Am 09.03. haben rund 40 AktivistInnen unterschiedlicher Organisationen der Wiener Linken eine Veranstaltung des Cafe Critique und der Studienrichtungsvertretung Politikwissenschaft im Wiener KPÖ-Lokal "Siebenstern" gestört. Als Redner war ein Redakteur der bundesdeutschen Zeitschrift "Bahamas" eingeladen. Die Bahamas ist in der Linken als Speerspitze der sogenannten "Antideutschen" oder "Antinationalen" hoch umstritten.
Diese Strömung gruppiert ihre politischen Positionen – grob zusammengefasst – um die Frage des Israel/Palästina-Konflikts. Hier wird zur (zumeist bedingungslosen) Solidarität mit dem Staat Israel aufgerufen. Die Bahamas formuliert das so: "mit dem Staat Israel bedingungslos solidarisch […] alles andere ist von der faschistischen Intention nicht mehr zu unterscheiden." Erklärt wird das damit, dass v.a. Deutsche und ÖsterreicherInnen historisch Schuld auf sich geladen hätten und daher eine Pro-Israel-Positionierung nötig sei.
In antideutscher Diktion liest sich das so "Hinsichtlich Israels könnte für an Emanzipation interessierte Menschen, also für Kommunisten, doch alles ganz einfach sein: Der Antisemitismus, der auch schon bei den Nazis antizionistisch war, hat zur Shoah geführt. Deutsche, Österreicher und ihre Hilfsvölker haben die Vernichtung organisiert und durchgeführt."(1) Diese sogenannte "Kollektivschuldtheorie" blendet allerdings die Frage des Widerstands gegen das NS-Regime komplett aus und sieht "die Deutschen" als Volksganzes – und ist damit nur eine umgekehrte Variante der Volksgemeinschaft der Neonazis. Antideutsche wie Nazis sprechen von einem einheitlichen deutschen Wesen, von einem Volkskörper mit gleichem Interessen, für Differenzierungen ist da kein Platz mehr. Der/die Deutsche ist reaktionär. Verschiedene Klasseninteressen und der Widerstand der ArbeiterInnenbewegung kommen nicht mehr vor.
Selbstverständlich muss sich die Linke gerade in Österreich und Deutschland mit dem Holocaust und seinen Folgen auseinandersetzen und muss eine Sprache finden, die aktuellen antisemitischen Vorurteilen und Stereotypen nicht ins offene Messer läuft. Gleichzeitig muss die Linke in ihrer Israel-Kritik auch bedenken, dass die massenhafte Auswanderung nach Israel eine direkte und verständliche Reaktion auf den Holocaust war. Doch ändert das nichts daran, dass die Gründung des Staates Israel auf dem Rücken der palästinensischen Zivilbevölkerung erfolgt ist und Massenvertreibungen zur Folge hatte. Dies und die permanente Unterdrückung der PalästinenserInnen durch den israelischen Staat und die israelische Armee zu verschweigen, kann nicht die Reaktion der Linken sein.
Die Antideutschen verschweigen, dass sie sich mit ihrer Position der bedingungslosen Solidarität mit Israel nicht auf die Seite "Israels" stellen (wie ja kein Staat ein politisch homogener Block ist) sondern auf die Seite der israelischen Rechten und extremen Rechten. Entsprechend billigt die Bahamas dem Kriegsverbrecher Ariel Sharon, der Anfang der 80er Jahre wegen Massakern und Kriegsverbrechen zurücktreten musste, zu, "ein hellwaches Gespür" zu besitzen. Die radikale Linke Israels, die gemeinsam mit palästinensischen Linken gegen die Besetzung Palästinas und die Unterdrückung durch den Staat Israel arbeitet, sieht diese Entwicklung in Deutschland und Österreich in Gesprächen oft fassungslos.
