Die Frauenbewegung hat in den letzten 20 Jahren einen dramatischen Niedergang erlebt. Sie hat ihren Bewegungscharakter weitgehend verloren. Aktive Selbstorganisation und kollektiver Kampf gegen Sexismus in Ökonomie, Staat und Alltag sind zurückgegangen; vor allem im akademischen und staatlichen Bereich erlangten einzelne ehemalige Aktivistinnen Posten im herrschenden System. Die noch bestehenden feministischen Strukturen haben kaum Verbindung zur breiten Masse der lohnabhängigen Frauen. Wie konnte es dazu kommen?
Die Entstehung der Neuen Frauenbewegung war einerseits Ausdruck der allgemeinen Protestbewegung in den 60er und 70er Jahren und andererseits eine Reaktion auf den vorherrschenden Sexismus und die Ignoranz gegenüber patriarchalen Strukturen und Rollenbildern innerhalb der Linken und der ArbeiterInnenbewegung. Das erklärt auch, warum die autonome Organisierung der Frauen so eine große Rolle im Kampf um Frauenbefreiung eingenommen hat. Die in vielen Fällen bestehende Unmöglichkeit, diesen Kampf mit den männlichen Genossen gemeinsam zu führen, wurde allerdings in weiterer Folge von den radikal-feministischen Teilen der Bewegung als grundsätzlich unvereinbarer Interessensgegensatz theoretisiert. Weil demzufolge kein noch so fortschrittlicher Mann ein "wirkliches" Interesse an der Frauenbefreiung haben könne, wurde nicht nur gemeinsame Organisierung mit Männern, sondern zum Teil wurde jede männliche Unterstützung abgelehnt.
Entwicklung der Neuen Frauenbewegung
Ungeachtet ihrer national unterschiedlichen Ausprägungen stellte die Neue Frauenbewegung einen wichtigen gesellschaftlichen Faktor dar, der einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen für die Masse der Frauen leistete. Sie hat den offenen und weniger offenen Sexismus in der Gesellschaft bewusst gemacht, zum Aufbrechen von traditionellen patriarchalen Rollenbildern beigetragen, die Einrichtung von Frauenhäusern erkämpft und gemeinsam mit der ArbeiterInnenbewegung Errungenschaften wie die Fristenlösung und modernere Familienrechtsstrukturen durchgesetzt.
In den 80er Jahren flaute vor dem Hintergrund der Schwächung der Linken und der ArbeiterInnenbewegung auch die Frauenbewegung ab. Mit der Verlagerung ihrer Aktivitäten weg von der Straße in die Universitäten und diverse staatliche Institutionen wurde ihre radikale Spitze gekappt und sie damit gutteils ins kapitalistische System integriert. Deutlich wird diese systemische Anpassung etwa an der Entwicklung an den Universitäten. Die feministischen Wissenschafterinnen waren ursprünglich mit politischen Ansprüchen angetreten, die auf eine Überwindung des kapitalistischen und patriarchalen Wissenschaftsbetriebs abzielten. Dieser Antikapitalismus wurde jedoch zunehmend für die Anerkennung in eben demselben Wissenschaftsbetrieb geopfert – mit dem Argument, dass diese Anerkennung notwendig wäre, um überhaupt gehört zu werden. Dieser Anpassungsprozess spiegelte sich freilich nicht nur in theoretischer Hinsicht wider, sondern führte auch zu einer Entkopplung von Wissenschaft und politischer Organisierung.
Die Institutionalisierung der Frauenbewegung ist überwiegend reaktionär, insofern sie seit den 80er Jahren von einem sozial-politischen Roll-Back begleitet wurde, von dem besonders die Frauen betroffen waren. Einzelne Frauen stiegen sozial auf und repräsentieren einen institutionalisierten Feminismus, für die Masse der Frauen haben sich gleichzeitig die Lebensbedingungen zunehmend verschlechtert. Der negativen Haupttendenz der Institutionalisierung der Frauenbewegung stehen positive Elemente wie der weitere Ausbau von Frauenhäusern und die Förderung von empirisch-historischer Frauen- und Geschlechterforschung gegenüber.
