Fossiler Brennstoff – fossiles System. Zur Diskussion um den ߖlpreis.

Erdöl gehört zu den wichtigsten Rohstoffen der modernen Industrie. Ob als Treibstoff für Transportmittel wie Autos, LKW oder Flugzeuge, ob zur Erzeugung von elektrischem Strom oder in der chemischen Industrie zur Herstellung von Kunststoffen, Lacken oder gar Medikamenten … Nicht zu unrecht wird das dickflüssige Stoffgemisch daher häufig auch als "schwarzes Gold" bezeichnet. Und aufgrund der derzeit hohen Treibstoffpreise ist auch die Diskussion um den Ölpreis hierzulande wieder in aller Munde …

Im Jahr 2004 wurden weltweit 3821,1 Tonnen Erdöl gefördert – und 3.780,1 Tonnen gleich wieder verbraucht. Denn Erdöl ist mit einem Anteil von 36,8% (Stand 2004) an der Weltenergieerzeugung weiterhin die unangefochtene Nummer Eins unter den Energiequellen.(1) Im letzten Jahr waren die fünf größten Förderstaaten Saudi-Arabien (505,9 Mio. Tonnen), Russland (458,7), USA (329,8), Iran (202,6) und Mexiko (190,7). Die fünf größten Verbraucherländer waren hingegen die USA (937,6), China (308,6), Japan (241,5) Russland (128,5) und Deutschland (123,6).(2) Wie so oft im Unrechts-System Kapitalismus fallen auch hier ProduzentInnen und KonsumentInnen nicht unbedingt zusammen. Der überwiegende Teil der weltweit aus Erdöl und anderen Rohstoffe erzeugten Energie wird in den reichen imperialistischen Staaten verbraucht und verschwendet. (Und auch hier natürlich hauptsächlich von den reicheren Bevölkerungsschichten.)

Mit dem Erdöl stehen und fallen Börsenkurse und ganze Industrien. Dem Kurs des Ölpreises wird daher auch ganz besonders hohe Aufmerksamkeit geschenkt. Natürlich haben wir es momentan zwar mit einem hohen, nicht aber mit einen Ölpreis in Rekordhöhe zu tun. Erdöl war in den späten 70er Jahren deutlich teurer als heute. Schließlich darf für einen Vergleich nicht der nominelle, sondern muss der reale Preis von Erdöl hergenommen werden. Und inflationsbereinigt macht der derzeitige Ölpreis nur etwa die Hälfte des tatsächlichen Rekord-Standes von 1981 aus.

Der Preis von Öl wird in Barrel gemessen, wobei ein Barrel (= engl. für "Fass") 159 Liter ausmacht. Weltweit existieren unterschiedliche Sorten verschiedenster Qualität (ausschlaggebend ist hier in erster Linie der Schwefelgehalt: je geringer, umso besser), deren Preise zwar variieren, sich im Großen und Ganzen aber parallel entwickeln. Die meistgehandelte Ölsorte der USA ist WTI, in Europa ist es die Nordseesorte Brent. Die OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries – Organisation der erdölexportierenden Länder) bemisst ihren Preis aus dem Durchschnitt eines Korbes, der 11 verschiedene Sorten enthält.

In die Preise fließen auch die unterschiedlichen Produktionskosten ein, die da wären: Aufwand der Förderung (Tiefe und Druckverhältnisse der Lagerstätte), der meist über Pipelines und Öltanker geführte Transport und die Arbeitslöhne. Während etwa die durchschnittlichen Produktionskosten in Kanada 12-14 Dollar pro Barrel betragen, belaufen sie sich am persischen Golf auf etwa 2 Dollar pro Barrel.(3) Kein Wunder also, dass der Imperialismus im "Nahen Osten" seit eh und je seine schmutzigen Finger mit im Spiel hat. Eine äußerst wichtige Stellung nimmt hier das ölreichste Land der Erde, Saudi-Arabien, ein. Die ultra-reaktionäre, islamisch-fundamentalistische Diktatur, die über weite Strecken weit repressiver war als der ehemalige Irak unter Diktator Saddam Hussein, ist ein williger Lakai des US-Imperialismus (und deshalb auch kein Land, welches die Regierung in Washington "demokratisieren" will). Nicht auszudenken, würde sich die politische Lage dort entscheidend ändern …

