Am Donnerstag, dem 13.09., hat eine "Bürgerinitiative" im 20. Wiener Gemeindebezirk, Brigittenau, für eine Demo gegen den Ausbau eines islamischen Zentrums aufgerufen. ÖVP und FPÖ unterstützten die Demo. Diese geriet erwartungsgemäß zum rassistischen Aufmarsch mit Unterstützung der Naziszene.
Auslöser der Demo war der Ausbau eines islamischen Zentrums. Es gibt Stimmen, die meinen, dass die "Bürgerinitiative Dammstraße" (das ist die Straße, in der das Zentrum beheimatet ist) nicht von Beginn an rassistisch gewesen wäre, es zu Beginn tatsächlich um Parkplätze und Lärmentwicklung gegangen wäre. Mittlerweile hat die "Bürgerinitiative" aber eindeutig Position bezogen. Die Homepage, www.moschee-ade.at wird von der FPÖ bezahlt und offenbar auch gemanagt, es tauchen teils die gleichen Formulierungen auf, die sich in einer Postwurfsendung finden, die die FPÖ zu diesem Thema im Bezirk verteilen ließ. Die FPÖ hat mittels eines halbseitigen Inserats in der Gratiszeitung "Heute" auch die Bewerbung des Aufmarsches übernommen, doch auch das "Bezirksjournal", das der Mediaprint gehört, rief auf der Titelseite der Brigittenauer Ausgabe für die Demo auf.
An der Demonstration nahmen zu Beginn rund 630 Personen teil. Anfänglich waren vor allem Leute von der "Bürgerinitiative" und aus deren Umfeld sowie AktivistInnen der FPÖ präsent – viele kannten sich und begrüßten sich per Handschlag. Doch ein sehr relevanter Teil der TeilnehmerInnen kam zweifellos aus dem Bezirk selbst, insgesamt dürfte der Zug während der Demo auch angewachsen sein. Die FPÖ war personell massiv präsent, angeführt von Parteiobmann Strache, der vor allem großes Medieninteresse auf sich zog, aber auch von vielen TeilnehmerInnen begeistert begrüßt wurde (es gab im Zug immer wieder "HC Strache"-Sprechchöre). Ebenfalls anwesend waren der Obmann der FP-Jugend RFJ, Johann Gudenus sowie der Wiener Gemeinderat und Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft "Albia", Wolfgang Jung, der 2002 die Totenrede beim Aufmarsch rechtsextremer und nazistischer Burschenschafter hielt.
Neonazis
In organisierte Weise traten auch die Nazigruppen "Arbeitsgemeinschaft für Politik" (AFP) sowie "Nationale Volkspartei" (NVP) auf. Die AFP gilt als wichtigste Nazigruppe in Österreich und arbeitet teils auch mit ihrer Jugendorganisation "Bund freier Jugend" (BfJ). Zwei bis drei junge AFP-Aktivisten verteilten Flugblätter und Aufkleber ("Türken raus aus der EU", "Scheinflüchtlinge abschieben" …), die sehr viele Demo-TeilnehmerInnen auch auf ihre Jacken klebten.
Die NVP war mit 5-8 jungen Leuten präsent und verteilte ebenfalls Flugblätter. Die NVP-Leute hatten auch Kleber wie "Anti-Antifa" und "Nationaler Widerstand" auf ihren Jacken. Daneben war auch eine Gruppe von älteren Naziskins präsent, die ein paar Mal mit dem Sprechchor "Hier marschiert der nationale Widerstand" auf sich aufmerksam machten. Bei der Abschlusskundgebung war von den NVP-Leuten auch: "Mehmet, Ali, Mustafa, geht zurück nach Ankara" zu hören. Hinter der NVP stehen übrigens unter anderem Robert Faller, der 2002 gemeinsam mit Sascha Gasthuber für die Nazi-Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung verantwortlich war (bevor ihnen FP-burschenschaftliche Kreise ein wenig zur Hand gingen) sowie der französisch-elsässische Nazi Karl Thierry, der laut NVP-Homepage "die NVP-Wien auf dem Protestmarsch anführte".
Insgesamt waren rund 50 TeilnehmerInnen durch Kleidung und Auftreten als rechtsextrem oder faschistisch zuordenbar, allerdings beschränkt sich diese Zuordenbarkeit natürlich auf die Kleidung, betrifft also vor allem die jüngeren TeilnehmerInnen.
