Ende Jänner wurden im Rahmen des EUFOR-Einsatzes die ersten österreichischen SoldatInnen in den Tschad geflogen. Im Februar sollte, unter dem Vorwand des Schutzes von Flüchtlingen, mit der Entsendung von ca. 4.000 EU-SoldatInnen der bisher größte Militäreinsatz der EU beginnen. Unter französischer Führung beteiligt sich auch Österreich mit 160 SoldatInnen, hier brescht vor allem der sozialdemokratische Verteidigungsminister Norbert Darabos vor.
Anfang Februar marschierten dann oppositionelle Rebellen in der Hauptstadt N'Djamenas ein. Die Regierung konnte die Rebellen vorerst zurückschlagen, die Situation bleibt aber weiter unsicher und auch die Auswirkungen auf die EU-Mission sind unklar. Die Krise in der Region wird oft als ethnischer Konflikt dargestellt, in Wahrheit stecken aber imperialistische Interessen dahinter!
Der Tschad, der bis 1960 französische Kolonie war, liegt in Zentralafrika und grenzt unter anderem an Kamerun, die Zentralafrikanische Republik und den Sudan und damit an die umkämpfte sudanesische Region Darfur. Trotz seiner Unabhängigkeit konnte sich das Land nie eigenständig entwickeln und war wirtschaftlich weiterhin von Frankreich abhängig. Auch im bis 1989 dauernden BürgerInnenkrieg beteiligten sich französische Truppen. Demnach bestehen bis heute noch enge Verbindungen zwischen dem französischen Imperialismus und der tschadischen Regierung. Immerhin hat Frankreich starke Interessen in der Region und bezieht der größte französische Konzern, Total, 30% seines Rohöls aus Afrika (und ist damit der größte Förderer in ganz Afrika).
Nachdem in den 1990er Jahren auch im Tschad Erdöl gefunden wurde, bekundeten verschiedene Großmächte ihre Interessen. Der bekannte US-amerikanische Erdölkonzern ExxonMobil erhielt die Konzessionen, Öl zu fördern, französische Konzerne gingen leer aus. Auch ein Konsortium aus britischen, kanadischen und chinesischen Ölgesellschaften hat die Genehmigung erhalten, Erdöl zu fördern. Mittlerweile steht Erdöl bei den Exporteinnahmen des Tschads an erster Stelle und die Fördermenge steigt von Jahr zu Jahr. Nun zeigt auch Total Interessen im Nordosten des Landes.
In diesem Kontext ist wohl auch die führende Rolle Frankreichs, das ca. die Hälfte der europäischen SoldatInnen stellt, am Tschad-Einsatz zu betrachten. Französische Konzerne haben direkte Interessen sowohl im Tschad als auch in den umliegenden Regionen. Vor allem ist der Tschad aber geostrategisch von großer Bedeutung. Frankreich muss hier sein Gewicht gegen die USA und China verteidigen, deren Einfluss in der gesamten Region stark zunimmt.
Französische Hilfe
Im jetzigen Konflikt zwischen der Regierung des Tschads unter dem Diktator Déby und oppositionellen Rebellengruppen hat die französische Regierung offen ihre Unterstützung für Déby erklärt und auch Tonnen an Munition an die tschadische Regierung geliefert. Darüber hinaus hat Frankreich seit 1976 ein Militärabkommen mit dem Tschad, in dem medizinische und logistische Hilfe sowie Aufklärung zugesagt wird. In den letzten Jahren waren dauerhaft ca. 1.200 französische SoldatInnen mit Kampfjets, Helikoptern und Transportflugzeugen stationiert. Die französische Truppe hat sich auch an den Kampfhandlungen gegen die Rebellen beteiligt. Dabei geht es der französischen Regierung vor allem um eine Stabilisierung im Tschad, um ihre politischen und ökonomischen Interessen besser durchsetzen zu können. Bei der Vorbereitung der Mission zeigten sich die widersprüchlichen Interessen der EU-Staaten.
Noch hat sich kein einheitliches EU-Kapital mit einheitlichen Interessen herausgebildet, so verweigerte Deutschland die Beteiligung und Unterstützung des Einsatzes, Großbritannien sieht seine Interessen in Afrika wohl besser durch die Unterstützung der US-Politik gewahrt als durch EU-Einsätze.