Wie bildet sich der Ölpreis

Wie dem auch sei, bei Produktionskosten von unter 20 Dollar pro Fass und Preisen jenseits der 60 Dollar reibt sich jedeR KapitalistIn die Hände. Erdöl wird an der Börse gehandelt und bildet sich über Angebot und Nachfrage auf dem "freien Markt". (Einem Markt der übrigens von Horden an SpekulantInnen geprägt wird, die sich mittels sogenannten Termingeschäften bereichern wollen). Jedoch funktioniert die Preisbildung hier nicht gleich wie bei anderen Waren. Denn Erdöl, das nur in ganz bestimmten Regionen vorkommt, ist ein monopolisierbares Gut und kann nicht wie andere Rohstoffe wie Weizen oder Kaffee oder gar wie eine Dienstleistung in zusätzlichen Gebieten produziert werden. Ein dauerhaft hohes Preisniveau kann daher auch nicht allein aus einer Überschuss-Nachfrage erklärt werden, auch wenn es zur Zeit nirgendwo auf der Welt ungenutzte Kapazitäten in relevantem Ausmaß gibt.

Das Nr.1-Kartell im Ölgeschäft ist die OPEC , ein 1960 gegründeter Zusammenschluss von Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela. Später gesellten sich noch Indonesien, Libyen, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien und Nigeria hinzu. Die OPEC-Staaten verfügen über ca. drei Viertel der weltweiten Ölreserven. Daher verwundert es auch nicht, dass der US-Imperialismus, der kraft seiner volkswirtschaftlichen Situation auf billiges (und vor allem auf massenhaft) Öl angewiesen ist, immer wieder OPEC-Ländern wie dem Iran oder Venezuela gegenüber mit Drohgebärden aufwartet oder gar dort einmarschiert, wie 2003 im Irak. (Wobei nicht das Öl an sich der hauptsächliche Kriegsgrund war, ebenso wesentlich waren die kurz vor dem Krieg getätigten Überlegungen des Irak und des Iran, ihre Ölgeschäfte künftig in Euro abzuwickeln. Dies hätte die "Ölwährung" Dollar in Gefahr gebracht – eine wichtige Finanzierungsquelle für die gigantische Staatsverschuldung der USA. Doch natürlich war den USA auch daran gelegen, eines der größten Erdölreservoirs der Welt langfristig unter verlässliche Kontrolle zu bekommen und gleichzeitig gegenüber der EU, Russland und China einen wesentlichen wirtschaftlichen und strategischen Standortvorteil im Nahen Osten zu haben.).

Auch in den USA wird eine Menge an Erdöl gefördert, allerdings mit hohen Produktionskosten. Dieses wird aber trotzdem nachgefragt, der hohe Ölpreis ist daher am Markt zu erzielen. Ein niedriger Ölpreis – der für den US-amerikanische Kapitalismus eigentlich wünschenswert wäre – würde hingegen die eigene Produktion in Gefahr bringen.

It's all about the price of oil

Dabei können wir uns – geht es nach Vertretern des Kapitals – in Zukunft auf einen Ölpreis einstellen, gegen den sich der derzeitige Wert wie ein Kinkerlitzchen ausnimmt. Der Erdölexperte Matthew Simmons, Chef einer Investmentbank in Houston/Texas, rechnet mittelfristig mit einem Preis von 200 – 250 US-Dollar pro Fass – das wäre eine Vervierfachung der derzeitige Marke. Eingerechnet ist nebst Investitionen in neue Förderkapazitäten selbstredend noch eine Rendite von 10% … (4)

Der derzeit im Vergleich zu den 90er Jahren hohe Ölpreis hat verschiedene Ursachen. Da wäre zuerst einmal die gestiegene Nachfrage der sich rasant industrialierenden Staaten Indien und China. Letztgenanntes Land stillte 1993 noch ein Drittel seines Bedarfs aus Importen – 2020 wird China allerdings bereits etwa 60% seiner Nachfrage importieren müssen.(5) Allein von 2001 bis 2003 stieg der chinesische Öl-Import von 60,26 auf 91,58 Mrd. US-Dollar.(6) Das "Reich der Mitte" ist in Sachen Erdöl mittlerweile zum "Big Player" aufgestiegen und rangiert in der Liste der größten Ölverbraucher bereits auf Platz zwei hinter den USA. Was allerdings passieren würde, wenn China mit seinen über 1,3 Mrd. EinwohnerInnen den selben Pro-Kopf-Verbrauch anstreben würde, den auch die Vereinigten Staaten aufweisen, darauf geben die diversen bürgerlichen ExpertInnen keine befriedigende Antwort (außer vielleicht, dass dafür ein neues Saudi-Arabien gefunden werden müsste). Der Pro-Kopf-Verbrauch in den USA betrug im Jahr 2003 23,3 Barrel für China aber nur 1,6 Barrel.(7) Anhand dieser Zahlen können wir übrigens einmal mehr die zum Himmel schreiende Ungleichverteilung der Ressourcen auf diesem Planeten erkennen.