Lebenssituationen von Frauen heute
Paradoxerweise scheint es auf den ersten Blick, als ob die Forderungen der Frauenbewegung der 60er und 70er Jahre durch die neoliberalen Entwicklungen der letzten 20 Jahre zum Gutteil erfüllt worden sind: Die Erwerbstätigkeit von Frauen hat drastisch zugenommen, Männer wie Frauen sind gezwungen, ihre Arbeitskraft frei und flexibel auf den globalen Arbeitsmärkten zu verkaufen, traditionelle Rollenbilder und Familienstrukturen brechen immer mehr auf etc. Tatsächlich verschleiert diese scheinbare Durchsetzung von jahrzehntelang geforderten Frauenrechten, dass sich die ökonomische Situation für die breite Masse der Frauen verschlechtert hat. Die Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen bezieht sich in hohem Maße auf prekäre Beschäftigungsverhältnisse (wie Teilzeitarbeit oder Leiharbeit) die rechtlich und vertraglich ungeschützt sind, schlecht entlohnt werden und kaum für ein Auskommen sorgen. Dies hat zu einer regelrechten Verarmung vieler Frauen geführt und entgegen einer (durch die ökonomische Eigenständigkeit erreichten) Aufwertung der Frauen wird ihre Rolle als Zuverdienerinnen in der Familie einzementiert. Frauen tragen außerdem die Hauptlast des vermehrten Abbaus des Gesundheits- und Bildungssystems, indem sie die vormals staatlichen Sozialleistungen als Hausfrauen und Mütter in der Familie abfedern müssen.
Entgegen diesem Trend für die Mehrheit der Frauen schaffen es einige wenige Frauen, die Karriereleiter zu erklimmen. Trotz ihrer Minorität sind das gerade jene Frauen, die im Rampenlicht stehen und deren Aufstiegsförderung heute oft als Feminismus ausgegeben wird. Diese Tatsache spiegelt in Wirklichkeit den allgemeinen gesellschaftlichen Grundtenor wieder, der das Individuum und seine Leistungsfähigkeit ins Zentrum der Analyse stellt. Nach der Devise, dass die Befreiung der einzelnen die Grundlage für die Befreiung aller Frauen darstellt, ist an Stelle der organisierten kämpferischen Frauenbewegung eine Individualisierung des Befreiungskampfes getreten.
De facto kann man/frau heute weniger von einer Umverteilung zwischen den Geschlechtern, als vielmehr zwischen den Frauen sprechen. In den letzten Jahrzehnten ist eine kleine Schicht von Frauen entstanden, die ihre sozial bestimmte Rolle als Frau durch ihre soziale Stellung in der Gesellschaft partiell überwinden kann, indem sie sich etwa Putzfrauen, Tagsmütter etc. "zukauft". Die Vorbedingung für diesen Ausstieg aus traditionellen Rollenbildern ist die Existenz einer breiten Schicht von Frauen, die dazu gezwungen sind, diese meist schlecht bezahlten, wenig prestigeträchtigen Jobs anzunehmen. Klassisch dazu das Beispiel der österreichischen Mittelstandsfamilie mit osteuropäischer Pflegehilfe.
Neben diesen ökonomischen Verschärfungen werden neuerdings auch von Frauen mühsam errungene demokratische Rechte (wie etwa die Fristenlösung) wieder in Frage gestellt. Angesichts der realen materiellen Situation echt zynisch muten auch Stimmen an, die über die Entfremdung der Frauen von ihrem eigentlichen "Wesen" klagen. Ihre massenhafte Erwerbstätigkeit würde die mütterlichen Fähigkeiten limitieren und die Zukunft der Kinder gefährden. Dass heute wieder solche Debatten geführt werden, zeugt nicht nur von der Zähigkeit reaktionärer Ideologien, sondern auch von der Abwesenheit einer kämpferischen Frauenbewegung, welche gesamtgesellschaftlichen Druck ausüben kann.
