Wahlen in Österreich: Sieger sehen anders aus!

Den ersten Platz konnte die SPÖ bei dieser Wahl verteidigen … doch nur, weil die ÖVP noch schlechter abschnitt. Die extreme Rechte legte stark zu, die Linke stagnierte. Eine erste Analyse.

Die SPÖ verlor bei diesen Wahlen ein Sechstel ihrer Stimmen gegenüber dem ohnehin schon desaströsen Ergebnis von 35,3 % bei den letzten Wahlen. Laut WählerInnenstromanalyse des Standard“ sind 191.000 SPÖ-WählerInnen von 2006 gleich zu Hause geblieben, 171.000 wählten diesmal die FPÖ, 75.000 das BZÖ, 24.000 gingen zu den Grünen und 27.000 zur ÖVP (wobei gleichzeitig 49.000 ÖVP-WählerInnen von 2006 diesmal SP wählten, hier gibt es den einzigen positiven Saldo).

Die SPÖ hat es offensichtlich geschafft, in der Logik des bürgerlichen Parlamentarismus nochmals mit einem blauen Auge davon zu kommen, ist sie doch stimmenstärkste Partei geblieben. Das ist zweifellos dem Wahlkampf der SPÖ zu verdanken, der in der heißen Phase mit sozialen Themen punkten konnte und so die SP gegenüber der VP in eine bessere Position brachte. Doch der Verlust von über 500.000 WählerInnen des Jahres 2006 ist dennoch nicht zu beschönigen. Noch deutlicher wird das Problem der SPÖ bei einer genaueren Analyse. Denn bei den Unter-30-Jährigen gewann die ÖVP, bei den JungwählerInnen die FPÖ. Die SPÖ holte ihre Gewinne bei den PensionistInnen, was nicht sehr zukunftsträchtig ist.

Die SPÖ hat in den letzten Jahrzehnten einen massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung erlitten. Vor 30 Jahren hat sie (die sinkende Wahlbeteiligung mitgerechnet) noch mehr als doppelt so viele WählerInnen. Auch die Anzahl der Parteimitglieder sank dramatisch: 2005 hatte die SPÖ 301.251 Mitglieder, 20 Jahre davor, 1986, waren es mit 674.821 noch mehr als doppelt so viele.  Die SPÖ bleibt zwar einerseits weiterhin die dominierende bürgerliche ArbeiterInnenpartei, doch gleichzeitig wird das Vakuum, das ihre rechte Politik eröffnet, immer größer.

Willi allein zu Haus

Die ÖVP hat sich offenbar drastisch verspekuliert, Parteiobmann Wilhelm Molterer hat das nun "nach einer intensiven Diskussion mit sich selber" mit seinem Job bezahlt und ist zurückgetreten. Der neue Obmann, der Niederösterreicher Josef Pröll, gilt als Großkoalitionär. Die Schüssel-Molterer-Gruppe, die offenbar zuletzt noch Innenministerin Fekter als kleinkoalitionäre Alternative ins Rennen schicken wollte, ist gescheitert. Es scheinen also in der ÖVP gewisse Weichen gestellt, auch wenn etwa die Industriellenvereinigung darüber gar nicht erfreut ist. Doch natürlich werden die Verhandlungen noch eine Weile dauern und es ist zwar eher unwahrscheinlich, aber auch nicht völlig ausgeschlossen, dass am Ende doch noch eine rechte Koaltion gezimmert wird. Der erklärte Kleinkoalitionär Wirtschaftsminister Bartenstein (einer der wenigen VP-Granden, der in seiner Jugend Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft war), wies bereits darauf hin, dass es im Parlament eine "bürgerliche Mehrheit" gäbe.

Die Grünen haben bei dieser Wahl um einiges schlechter abgeschnitten als bei der letzten. Sie konnten von der Schwäche der SPÖ und dem mit 1,9% nicht gerade berauschenden Abschneiden des LiF nicht profitieren. Kein Wunder, war doch der Wahlkampf der Grünen eher inhaltsleer. Vor allem wurde die soziale Karte kaum gespielt, kein Wunder also, dass die soziale Proteststimmung sich überhaupt nicht im grünen Wahlergebnis widerspiegelt. Als linke Kraft der sozialen Veränderung jedenfalls sind die Grünen keine Option, im Gegenteil, je größer ihre Wahl-Schnittmenge mit liberalen Schichten der ÖVP wird, desto vorsichtiger werden die Grünen agieren (auch wenn nach der Wahl kurzfristig die linkeren Kräfte innerhalb der Partei gestärkt werden könnten).