Ein weiterer Grund ist natürlich die instabile politische Situation im "Nahen Osten", d.h. im Irak. Die Ausbeutung der Ölfelder im "Zwischenstromland", das über die viertgrößten Reserven der Welt verfügt, hat sich das US-amerikanische Kapital und seine Regierung in Washington sicher anders vorgestellt. An eine gesicherte Förderung ist angesichts der Zähigkeit und Schlagkraft des irakischen Widerstands auf unabsehbare Zeit nicht zu denken. Im Gegenteil, unter amerikanisch-britischer Besatzung dürfte die Ölförderung im Irak sogar um gut 2 Mio. Fass pro Tag zurückgegangen sein. Das drückt auf den Preis!

In der heiklen Situation der krisengeschüttelten kapitalistischen Weltwirtschaft schlagen sich die verschiedensten Ereignisse im Ölpreis nieder – wie etwa der Streik der ÖlarbeiterInnen in Ecuador. Dort blockierten vor kurzem tausende Menschen mit dem berechtigten Anliegen, dass der Rohstoffreichtum des Landes eigentlich dem Volk und nicht imperialistischen Konzernen zu Gute kommen sollte, Förderanlagen und Transportwege und legten dadurch die gesamte Ölproduktion Ecuadors lahm. Doch auch die für das internationale Kapital äußerst instabile vorrevolutionäre Situation in Venezuela unter Präsident Chávez spiegelt sich im Ölpreis wieder.

Treibstoffpreise

Der Grund für die momentan hitzigen Diskussionen über den hohen Ölpreis sind in allererster Linie die gestiegenen Preise für Treibstoff. Schließlich werden weltweit nicht weniger als 70% des Öls im Straßenverkehr verbraucht. Eine andere Statistik besagt, dass in Deutschland 90% des zur Verfügung stehenden Erdöls verfahren, verflogen oder verheizt werden.(8) 1,176 Euro für "Eurosuper" und 1,028 Euro für Diesel (Stand vom 16. September 2005, Quelle: ARBÖ) behagen den AutofahrerInnen im motorverwöhnten Österreich überhaupt nicht. Schnell wurden Rufe an die Politik laut, den gierigen Ölmultis doch endlich Einhalt zu gebieten und "was für die Autofahrer zu tun", die ja schließlich nicht "die Melkkühe der Nation" wären. Und da die soziale Basis der dominierenden Regierungspartei ÖVP hauptsächlich Bauern/Bäuerinnen, besser verdienende Lohnabhängige im ländlichen Raum sowie KleinunternehmerInnen sind – also allesamt Schichten die oft und viel mit dem Auto, Lieferwagen oder Traktor unterwegs sind und dementsprechend viel Treibstoff verbrauchen – muss Kanzler Schüssel die Spritpreis-Wehklagen auch ernst nehmen. Kilometergeld und Pendlerpauschale wurden geringfügig erhöht. Sogar eine "Strafsteuer" für Ölkonzerne wurde gefordert. Und die Kronen Zeitung bejubelte Finanzminister Grasser, der sich angeblich mit den Ölmultis anlegen würde.

Selbstverständlich wird sich keinE bürgerlicheR PolitikerIn ernsthaft im Sinne der einfachen Menschen mit irgendwelchen Großkonzernen anlegen. Schon gar nicht Karl Heinz Grasser der sich bekanntlich sündteure Homepages und andere hübsche Dinge von der Industriellenvereinigung (IV) sponsern lässt. Zur Erinnerung: Eine zentrale Forderung der IV ist die Senkung von Steuern und Abgaben auf Energie.

Weit weniger laut und häufig als die Wehklagen über die hohen Spritpreise waren in den letzten Tagen im Übrigen die Meldungen darüber, dass nun auch Heizöl teurer ist. In Österreich gibt es noch über 900.000 (!) Ölheizungen. Im Prinzip ein ökologischer Wahnsinn, aber nichts würde uns ferner liegen, Leuten, die ohnehin kein Geld haben, vorwurfsvoll die Frage zu stellen, warum sie nicht ihren alten Ölofen austauschen lassen. Wie immer bei Preiserhöhungen trifft es hier die sozial Schwachen am härtesten. Zu den, im letzten Armutsbericht des Sozialministeriums ausgewiesenen 231.000 Menschen, die es sich im 7.-reichsten Land der Erde nicht leisten können, "ihre Wohnung angemessen warm zu halten" (!) werden sich – so ist zu befürchten – diesen Winter einige hinzugesellen.(9) Auch die unnötige Koppelung des Preises für Erdgas an jenen für Öl trifft zahlreiche Haushalte.