Ausgehend von der Solidarität mit Israel wurden wesentliche Teile der Antideutschen pro-imperialisch. Die Linke musste mit ansehen, wie angeblich linke Demos mit USA und Großbritannien-Fahnen überschwemmt wurden. Gleichzeitig stellten sich die Antideutschen frontal gegen die Bewegungen gegen die Kriege gegen Afghanistan und den Irak.
Die Bahamas formuliert das so: "Sollte wirklich Afghanistan das erste Ziel eines US-Gegenschlages sein, wäre zu fordern, das dieser so konsequent wie möglich erfolgt, d.h. einen Sturz nicht nur des Taliban-Regimes, sondern auch die Verhinderung weiterer islamischer Herrschaft bewirkt wird und nicht auf Afghanistan beschränkt bleibt." Argumentiert wird dabei weiter "links": "US-amerikanische Militärschläge gegen islamische Zentren hätte jeder bis auf weiteres zu begrüßen, der die Emanzipation (…) von Markt und Staatlichkeit nach wie vor als Bedingung menschlicher Selbsttätigkeit (…) begreift".(2) Warum allerdings die US-Bomben die Emanzipation von Markt und Staatlichkeit bringen, warum der Völkermord, den die Bahamas letztlich fordert, ein fortschrittliches Element hat, bleibt das wohlgehütete Geheimnis der Bahamas.
Gelobt wird stattdessen Präsident Bush: "Nicht weil der Feind meines Feindes mein Freund ist, sondern weil die USA selbst in Gestalt eines Präsidenten Bush im Vergleich zu islamischer Herrschaft oder deutschem Antiimperialismus noch fast ein Menschheitsversprechen darstellen." Doch damit nicht genug: "Wer ausgerechnet anlässlich der Terrorangriffe unvermittelt über Bush und die Todesstrafe redet, außenpolitische Verbrechen der USA, derer es wahrlich genug gibt, aufzählt, oder vor dem Erstarken eines sinistren protestantisch aufgeladen Moralrigorismus warnt, betreibt bereits die Geschäfte der Moslemfaschisten." Damit erklärt die Bahamas allen Ernstes, dass die Politik der USA außer Kritik zu stellen ist. Stattdessen werden Moslems mit FaschistInnen gleichgesetzt. Mittlerweile geht die Bahamas noch weiter und bezeichnet Moslems in übler rassistischer Manier als "Ziegenficker".(3)
Auffallend ist, dass in der Diskussion rund um die Veranstaltung, die jetzt in Teilen der Wiener Linken eingesetzt hat, über genau diese Positionen der Bahamas von antinationaler Seite kein Wort verloren wird. Es wäre doch interessant zu erfahren, ob "Ökoli" und "Café Critique" der Meinung sind, dass muslimische Menschen "Ziegenficker" sind, dass George Bush ein "Menschheitsversprechen" darstellt und ob jede/r, der/die nicht bedingungslos solidarisch mit Israel ist, von "faschistischen Intention nicht mehr zu unterscheiden" ist. Statt dessen werfen die Antinationalen mit wüsten Antisemitismus-Vorwürfen um sich und behaupten, alle diejenigen, die die Positionen der Bahamas unerträglich fänden, würden sich mit der Diktatur im Iran solidarisieren.
Der Begriff "links" ist ein sehr weiter (und sehr schwammiger). Daher erkennen wir an, dass es Menschen und Organisationen gibt, die teilweise von antinationalen Positionen beeinflusst sind, die wir aber sehr wohl als "links" anerkennen, auch wenn wir ihre politischen Positionen ablehnen. Die Aussagen der Bahamas hingegen stellen eine andere Qualität dar. Mit ihren Positionen stellt sich die Bahamas außerhalb des Diskurses in der Linken und hat daher auch in linken Zusammenhängen nichts verloren.