Rechtsextremer Wahlsieg

Besorgniserregend ist das Abschneiden der extremen Rechten in der BZÖ- bzw. der FPÖ-Ausformung. Das BZÖ hat sich zur veritablen Kärntner Regionalpartei entwickelt, der "Faktor Haider" hat aber auch bundesweit für ein sehr gutes Ergebnis gesorgt. Das BZÖ gibt sich etwas zahmer, bürgerlicher und vor allem regierungsbereiter, dementsprechend hat es vor allem Stimmen von der ÖVP abgezogen. Doch werden im nächsten Parlament auf dem BZÖ-Ticket rechte Recken wie Ewald "Bienenzüchter Österreichs" Stadler und Ernest "Meine-Ehre-heißt-Treue" Windholz vertreten sein.

Die FPÖ ist gemeinsam mit dem BZÖ die große Gewinnerin dieser Wahl. Sie konnte vor allem Stimmen von der SPÖ holen und in ArbeiterInnenvierteln- und gemeinden überdurchschnittlich zulegen. Bei den ungelernten ArbeiterInnen dürfte sie die Nummer eins sein. Das ist keine neue Entwicklung, auch Ende der 90er Jahre war die FPÖ bereits auf diesem Stand. Doch der SPÖ ist das Kunststück gelungen, mit ihrer Politik eine im Niedergang befindliche rechtsextreme Partei wieder auf den Weg des Erfolgs geführt zu haben.

Bemerkenswert dabei ist, dass sowohl FPÖ wie BZÖ keinen harten "Ausländerwahlkampf" geführt haben, sondern eher soziale Themen in den Vordergrund gespielt haben (natürlich immer mit dem Zusatz, dass die Sozialleistungen nur für "unsere Leute" seien). In einer Nachwahlbefragung des GfK-Instituts gibt zwar eine Mehrheit als Wahlmotiv der FPÖ die Haltung zu MigrantInnen an, der Rassismus von FPÖ und BZÖ zwar also zweifellos für viele wahlentscheidend. Trotzdem wäre es zu simpel, den Wahlerfolg von FPÖ und BZÖ auf einen rassistischen Rechtsruck zu reduzieren. Es ist wohl eher so, dass sich der auch unter vielen SP-WählerInnen vorhandene Rassismus diesmal auf der Wahlebene die FPÖ als Ventil gesucht hat, da deren Sozialwahlkampf offenbar für viele glaubwürdiger war und damit und mit anti-neoliberalen Sprüchen die SPÖ teilweise "links" überholte – und dabei ihre arbeiterInnenfeindlichen Forderungen wie Privatisierungen, Hetze gegen KollegInnen im öffentlichen Sektor, Steuerbefreiungen für Betriebsgewinne, Abwertung der Kollektivverträge, Senkung der Lohnnebenkosten, … geschickt versteckte.

Es ist zweifellos davon auszugehen, dass im Fall einer neuen großen Koalition FPÖ und BZÖ weiter wachsen werden. Sie können sich entspannt zurücklehnen und die nächsten Sozialabbau-Schritte abwarten.

Der Wahlsieg der extremen Rechten wird auch dazu führen, dass offene Neonazi-Kreise Morgenluft wittern und ihr neues offensives Auftreten noch weiter verstärken werden. Der Wahlkampf gab hier erste Vorzeichen: Der Salzburger Kandidat der "Linke" wurde am Rande einer FPÖ-Kundgebung attackiert, als Nazis eine linke Kundgebung angriffen, in Wien gab es bei der Abschlusskundgebung der FPÖ Naziprovokationen am Rand der linken Gegendemo und am Wochenende der Wahl wurde der islamische Friedhof in Traun (OÖ) verwüstet.

Die Linke

Sowohl die KPÖ wie die Linke schnitten weit unter den selbst gesteckten Erwartungen ab. Bei denen, die sich nicht in einem der Projekte engagierten, sollte nun keineswegs Schadenfreude ausbrechen. Das Ergebnis drückt auch einen Bewusstseinsstand in der Bevölkerung aus und dieser ist offenbar nicht positiv für die gesamte Linke. Doch Analyse tut not.