Sempre in olio?

In Zeiten hoher Ölpreise flammen auch immer wieder die Diskussionen über das nahende Ende des Erdöls auf. Dabei gehen die Prognosen auseinander. Aussagen a la "in 45 Jahren gibt es kein Erdöl mehr" sind mäßig hilfreich. Sie helfen nur, jene Kreise zu bestätigen, denen die Zukunft dieses Planeten mehr oder minder egal ist. Schließlich wurden ähnliche Prognosen schon von 30 Jahren abgegeben und haben sich als Humbug erwiesen. Erstens ist nicht auszuschließen, dass irgendwo auf der Welt noch große unentdeckte Vorkommen schlummern, zweitens kann weiterentwickelte Technologie die Ölfelder effektiver ausbeuten und das Öl rationaler verarbeiten. Große Funde wären aber angesichts dessen, dass ständig danach gesucht wird, ziemlich unwahrscheinlich. Zur Veranschaulichung: 1962 wurden weltweit 41 Mrd. Barrel neu entdeckt, 1997 nur mehr 7,1 Mrd. Barrel!(10) Außerdem können wir davon ausgehen, dass einige Staaten wie etwa Russland ihre Erölreserven als viel zu hoch angeben. Sie melden jährlich die selben Zahlen obwohl sie Unmengen an Öl fördern.

Fakt ist jedoch: Öl ist ein endlicher Rohstoff und wird irgendwann ausgehen. Ob in zwei, drei oder vier Generationen ist sekundär. Viel wichtiger ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt der sogenannte "Oil-Peak" erreicht sein wird: Jener Zeitpunkt, an dem die Förderung nicht mehr weiter steigen kann und nach einer gewissen Zeitspanne zurückgehen wird. Laut ExpertInnen wird diese Spitze in wenigen Jahren erreicht sein. In einer zutiefst vom Erdöl abhängigen Weltwirtschaft in der die Nachfrage weiter steigt wird das für den Kapitalismus zahlreiche Probleme mit sich bringen …

Ein grundsätzlicher Widerspruch des Kapitalismus ist jedoch jener, dass das kapitalistische Einzelunternehmen zwar – relativ – rational und effektiv arbeitet, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene dies jedoch keineswegs Gültigkeit hat. Und rational agieren die Ölkonzerne und Ölgesellschaften nur, wenn sie so weitermachen wie bisher (und ihre Politik dann noch mit total "wissenschaftlichen" Studien legitimieren). Schließlich schwimmen sie angesichts des hohen Preises im Geld. ExxonMobil beispielsweise: Der amerikanische Ölriese steigerte im ersten Halbjahr 2005 seinen Gewinn um satte 38 Prozent auf 15,5 Mrd. Dollar (12,51 Mrd. Euro) zu. Im Jahr 2004 hatte der Profit-Champion bei einem Umsatz von nahezu 300 Mrd. Dollar 25,3 Mrd. Gewinn gemacht.

Auch die anderen Ölmultis konnten ihre Gewinne in letzter Zeit zweistellig steigern: Royal Dutch/Shell erzielte im Vorjahr mit 18,5 Mrd. Dollar den höchsten Gewinn der Firmengeschichte – und ist im ersten Halbjahr 2005 bereits um 39 Prozent profitabler als im Vorjahreszeitraum. Beim Londoner Unternehmen British Petroleum (BP) klingelten ebenfalls die Kassen. Im Jahr 2004 verdiente es 16,2 Mrd. Dollar, ein Plus von 26 Prozent.(11) An dieser Stelle sei erwähnt, dass die großen Mineralölkonzerne heute aber nur mehr Zugriff auf etwa 15% der Weltproduktion haben. Auch sie sind gezwungen, sich auf der Börse mit Erdöl einzudecken und geben in diesem Fall die hohen Preise in ihren Endprodukten (Treibstoff) nur weiter. Fette Gewinne fließen also ebenso in die Kassen der staatlichen Ölgesellschaften in den arabischen Ländern oder anderswo, beispielsweise nach Venezuela.(12)

