keine großen Experimente. Er ist ein Meister seines Fachs, ein großartiger Polemiker und leidenschaftlicher Zyniker. Sein Film ist absolut massentauglich und das ist auch gut so. Denn nur allzu oft verlieren sich kritische KünstlerInnen im avantgardistischen Nirwana und laufen dadurch Gefahr, absichtlich (von der politischen Rechten) wie unabsichtlich (von den Menschen) missverstanden zu werden.
Anders als in "Bowling for Columbine", wo Moore noch aus zahlreichen Interviews, Aktionismen, Cartoons und Kurzfilmen ein Gesamtkunstwerk zusammenzimmert, erzählt er in "Fahrenheit 9/11" eine straff aufgebaute Geschichte und setzt sich dabei nur ganz selten selbst in Szene. Erstaunlich, wie Moore es schafft, ein an sich sehr ernstes Thema so amüsant und witzig zu behandeln. Wie schon in "Bowling" wechseln sich hier sehr emotionale und traurige Szenen mit satirischen Späßen ab. War eben noch ein irakisches Bombenopfer in Großaufnahme zu sehen, so sieht der/die ZuschauerIn in der nächsten Szene einen amerikanischen Präsidenten, der sich furchtbar peinlich verspricht.
"Fahrenheit 9/11" hat seine Stärken vor allem in jenen Sequenzen, wo der Film die zahlreichen und engen Verbindungen der Familie Bush und des saudi-arabischen Regimes aufzeigt und veranschaulicht, wie gut die republikanische Regierung mit einem wahren Netz von amerikanischen Großkonzernen zusammenarbeitet. "Im Irak lässt sich momentan so gut Geld verdienen wie nirgendwo anders auf der Welt" meint ein Vertreter der US-Wirtschaft. "Die Situation ist gut für das Business, aber schlecht für die Menschen" sagt ein anderer ganz ungeniert. Viele Hintergründe die der Regisseur aufdeckt, sind zwar für den/die politisch interessierten LinkeN nichts neues, für einen beträchtlichen Teil der KinobesucherInnen dürften sie aber recht aufschlussreich sein.
Doch in der Gesamtheit ist der Film – politisch gesehen – eher eine Enttäuschung. Moore, der in seinen Frühwerken wie "Roger and Me" noch um Hauseck progressiver war, kommt diesmal mit seiner Kritik an der Bush-Regierung, am "War on Terror" und am Irak-Krieg ziemlich armselig rüber. Amerika sei ein großartiges Land und die US-SoldatInnen ehrenwerte Menschen, die es nicht verdient hätten, von Bush und seiner konservativen Clique für ihre üblen Machenschaften missbraucht zu werden. Aber wäre der Krieg gegen den Irak denn besser gewesen, wenn er nicht auf Lügen basiert hätte? Wohl kaum!
Wo bleibt die Kritik?
Moore ist handzahm geworden. Zwar legt er hie und da noch seine Fingen auf die Wunden des Systems, eine wirklich progressive Kritik kommt ihm aber nicht über die Lippen. Obwohl Moore am Ende des Films sehr wohl eine grundlegendere Kritik der herrschenden Zustände versucht, fehlt trotzdem die Konsequenz. Und so wird Moores Botschaft von den meisten wohl so verstanden werden, dass nicht der Kapitalismus an sich schuld wäre an den Kriegen in der Welt, an der Ausbeutung der Menschen, an Not und Elend … nein, es ist ein dummer unfähiger Präsident mit seiner durchsichtigen "Freunderlwirtschaft".
Die Konsequenz des Regisseurs ist seine Unterstützung der demokratischen Partei mit John Kerry als Präsidentschaftskandidaten. Pikanterweise hat dieser sich allerdings erst vor Kurzem von Michael Moore distanziert. Wie auch immer – sein Film regt zum Nachdenken an. Womit der erste Schritt bereits gemacht wäre …