Am Sonntag, dem 5. April, wählten die Mitglieder der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) in 24 Regionen des Landes Kader zur Koordination der politischen Tätigkeit dieser Partei. Über ganz Venezuela hinweg kamen die "sozialistischen Bataillone", die die Basis-Einheit der PSUV bilden, zusammen. Ein Bericht aus Venezuela.
Kurzer Eindruck eines "sozialistischen Bataillons" der PSUV
Am Sonntag, dem 5. April, wählten die Mitglieder der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) in 24 Regionen des Landes Kader zur Koordination der politischen Tätigkeit dieser Partei. Über ganz Venezuela hinweg kamen die “sozialistischen Bataillone”, die die Basis-Einheit der PSUV bilden, zusammen. In der Nähe des Plaza La Concordia in Caracas nahm ich an der Versammlung des “sozialistischen Bataillons Nummer 13” teil. Treffpunkt war eine lange, schmale Dachgeschosswohnung, in der die an den Wänden angebrachten Ventilatoren kaum gegen die ermüdende Hitze ankamen. “Die Temperatur hilft dabei, die Treffen kurz zu halten,” kommentierte ein Mitglied der PSUV diesen Zustand.
Statt der großen, Stadt-weiten Versammlung von Delegierten, von der ich mir ausgemalt hatte, dass sie die örtliche Führung bestimmen würde, fanden nur Treffen von Nachbarschaftsgruppen statt. Die dort anwesenden Mitglieder wurden angewiesen, jeweils drei Namen auf einen Zettel zu schreiben. Mangels einer Vollversammlung gab es keine Gelegenheit, bei der sich die KandidatInnen hätten vorstellen können. Folglich wurde viel Zeit damit verbracht, deren Wählbarkeit zu diskutieren: “Handelt es sich bei diesem Kandidaten um ein Mitglied der PSUV in Caracas? Hat er schon woanders eine Partei-Funktion inne?”
Der Wahlvorgang war auf ebenso lächerliche Weise undemokratisch, wie es schon einen Monat zuvor die Wahl zur nationalen Führung der PSUV im Rahmen des Gründungsparteitages war. Von den 60 Mitgliedern, die die meisten Stimmen erhielten, sollte eine Liste erstellt werden, von der die nationale Führung 15 Mitglieder und 15 VertreterInnen für die regionale Koordination auswählen würde. “Mir gefällt's auch nicht, aber so ist es nun mal,” war alles, was der Sprecher des Bataillons 13 zu diesem Vorgehen sagen konnte.
Diese Farce einer Wahl zeigt, welche Wahrheit hinter Chavez' Behauptungen, die PSUV werde von der Basis weg aufgebaut, steckt. Darüber hinaus wird deutlich, wie wenig die Mitglieder der PSUV gegenüber den bürokratischen Strukturen ausrichten können: Anlässlich des Gründungsparteitages hatten Hunderte von Mitgliedern einen Brief unterzeichnet, in dem sie gegen das Prozedere der Auswahl (anstelle der Wahl) der nationalen Führung Beschwerde einlegten. Dieser Protest zeigt jedoch offensichtlich keine Wirkung, da ein ähnlicher Prozess nun auch auf regionaler Ebene angewandt wurde.
Was an diesem Bataillons-Treffen jedoch am beeindruckendsten war, war seine Zusammensetzung. Chavez hatte die Bildung von “sozialistischen Bataillonen” mit jeweils rund 200 PSUV Mitgliedern angekündigt. An der Versammlung des Bataillons 13 nahmen 23 teil – um eine Ausnahme handelt es sich dabei nicht. Die einzigen unter-30jährigen, die dort zugegen waren, waren zwei Kinder von PSUV-Mitgliedern und ein Chavo-Trotzkist aus der “El Militante” (“Der Aktivist”) Strömung. Der einzige Arbeiter, der gewerkschaftlich aktiv war, berichtete, dass er an diesen Treffen schon “seit damals, als es noch MVR [Bewegung fünfte Republik] hieß” teilnehme. Zwischen eben dieser alten, bourgeois-nationalen Partei Chavez', der „Bewegung fünfte Republik“, und seiner neuen Partei, der PSUV, hatten sich viele linke BeobachterInnen des Geschehens einen qualitativen Wandel erhofft. Viele Parteimitglieder jedoch erkennen bereits eine Kontinuität.
Um die Entwicklung zu quantifizieren: Als die PSUV gegründet wurde, hatte sie sechs Millionen Mitglieder. Das waren allerdings diejenigen, die sich in offizielle Listen eingetragen hatte. Wer sucht, kann die Ankündigungen finden, die in den Regierungsbehörden ausgehängt wurden und dazu aufriefen, sich bei der PSUV einzuschreiben – mit dem Hinweis, dass die entsprechenden Treffen für Regierungsangestellte “obligatorischen Charakter” hätten. Von diesen sechs Millionen haben nur 15 %, also 900 000, je an einer PSUV-Versammlung teilgenommen. Sechs Monate später sind von diesen 900 000 noch 10-15 %, also etwa 100 000, aktiv.
Mit 100 000 aktiven Mitgliedern ist die PSUV natürlich eine Massenpartei. Aber sie ist eben nicht jene riesig-gigantische Massenpartei, die viele erwartet hatten. Tatsächlich ist die PSUV – im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße – nicht Mitglieder-stärker als die meisten sozialdemokratischen Parteien in Europa. Das mag auch den Mangel an Erfolg erklären, den viele linken Parteien verbuchen, die sich aufgelöst hatten, um aus der PSUV heraus zu arbeiten. Von den mehr als 1 600 Delegierten, die auf dem Gründungskongresses anwesend waren, kamen von der zuvor erwähnten Strömung “El Militante” gerade einmal sieben, und die “Marea Socialista” Gruppe, der immerhin einige bekannte Gewerkschaftsführer angehören, war mit einem einzigen Delegierten vertreten.
Im Rahmen einer Unterhaltung im Anschluss an das Treffen erklärte das Mitglied von “El Militante”: “Ich halte die PSUV für ein bürokratisches Instrument, mit dem die Regierung die Massen unter Kontrolle bringen möchte. Dir gegenüber kann ich das sagen, nicht aber gegenüber den in der PSUV organisierten Massen, weil die das nicht verstehen würden. Sie sehen in der PSUV ein demokratisches Instrument, das im Land einen Wandel herbeiführen wird.”
Während ich zwar den ersten Teil der Einschätzung dieses Aktivisten teile, denke ich doch, dass die Massen verstehen können und müssen, dass die PSUV kein Instrument im Kampf für Sozialismus ist. Damit sie das aber verstehen können, werden MarxistInnen inner- und außerhalb der PSUV ihre Positionen offen vertreten müssen. Wenn die Mitglieder der PSUV Sozialismus wollen, werden sie ihre eigene revolutionäre, sozialistische Partei gründen müssen – unabhängig von “sozialistischen” Unternehmern und der “bolivarischen” staatlichen Bürokratie.
von Wladek Flakin (unabhängige kommunistische Jugendorganisation Revolution) aus Caracas,
Übersetzung: Anke Hoorn (RSO Wien Süd/West)