Momentan haben die Mineralölkonzerne schlicht und einfach kein Interesse daran, alternative Technologie zu entwickeln. (Auch wenn sie ganz gerne auf diverse Nischenforschung hinweisen, etwa Shell, das in Malaysia eine Anlage unterhält, die Erdgas in Diesel umwandeln kann). Sie werden dies erst tun, wenn tatsächlich kaum mehr schwarzes Gold aus der Erde sprudelt. Bis zu diesem Zeitpunkt allerdings werden sie weiterhin ihre Profite auf dem Rücken der Menschen machen, ohne Rücksicht auf gesamtgesellschaftliche Schäden. Der Verbandsprecher des deutschen Chemieriesen Bayer bringt diese Linie auf den Punkt: "Da denkt noch kein Mensch dran".(13) Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass die Förderung von Erdöl, etwa in Alaska, in Zukunft nicht nur bedeutend aufwendiger und damit teurer, sondern auch viel umweltschädlicher ausfallen wird, da künftig mehr in Sanden vermischtes Öl freigesetzt werden müsste, wozu Schwefelsäure nötig ist. Und die führt wiederum zu vermehrtem Ausstoß von SO2-Abgasen.

Sicher wird sich Kapital mit gegenüber den Ölkonzernen und -Gesellschaften divergierenden Interessen, finden, dass die Entwicklung anderer Energieformen vorantreibt. Ob diese allerdings nachhaltig und umweltfreundlich sind, darf bezweifelt werden. Gegenwärtig wird viel mehr über eine Reinovation der Atomkraft diskutiert. CDU/CSU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel kündigte vor der deutschen Bundestagswahl im Falle eines Wahlsiegs ihrer Partei bei den deutschen Bundestagswahlen bereits an, das deutsche Kernenergie-Ausstiegsprogramm wieder zu lockern. In zahlreichen europäischen Staaten wird überlegt, neue Atomkraftwerke aus dem Boden zu stampfen. Vergessen wird dabei, dass die Kernenergie nicht nur hochgefährlich, sondern ebenfalls keine unendliche Energiequelle ist. Würden (mit der heuten Technik) weltweit 40% der Primärenergie aus Atomkraft erzeugt werden, so wären die Uranvorräte der Erde binnen einem Jahrzehnt erschöpft. Das Hantieren mit wiederaufbereitbaren Brennstäben (Brütertechnologie) ist hingegen noch viel gefährlicher und kaum erforscht …

Der Kapitalismus löst die Probleme nicht, er schafft sie

Dass sich KapitalistInnen nicht um unsere Zukunft scheren, darf uns nicht verwundern. Seit seiner Entstehung betreibt der Kapitalismus rücksichtslosen Raubbau an dieser Erde. Langfristige Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen waren schon immer egal – was zählt ist der Profit. Aber genauso wie der fossile Brennstoff Erdöl ist das wirtschaftliche Fossil Kapitalismus dazu verdammt, eines Tages durch etwas anderes, wenn möglich besseres, ersetzt zu werden. Im Gegensatz zum "schwarzen Gold", welches irgendwann auf natürliche Art und Weise zu Ende gehen wird, wird das kapitalistische System jedoch leider nicht automatisch von der Bildfläche verschwinden.

Es liegt also an der ArbeiterInnenklasse, an jener Klasse, die objektiv gesehen ein Interesse an der Überwindung kapitalistischer Verhältnisse hat, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Es liegt an ihr, den kapitalistischen Widerspruch zwischen an sich gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung zu überwinden. Erst wenn wir selbst die Spielregeln vorschreiben müssen wir in ihrem grausigen Spiel nicht mehr länger mitmachen. Im Gegensatz zur den mittlerweile völlig bürgerlichen Grünen, deren "Umweltbewusstsein" immer dort aufhört, wo der Kapitalismus anfängt, beschränken wir MarxistInnen uns in unserer Politik nicht auf jämmerliche Appelle an die herrschende Klasse. Eine Revolution gegen dieses Profitsystem ist notwendig!

Der massive Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel auch in ländlichen Regionen, die Förderung von Fahrgemeinschaften sowie der Versuch, die Städte möglichst autofrei zu bekommen, die sofortige Einstellung der Produktion spritverschlingender Protzautos, eine Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene, verschiedenste Umweltschutz-Kampagnen, die Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften schaffen sollen und ähnliches werden die unmittelbaren Aufgaben einer ArbeiterInnenregierung sein.

