Mit 1,8 Promille und 142 km/h in den Tod

In den Tagen nach Jörg Haiders Bruchlandung wurde Österreich von einer unglaublichen Welle an Kriechertum und Heuchelei heimgesucht, wie sie so typisch für die Medien dieses Landes ist. Selbst liberale JournalistInnen legten sich persönlich den Maulkorb an und hüteten sich davor, auch nur ein einziges böses Wort über den abgehalfterten Rechtsextremisten zu verlieren.

Plötzlich war Haider ein großer Politiker der in den 90er Jahren den verkrusteten Proporz im österreichischen Staate aufgebrochen hätte, wenn auch mit vielleicht etwas übertriebenen Mitteln. Dass er beim politischen Postenschacher selbst in der höchsten Liga mitspielte und überall, wo er nur konnte, „Rot“ und Schwarz durch Blau/Orange ersetzte, wird da unter den Tisch gekehrt. Einige KommentatorInnen behaupteten sogar allen Ernstes, dass sich Haider auf seine alten Tage gemäßigt hätte. So ein Unsinn! Noch am Tag vor seinem Crash hat Haider wieder einmal gegen die Kärntner SlowenInnen gehetzt. In den letzten Monaten betrieb Haider eine üble Hetze gegen tschetschenische Flüchtlingsfamilien in Kärnten, die er bei Nacht und Nebel über die Kärntner Landesgrenzen abschieben lassen wollte. Und im Wahlkampf 2006 glänzte Haiders BZÖ mit der Forderung nach der sofortigen Abschiebung von 300.000 (!!) ausländischen StaatsbürgerInnen.

Wenn auch die bürgerliche Journaille nichts als rührige Nachrufe zu bieten hat („Er wollte Robin Hood sein und starb wie James Dean“ und „Trotzdem ist die Trauer eines ganzen Landes ehrlich, verdient, gerecht“ meint der „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner), so gibt es zumindestens in der einfachen Bevölkerung zahlreiche Menschen, die sich über Haiders Ableben freuen. Das zeigt sich schon allein an der Tatsache, dass sich österreichische Online-Medien gezwungen sahen, ihre Foren zu Haider-Artikeln zu schließen. „Aufgrund vieler pietätloser Postings ist die Kommentierfunktion für Beiträge zum Tod Haiders bis auf weiteres deaktiviert.“ Heißt es in der Internet-Ausgabe der konservativen Presse. Im liberalen Standard wird ähnlich erklärt: „Aufgrund der großen Anzahl an pietätlosen Postings sieht sich derStandard.at gezwungen, zu diesem Thema ausnahmsweise nur ein beschränktes Forum einzurichten.“ Tja, die Meinungsfreiheit in der bürgerlichen Demokratie…

Besoffener Raser

Neben der Hochstilisierung des Nazi-Verharmlosers zur politischen Lady Diana haben die Medien nun wenigstens auch eine äußerst brisante Tatsache zu Tage gefördert: Während seiner Todesfahrt war der liebe Herr Landeshauptmann mit sage und schreibe 1,8 Promille Alkohol im Blut unterwegs. Laut der Tageszeitung Österreich bedeutet das, über einen Zeitraum von acht Stunden mindestens fünf Bier (0,5l), vier Gläser Sekt und zwei Schnäpse zu trinken. Dazu muss allerdings angemerkt werden, dass die bürgerlichen Schreiberlinge am Wochenende noch im vorauseilenden Gehorsam behauptet hatten, Haider hätte auf der Party in Velden nur mit Mineralwasser angestoßen. Haider hat in seinem Temporausch mit 142 km/h also nicht nur eine Ortstafel (mit denen hatte er ja schon immer so seine Probleme) und ein Schild mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h gerammt, er war dabei auch noch „bsoffn wia a Heisltschik“, wie man/frau in Wien so schön sagt, also betrunken wie eine in der WC-Muschel herumliegende Zigarette. Tatsächlich dürfte Haider auch noch weit schneller unterwegs gewesen sein, da sich die Blackbox, die die Geschwindigkeit misst, erst einschaltete, als das Auto längst außer Kontrolle war. Es ist laut UnfallexpertInnen von einer Geschwindigkeit von rund 170 km/h auszugehen, mit der Jörg Haider ins Ortsgebiet raste. Dass Haiders Auto dabei auch den Thujenzaun eines Einfamilienhauses platt walzte, dessen BesitzerInnen es aufgrund ihrer Sympathie für den Landeshauptmann in der BZÖ-Farbe orange gestrichen hatten, ist wohl nur mehr ein Treppenwitz der Geschichte.

Weniger lustig sind hingegen folgende Fakten: Im Jahr 2007 starben 686 Menschen auf Österreichs Straßen. Hauptunfallursache war überhöhte Geschwindigkeit. Bei jedem vierten tödlichen Crash ist Alkohol mit im Spiel. Viele der in solchen Verkehrsunfällen Getöteten sind unschuldig, sie fahren bedacht und mit Rücksicht – oder sind überhaupt nur zu Fuß unterwegs. Bis ihnen von Wahnsinnigen á la Haider das Leben genommen wird. Wenn sich also der österreichische Linksliberalismus nicht über den Tod von Jörg „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ Haider freuen will, so soll er zumindestens froh darüber sein, dass dieser Haider niemand anderen mit in den Tod genommen hat.