Die Positionen der Bahamas sind in der Linken wohlbekannt und diskutiert. Umso unverständlicher ist es, dass die Wiener KPÖ der Bahamas für ihre Veranstaltungen einen Raum zur Verfügung stellt. Eine Reihe von AktivistInnen verschiedener Gruppen hatte sich am 09.03. dazu entschlossen, diese Veranstaltung zu besuchen. Die AktivistInnen sind in den Raum gegangen, um an der Diskussion mit der Bahamas teilzunehmen. Als die Antideutschen sie daran hindern wollten, an einer öffentlich angekündigten Veranstaltung teilzunehmen, dürfte es zu einer Rangelei gekommen sein. Die Antideutschen riefen daraufhin die Polizei, diese hielt die DemonstrantInnen im Raum fest, die Menschen mussten einzeln nach draußen, Personalien wurden aufgenommen, ein Aktivist wurde von einer Antideutschen wegen Körperverletzung angezeigt. Die anwesende Wiener KP-Vorsitzende Stiefsohn war offensichtlich gegen die Räumung durch die Polizei (das ändert aber nichts an der politischen Verantwortung der KPÖ für die Zurverfügungstellung des Lokals an die Bahamas).
Was im Vorfeld genau geplant war, können wir nicht sagen, da wir weder in die Vorbereitungen eingebunden waren noch zu Beginn der Aktion anwesend waren. Wir wurden angerufen, als die Polizei bereits im Siebenstern war, kurz danach ist eine Gruppe von AL-AktivistInnen eingetroffen, um sich mit den Eingeschlossenen zu solidarisieren. Wir werden nicht beurteilen, wer jetzt wen geschubst hat (allerdings hat die angebliche verletzte Frau für uns nicht unbedingt sehr verletzt ausgesehen und war auch keineswegs eine unbeteiligte Zuhörerin).
Wir können allerdings mit Sicherheit sagen, dass z.B Darstellungen wie "Im Gegenteil, die eben aufgelöste Meute versammelte sich erneut vor dem Lokal und klopfte mit bedrohlich wirkenden "Intifada"-Rufen an die Scheiben des Siebenstern." (Erklärung der Gruppe Ökoli) mit Sicherheit nicht der Realität entsprechen, da wir die ersten Eintreffenden waren und erst am Schluss gegangen sind und in dieser Zeit zu keinem Zeitpunkt Gruppen von Menschen an irgendwelche Scheiben geklopft haben (was im Übrigen im Siebenstern mit seinen riesigen Glasfassaden schon aus Eigenschutzgründen keine gute Idee wäre). Die Sprechchöre gruppierten sich im Wesentlichen um die Forderung nach Freilassung der Menschen, die von der Polizei zu diesem Zeitpunkt festgehalten wurden (selbstverständlich wurden aber auch politische Losungen, die das Thema betrafen, gerufen).
Die Bahamas vertritt pro-imperialistische und rassistische Positionen. Klar ist, dass solche Veranstaltungen in linken Räumen unakzeptabel sind. Wir fordern daher die KPÖ auf, in Zukunft für solche Veranstaltungen keine Räume mehr zur Verfügung zu stellen.
* Keine pro-imperialistischen und rassistischen Veranstaltungen in linken Zusammenhängen!
* Keine Polizei in linken Veranstaltungslokalen!
* Einstellung der Verfahren gegen die AktivistInnen des 09.03.!
* Für einen gemeinsamen Kampf der israelischen und palästinensischen ArbeiterInnen für ein sozialistisches Israel/Palästina!
* Solidarität mit den fortschrittlichen Kräften des irakischen Widerstandes!
* Imperialistische Truppen raus aus dem nahen und mittleren Osten!
Fußnoten:
1) "Kommunismus und antideutsche Kritik", Interview mit Stephan Grigat, führendes Mitglied des "Café Critique
2) "Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder!", Bahamas, 14.9.2001
3) "Verständnis, Toleranz und Respekt – Antirassisten und Islamisten gemeinsam gegen rechte Verbindungen", Bahamas 46/2005.