Dabei müssen wir uns im reichen "Norden" auch von möglicherweise liebgewonnenen Gewohnheiten trennen. Solange die grundlegenden Bedürfnisse der Weltbevölkerung nicht in ausreichendem Maße sichergestellt sind, ist es absurd, darüber zu diskutieren, ob es "im Sozialismus weiterhin Autorennen geben wird." Das sind skurille Ideen von Leuten, die zwar großmäulig für eine "bessere Welt" eintreten, aber nur, solange sie dabei nicht auf Wein aus Chile und Silvesterraketen aus Pakistan verzichten müssen. Seit den Jahrzehnten des fordistischen Booms tief im Bewusstsein des "westlichen" Proletariats verankerte bürgerliche Vorstellungen a la "Freie Fahrt für freie Bürger" und motorisierten Pseudo-Individualismus müssen abgeworfen werden.(14) Schließlich bedeutet Wohlstand nicht mit dem 12-Liter-Auto 500 Meter zum Wirten zu fahren. Wir sind aber zuversichtlich, dass dies in einer Gesellschaft in der die Menschen nicht mehr entfremdet leben und arbeiten müssen sondern sich im Gegenteil wirklich selbst entfalten können, und sich folglich nicht mehr über Prestigesymbole wie das Auto definieren müssen, leichter fallen wird. Zu guter Letzt wird es in der sozialistischen Gesellschaft auch keine kapitalistische Werbeindustrie geben, die den Menschen Tag aus, Tag ein neue künstliche Bedürfnisse (z.B. Schwachsinn wie Geländewägen im urbanen Raum) in die Köpfe hämmert.

Nicht schwarz sehen

Die nächsten Aufgaben einer sozialistischen Gesellschaft wären z.B. die Umstellung auf erneuerbare Energie, wo dies bereits möglich ist (z.B. in Österreich die Umstellung von Ölheizungen auf moderne Holz-Heizungen mittels Pellets, die Umstellung auf Wind-, Wasser- und Solarenergie, etc.), vernünftige Stadtplanung, um Zersiedlung zu verhindern oder eine gigantische Verlagerung von Ressourcen in Erforschung und Entwicklung alternativer Technologien und erneuerbarer sowie umweltfreundlicher Energieformen.

Wir behaupten natürlich nicht, dass eine sozialistische Revolution die dringlichen Probleme, vor denen die Menschheit in dieser Periode steht, alle auf Anhieb wird lösen können. Aber sie wird den Grundstein legen, sie wird ermöglichen, dass diese Probleme erst einmal ernsthaft angegangen werden. Wie schon damals für Lenin stellt sich für uns heute die Gretchenfrage: Wollen wir Teil des Problems oder Teil der Lösung sein? Die AL-Antifaschistische Linke tut ihr bestes, um letzterem gerecht zu werden …

(1) BP Statistical Review of world energy 2005, London
(2) ebd.
(3) Pershing (1999), "Fossil fuel implications of climate change mitigation responses", IEA, Paris, Tabelle 5.
(4) Interview im Schweizer "Tages-Anzeiger" vom 23.07.2005
(5) Quelle: Peters (2005), "China zwischen Gestern und Morgen", München
(6) ebd.
(7) Greenpeace-Magazin 2/2005, S.50 ff
(8) Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,1564,1213178,00.html
(9) Der Bericht aus dem Jahr 2003 findet sich hier
(10) Quelle: Campbell (2000): "BP Amoco Statistical Review of World Energy", Petroconsultants, LBST
(11) Quelle: Online-Standard (http://derstandard.at/?id=2162251)
(12) Ein oft wenig beachteter Punkt in der Diskussion um die "bolivarianische Revolution" des linken Präsidenten Hugo Chávez in Venezuela. Momentan finanziert die Regierung Chávez einen Gutteil ihrer großangelegten Sozialprogramme mittels der Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Angenommen, der Preis auf dem Weltmarkt würde wieder sinken – Chávez könnte seine Reformen nicht mehr finanzieren, ohne endlich dem Problem wirklich auf den Grund zu gehen, d.h. die Banken und Konzerne im Land zu enteignen.
(13) http://www.dw-world.de/dw/article/0,1564,1213178,00.html
(14) Einen selten dämlichen Einblick in diese Mentalität lieferte vor kurzem der Journalist Helmut A. Gansterer im Standard. Nachzulesen ist seine Hommage an das Auto mit dem dreisten Titel "Autofahren ist gut fürs Hirn" unterhttp://derstandard.at/?id=2176161