Die KPÖ hatte im Vorfeld der Wahl von bis zu 3% möglicher Stimmen gesprochen, geworden sind es am Schluss 0,8% (34.107 WählerInnen) und somit ein Minus von 0,2% (-13.471 Stimmen). Auch in ihren Hochburgen in der Steiermark fuhr die KPÖ fast durchwegs Verluste ein. Der Wahlkampf war allerdings weder bundesweit ("Mit Sicherheit KPÖ") noch in der oppositionellen steirischen Landespartei ("Stärkt die Kleinen") wirklich dazu angetan, Begeisterung hervorzurufen.

Die "Linke" ist ein kurzfristig entstandener Zusammenschluss verschiedener Organisationen der radikalen und linksreformistischen Linken. Das Bündnis kandidierte in fünf Bundesländern (Burgenland, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Wien), was an sich bereits ein kleiner Erfolg ist, gab es doch in der zweiten Republik bis dato außerhalb Wiens niemals Kandidaturen links der KPÖ bei Nationalratswahlen. Doch mit 1898 Stimmen (ohne Wahlkarten) blieb sie weit unter den Erwartungen und Hoffnungen ihrer AktivistInnen. Es wurde von vielen vor allem in Wien eher ein Ergebnis im Bereich der KPÖ für möglich gehalten.

Dieses schlechte Abschneiden hat mehrere Gründe: zum ersten ist die allgemeine Stimmung zu nennen, die hin zu einer taktischen Stimme für SPÖ oder Grüne ging (was auch die KPÖ zu spüren bekam). Zum zweiten hat sich gezeigt, dass die weitaus höheren budgetären Möglichkeiten und auch die bessere mediale Präsenz der KPÖ sich im Vergleich zur Linken bezahlt machten. Zum dritten muss aber auch der Wahlkampf der Linken in Frage gestellt werden. Viele Menschen in Österreich haben offenbar kein Problem mit Radikalität an sich (Ein Hinweis mag hier auch sein, dass 18% der Bevölkerung sich von einer Partei nicht abschrecken ließen, deren Spitzenkandidat im Wahlkampf auf alten Photos mit Hassmaske und Gewehr zu sehen war). Doch die Linke konnte diese radikale Wut überhaupt nicht fassen. "Linke. Die kannst Du wählen" und "Endlich mal was Neues" sind – wie die der KPÖ – nicht unbedingt bewegende Slogans. Und von Propaganda gegen das kapitalistische System war, auch angesichts von Finanzkrise etc., kaum etwas zu hören.

Die Linke saß hier nach unserer Meinung einem taktischen Missverständnis auf. Viele glaubten, dass es der Linken möglich sein würde, relevante WählerInnenschichten von SPÖ oder Grünen wegzubrechen und daher ein "weicher" Wahlkampf notwendig sei, um diese Schichten nicht zu verprellen. Das hat natürlich auch etwas mit einer Einschätzung der Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft zu tun. Wir schätzen diese wohl negativer für die Linke ein als manch andere. Wir sehen auch grundsätzlich wenig Sinn darin, wenn RevolutionärInnen versuchen, linksreformistische Projekte aufzubauen.

Wir glauben aus einer anderen Analyse heraus, dass andere Schwerpunkte sinnvoller gewesen wären. Die 2.000 WählerInnen der Linken (und auch, wenn andere Erwartungen sich erfüllt hätten, die 5.000 oder 10.000) sind jene, die bereits sehr weit mit dem kapitalistischen System gebrochen haben. Sie wären mit radikalen Losungen für Klassenkampf und Sozialismus kaum verschreckt worden. Doch gegenüber anderen wäre ein solcher Wahlkampf zumindest aufgefallen, hätte sich von der KPÖ abgehoben und hätte eine wichtige Propaganda-Funktion haben können. Diese Chance wurde leider vertan.

Vor allem aber wird am geduldigen Versuch, sich innerhalb der ArbeiterInnenklasse und ihrer Kernschichten zu verankern, weiter kein Weg vorbeiführen. Dieses Wahlergebnis sollte Warnung und Ansporn sein, darin nicht nachzulassen. Wir laden alle unsere FreundInnen und SympathisantInnen ein, uns dabei nach ihren Möglichkeiten zu unterstützen!

 

Zum Weiterlesen:

SPÖ-Wahlkampf: Fünf Punkte und ein Flirt mit Rechtsaußen

Das Linksprojekt und seine Kandidatur

Die Grünen – eine linke Alternative?

Themenschwerpunkt Neuwahlen in Österreich