Nordkorea und die Bombe

  Seit 1945 wurden weltweit über 2000 Atomtests von sieben verschiedenen Staaten durchgeführt. Doch kaum ein Test führte zu einer solchen weltweiten Empörung, wie jener in der nordkoreanischen Provinz Kimchaek, 380 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Pjöngjang. Die Reaktionen reichten von Forderungen nach harten Durchgreifen über wütendes Geifern bis hin zu naiver Panik.

Sofort machten bürgerliche PolitikerInnen allen voran aus den USA und Japan, aber auch aus der EU Stimmung für Wirtschaftssanktionen gegen das asiatische Land. Dieser Druck führte dazu, dass sich selbst die üblichen "Verbündeten" des sonst ziemlich isolierten Nordkoreas, Russland und China im UN-Sicherheitsrat für Strafmaßnahmen aussprachen.

"Little Boy"

"Nordkorea gefährdet den Frieden", "Der Atomtest wird zu einem Aufrüsten führen" und ähnliches konnten wir da lesen und hören. Atomwaffen sind tatsächlich eine äußerst gefährliche Waffe, die das Potential hat, unendlich viel Leid über die Menschheit zu bringen. Bei den bisher beiden einzigen Einsätzen von Nuklearwaffen starben 90.000 Menschen unmittelbar durch den über Hiroshima abgeworfenen "Little Boy", weitere 50.000 krepierten an Langzeitschäden. Durch den über Nagasaki abgeworfenen "Fat Man" kamen 36.000 sofort ums Leben, noch einmal 40.000 starben in den folgenden Jahren und Jahrzehnten an der Strahlenkrankheit. Und die heutigen A-Waffen Arsenale übertreffen Hiroshima und Nagasaki um das zehntausendfache. Das Land, das diese Waffen damals einsetzte, waren übrigens die jetzt so sehr um den Frieden besorgten USA.

Die Reaktionen aus dem Lager des Imperialismus sind verlogen und heuchlerisch, wenn wir uns vor Augen führen, dass weltweit tausende Atomwaffen existieren. Die USA, deren Regierung im aktuellen Fall zu den Hardlinern gehört, besitzen sage und schreibe 10.240 Atombomben! Mit ihrem Arsenal könnte die US-Armee diesen Planeten mehrmals in die Luft jagen. Die weiteren Atommächte: Russland (8.400 Atombomben), China (400-600), Frankreich (350), Britannien (185-200), Indien (30-35), Pakistan (24-48). Obwohl niemals offiziell bestätigt, können wir außerdem davon ausgehen, dass Israel ca. 75 – 200 Nuklearwaffen besitzt und Japan sowie Deutschland laut ExpertInnen binnen weniger Wochen welche bauen könnten.

Ein Problem ist der Kernwaffenbesitz also anscheinend nur im Fall von Staaten, die den ImperialistInnen ein Dorn im Auge sind wie der Iran oder Nordkorea. Die bürgerliche Medien wollen uns einreden, dass es hier anders ist, da die FührerInnen dieser Länder unberechenbar seien, ihre Waffen jederzeit einsetzen könnten und damit sogar Handel treiben würden. Drollig! Und die US-Armee hortet ihre Bomben nur aus Sammelleidenschaft?

Westen rüstet auf

Die USA geben heute mehr Geld für Nuklearwaffen aus als zu Zeiten des "Kalten Krieges". Britannien will die Ausgaben für sein Atomwaffenarsenal massiv erhöhen, um eine neue Generation von Atomraketen zu entwickeln und Frankreich investiert schon länger eifrig in die Modernisierung seiner Atomwaffen: neue atomare Lang- und Mittelstreckenraketen und atomare Sprengköpfe, so genannte "Mini-Nukes", die immerhin ein Drittel der Sprengkraft der Hiroshima-Atombombe haben, sollen bis zum Jahr 2010 einsatzbereit sein. Und die ImperialistInnen würden keine Sekunde zögern, ihre Atombomben (wieder) einzusetzen. Erst vor kurzer Zeit drohte Frankreiches Präsident Chirac dem Iran mit dem Einsatz von Nuklearwaffen. Dieses Jahr meinte einer der ranghöchsten Beamten im österreichischen Verteidigungsministerium, Erich Reiter: "Ja, Europa braucht atomare Abschreckung. Es muss bereit sein, die Atombombe auch einzusetzen". Reiter wurde für diesen Sager zwar entlassen, jedoch nur wenige Wochen später wieder eingestellt.