Österreichs Einsatz
Die Beteiligung Österreichs mit 160 SoldatInnen, wurde vom sozialdemokratischen Verteidigungsminister Norbert Darabos massiv vorangetrieben. Dass es sich um einen Kriegseinsatz handelt, wird dabei nicht abgestritten, immerhin besteht der Kern des österreichischen Kontingents aus SoldatInnen des Jagdkommandos. Österreich hat im Tschad zwar keine direkten wirtschaftlichen Interessen und wird in Rahmen des Einsatzes auch keine eigenständige Rolle spielen können (dass die österreichische Erdölgesellschaft OMV davon profitieren könnte, ist freilich nicht ausgeschlossen). Österreich zeigt aber durch den Einsatz die Bereitschaft, an Projekten des (sich formierenden) EU-Imperialismus teilzunehmen und dadurch auch mehr Einfluss zu erlangen. Auch die ideologische Komponente spielt dabei eine starke Rolle. Durch den Einsatz kann der Grundstein für zukünftige Einsätze gelegt werden, indem militärische Interventionen wie diese zum Normalzustand erklärt werden. Die imperialistische Intervention wird hinter einem humanitären Schleier verborgen. Während das Elend der Flüchtlinge im Tschad betont wird, sterben gleichzeitig Tausende Menschen pro Jahr an den Zäunen der sich immer mehr abschottenden "Festung EU".
Bei der Kritik am Tschad-Einsatz, die in Österreich vor allem von den Grünen und den rechtsextremen Parteien BZÖ und FPÖ kommt, geht es hauptsächlich um die mangelnde Vorbereitung und Ausrüstung und die damit verbundenen Gefahren für die österreichischen SoldatInnen. Worauf eine solche Kritik beruht, lässt ein Artikel der österreichischen Wirtschaftszeitung "derStandard" erahnen. Kritik am Tschad-Einsatz sei verständlich und hinter dem "Hinweis auf die Gefährlichkeit verbirgt sich auch, dass die Europäer nicht direkt von dem Einsatz profitieren, weil sie kaum wirtschaftliches Interesse in Afrika haben. Aber auch das kann sich ändern, wie das Beispiel China zeigt." Offensichtlich sind solchen KritikerInnen die aus dem Einsatz zu erwartenden Profite einfach nicht ausreichend.
Positionierung
Als MarxistInnen sprechen wir uns gegen die Beteiligung österreichischer SoldatInnen an dem imperialistischen Einsatz aus. Unsere Aufgabe in Österreich ist dabei die wahren Hintergründe der Mission aufzudecken und sowohl gegen den österreichischen, als auch gegen den EU-Imperialismus aufzutreten. Wir sind dafür, dass das österreichische Bundesheer mit nassen Fetzen aus dem Tschad vertrieben wird, damit der österreichischen KapitalistInnenklasse die Lust auf imperialistische Abenteuer vergeht.
Unsere Solidarität gilt antiimperialistischen und antikapitalistischen Bewegungen im Tschad und ganz Afrika. Die Befreiung der verarmten Menschen Afrikas von der Unterdrückung der imperialistischen Länder und ihren Handlangern und der kapitalistischen Ausbeutung wird längerfristig nur durch einen gemeinsamen Kampf der afrikanischen ArbeiterInnen und der um sie gruppierten Klassen und Schichten (Bauern/Bäuerinnen, städtische SlumbewohnerInnen etc.) möglich sein. Ihnen wird auch die wichtige Aufgabe zufallen, die staatliche Zersplitterung des afrikanischen Kontinents zu überwinden und das schreckliche Erbe des Kolonialismus ein für alle Mal hinwegzufegen.
Neutralität: Verstaubtes Relikt oder MythosIn Situationen wie diesen, in denen das österreichische Militär sich an Einsätzen im Ausland beteiligt, wird von verschiedenen Kräften der Mythos der "immerwährenden Neutralität" hoch-gehalten. Haben die Grünen die kapitalistische und imperialistische Logik unseres Systems längst akzeptiert, berufen sich öffentlich vor allem rechte Kräfte wie die FPÖ auf die Neutralität. Aber auch fortschrittlich denkende Menschen haben oft Illusionen in die Neutralität. Tatsächlich war Österreich niemals neutral. Österreich war seit dem Abzug der alliierten Truppen 1955 wirtschaftlich und politisch und teilweise militärisch in das westliche Bündnis integriert, 1960 wurde dies mit der Gründung der Westeuropäischen Freihandelszone besiegelt. Spätestens im ersten Irakkrieg und den Balkankriegen erteilte Österreich Überflugsgenehmigungen für NATO-Flugzeuge und Durchfahrtsgenehmigungen für Kriegsmaterial und beteiligte sich auch an Militärspionage für die NATO. Mittlerweile sind die österreichischen Stimmen für einen NATO-Beitritt verstummt, vielmehr möchte sich Österreich an EU-Rüstungs- und Militärprogrammen beteiligen, die als Konkurrenzprojekte zum noch weit überlegenen US-Militarismus verstanden werden müssen. Wir als MarxistInnen sind nicht neutral. In Konflikten zwischen Unterdrückten und Unterdrückenden stehen wir immer klar auf der Seite der Unterdrückten. In Konflikten zwischen imperialistischen Mächten und Halbkolonien treten wir klar für eine Niederlage des Imperialismus und den Sieg der Halbkolonien ein. Auf Kriege zwischen imperialistischen Mächten, an denen Österreich beteiligt wäre, würden wir mit Karl Liebknecht "Der Hauptfeind steht im eigenen Land!" antworten und für den Sturz der eigenen imperialistischen Regierung kämpfen. |