Sexismus und Kapital
Frauenunterdrückung und Sexismus sind nicht erst im Kapitalismus entstanden, sondern sind von der herrschenden Klasse erfolgreich ins kapitalistische System integriert worden. Rein theoretisch könnte das kapitalistische System auch ohne die Existenz dieser spezifischen Unterdrückungsmechanismen auskommen. Das Funktionieren der ökonomischen Ausbeutung basiert auf der Existenz von Klassen, welche die Gesellschaft in BesitzerInnen (von Produktionsmitteln) und Besitzlose (die ArbeiterInnen, die nichts besitzen außer ihre Arbeitskraft und daher gezwungen sind, diese Arbeitskraft zu verkaufen). Damit schaffen die Klassenverhältnisse die Voraussetzung für die Möglichkeit der Ausbeutung der Mehrarbeit der ArbeiterInnen durch die KapitalistInnen. Welches Geschlecht das ausgebeutete Subjekt hat, ist dem/der Kapitalisten/in abstrakt gesehen egal. Er/sie kann zwar den Faktor Geschlecht, genauso wie andere Faktoren dazu verwenden, mehr Mehrwert aus der Arbeitskraft zu pressen, am zentralen Ausbeutungsverhältnis Arbeit-Kapital ändert das aber nichts.
Konkret historisch sind Frauenunterdrückung und Sexismus jedoch sehr wohl zu einem fest integrierten Bestandteil des Kapitalismus geworden. Das hängt damit zusammen, dass der Kapitalismus ja nie nur ein ökonomisches Ausbeutungssystem ist, sondern immer auch eine politische Herrschaftsstruktur. Die soziale Unterdrückung nach Geschlecht und Nation stellt für die herrschende Klasse ein zentrales Instrument dar, um die ArbeiterInnenklasse zu spalten. Nur mittels dieser (rassistischen, sexistischen…) Spaltungspolitik kann sie die Gefahr einer geeinten ArbeiterInnenklasse, die sich ihrer eigenen Stärke bewusst wird, bannen. Einen politik- und ideologiefreien Kapitalismus wird es daher real nie geben können.
Natürlich profitieren auch viele Männer der ArbeiterInnenklasse von Sexismus und Frauenunterdrückung und weigern sich, auf diese Privilegien zu verzichten. Damit machen sie sich nicht nur selbst zu Unterdrückern, sondern stabilisieren dadurch auch das System (indem sie die Spaltung der ArbeiterInnenklasse an den Geschlechterlinien akzeptieren). Die HauptprofiteurInnen der vorherrschenden Geschlechterordnung, und damit der Hauptfeind im Kampf gegen Frauenunterdrückung, sind allerdings die KapitalistInnen. Überausbeutbare Lohnarbeiterinnen, die für weniger Geld arbeiten, schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptieren, gratis Haus- und Pflegearbeiten erledigen und nicht zuletzt eine gespaltene ArbeiterInnenklasse – kein Kapitalist und auch keine Kapitalistin würde das freiwillig aufgeben. Auch ein Teil der Frauen profitiert von der herrschenden Klassen- und Geschlechterordnung und hat durchaus Interesse an deren Bestand.
Aufgrund der skizzierten Verwobenheit zwischen Kapitalismus und Frauenunterdrückung muss konsequenterweise folgen, dass der Kampf gegen Sexismus und Frauenunterdrückung nur dann Aussicht auf substantiellen Erfolg haben kann, wenn er auch gegen das kapitalistische System gerichtet ist. Diese große Aufgabe kann nur in Verbindung mit Klassenkämpfen der ArbeiterInnen geleistet werden, konkret mit Streiks, mit Gewerkschaften und schließlich vor allem mit einer revolutionär-kommunistischen Partei, in der Frauen und Männer Seite an Seite gegen die kapitalistische Ausbeutung und Frauenunterdrückung kämpfen.