Es ist ein wenig absurd, wenn jene Länder, die die A-Bombe besitzen, sie anderen Ländern absprechen wollen. Und wer die letzten zehn Jahre betrachtet, weiß, dass gerade von den Ländern, die derzeit die A-Bombe besitzen, die größte Kriegsgefahr ausgeht. Solange dieses Gesindel nicht abrüstet, werden auch vom Imperialismus bedrohte Länder ihre Versuche, sich ein Arsenal an Nuklearwaffen anzulegen, nicht beenden. Deshalb treten wir für das Recht Nordkoreas auf die Atombombe ein. Dies bedeutet natürlich keinesfalls, dass wir es gut finden, wenn Staaten aufrüsten. Nuklearwaffen gehören zu den grausamsten Waffengattungen und kein vernünftiger und fortschrittlich denkender Mensch kann dafür sein, dass es möglichst viele davon gibt. Aber auch hier muss gleiches Recht für alle gelten und offensichtlich ist die Anschaffung einer Atombombe ein effektiver Schutz gegen imperialistische Angriffe.

Lage in Nordkorea

Die Bürgerlichen versuchen Stimmung zu machen, indem sie auf die katastrophale humanitäre Lage in Nordkorea hinweisen. In der Tat, laut UN-Welternährungsbericht 2005 (zu finden unter www.fao.org) leiden 36% der nordkoreanischen Bevölkerung an Unterernährung. Hunger ist schrecklich – aber nicht nur in Nordkorea, sondern in großen Teilen der Welt. Die meisten Regionen Afrikas weisen einen noch höheren Wert an Unterernährten auf (z.B. Zentralafrika 55%, Ostafrika und Südafrika 40%). Wo sind hier die Krokodilstränen der bürgerlichen Journaille? Richtig, sie bleiben aus, weil es sich auf der einen Seite um ein Land handelt, dessen Regime sich fälschlicherweise als kommunistisch bezeichnet, auf der anderen Seite aber um Länder, die in die kapitalistische Weltwirtschaft integriert sind und sich von IWF und Weltbank ein "Strukturanpassungsprogramm" nach dem anderen diktieren lassen oder lassen müssen.

Und viele dieser "HumanistInnen", die sich angeblich so um die Versorgung der NordkoreanerInnen sorgen gehören zu jenen Hardlinern, die vorschlagen, das Nachbarland China sollte Nordkorea einfach die Energielieferungen stoppen. Dies würde sich allerdings verheerend auf die soziale Lage im Land auswirken.

Die Unfähigkeit des nordkoreanischen Regimes, seine Bevölkerung zu ernähren, zeigt nur, wie jenseitig die reaktionäre stalinistische Theorie vom "Sozialismus in einem Lande" eigentlich ist. Die nordkoreanischen StalinistInnen wollen ihr kleines Land, das wichtige Ressourcen importieren muss und über äußerst wenig landwirtschaftliche Nutzfläche verfügt entsprechend ihrer wirren "Juch'e-Ideologie" völlig autark entwickeln. So etwas kann nicht funktionieren. Statt der internationalen Revolution wollen sie nationale Abkoppelung. Statt ArbeiterInnendemokratie wollen sie bürokratische Bevormundung.

Regime muss weg!

Dieses Regime, das mit seiner Repression, seinem absurden Personenkult um den Führer Kim Jong-Il und seiner quasi-religiösen Ideologie eine Verhöhnung für den Begriff "Sozialismus" darstellt, muss gestürzt werden! Aber nicht durch einen imperialistischen Angriff, denn den USA oder Japan geht es nicht um eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen sondern bloß darum, einen verlässlichen, kapitalistischen Bündnispartner in der Region zu haben und nebenbei das verstaatlichte Eigentum auszuschlachten. Es muss durch eine Revolution der nordkoreanischen ArbeiterInnen beseitigt werden, jener, die am meisten unter dieser Regierung leiden. Deshalb treten wir einerseits für die Verteidigung Nordkoreas gegen imperialistische Angriffe, andererseits aber für eine ArbeiterInnenrevolution gegen das stalinistische Regime ein.