Polizeiübergriff
Die Rolle der Polizei zeigte sich ganz gut, als eine Gruppe von 7-8 linken DemonstrantInnen am Rande des Zuges auftauchte. Nazis begannen mit "Hier marschiert der nationale Widerstand"-Sprechchören und wandten sich in ihre Richtung. Die anwesende Polizei ging sofort auf die anwesenden AntifaschistInnen los. Als diese flüchteten, folgten ihnen rund 30 PolizistInnen, die sie dann auch anhielten, an die Wand stellten und durchsuchten sowie die Personalien aufnahmen. Die Nazis hingegen marschierten unbehelligt weiter. Dieses Verhalten überrascht vom Staatsapparat insgesamt nicht, ist aber auch im Speziellen bezeichnend, ist doch der FPÖ-Boss im 20. Bezirk, Bezirksvorsteher-Stellvertreter Gerhard Haslinger, selbst Polizist und blauer Personalvertreter bei der Polizei.
Bei der Abschlusskundgebung wurde die Stimmung nochmals sehr aufgeheizt, die TeilnehmerInnen waren wütend, weil eine Resolution der BürgerInneninitative von der Bezirksvertretung nicht angenommen wurde, ein Modell einer Moschee wurde von manchen TeilnehmerInnen mit dem Ruf "anzünden" quittiert.
An der Gegendemo nahmen trotz sehr kurzfristiger Mobilisierung über 100 Personen, vor allem AktivistInnen von linken Organisation teil. Mit drei Kundgebungen wurde der rassistische Aufmarsch "begleitet". Auch hier schlossen sich AnrainerInnen an, die Stimmung war durchaus gut.
Versuch einer Positionierung
Als MarxistInnen stehen wir jeder Religion ablehnend gegenüber. Die ATIB ("Türkisch-Islamische Union für kulturelle und soziale Zusammenarbeit in Österreich"), die das islamische Zentrum betreibt, ist keineswegs eine fortschrittliche Organisation. In Österreich ist sie jene islamische Gruppe, die das Vertrauen des türkischen Staates genießt und offenbar auch inhaltlich von diesem – und damit von rechten, nationalistischen Kräften – kontrolliert wird. Zweifellos freuen wir uns also nicht darüber, dass ein solches Zentrum entsteht und würden ein laizistisches Kultur- und Bildungszentrum der türkisch- und kurdischsprachigen ArbeiterInnenbewegung bevorzugen. Und natürlich sind wir solidarisch mit dem Kampf der türkischen und kurdischen ArbeiterInnenbewegung und Linken gegen nationalistische und islamistische Kräfte wie die ATIB.
Im gegenwärtigen Konflikt stehen jedoch andere Dinge im Vordergrund, nämlich die rassistische Hetze von FPÖ und ÖVP gegen die türkische Minderheit in Österreich. So sehr wir gegen Religion sind, so sind wir für Religionsfreiheit. So wie die türkische Linke nationale Minderheiten wie die KurdInnen und ArmenierInnen oder religiöse Minderheiten wie die AlevitInnen und ChristInnen gegen den herrschenden Nationalismus und den Herrschaftsanspruch des sunnitischen Islam verteidigen muss, so stellen wir uns gegen den christlich unterlegten österreichischen Chauvinismus.
Gerade angesichts des Besuches des Papstes, der von PolitikerInnen und Medien unkritisch als "Heiliger Vater" abgefeiert wurde, und angesichts der vatikanischen Rekatholisierungs- und Dominanzansprüche muss die ArbeiterInnenbewegung (statt wie Gusenbauer, Voves und Fischer den Papst zu hofieren) die Religionsfreiheit von Minderheiten verteidigen. Es muss uns klar sein, dass die Koalition aus FPÖ, ÖVP, "Bürgerinitiative" und Nazis die rassistische Spaltung der ArbeiterInnenklasse betreibt, dass es bei Mobilisierungen wie in Wien-Brigittenau im Kern nicht um Lärm oder Religion, sondern um Hetze gegen türkische MigrantInnen geht. Hier muss die ArbeiterInnenbewegung eine eindeutige Position des Widerstandes einnehmen.