Aufgrund der Wirtschaftskrise müssen viele KollegInnen kurz vor Weihnachten um ihren Job zittern. Gleichzeitig werden Banken und Konzernen Unmengen an Steuergeldern in den Rachen geschoben. Das müssen wir uns nicht gefallen lassen, meint der Leitartikel der Dezember-Ausgabe unserer Betriebsflugblätter in Wien.
Entlassungen als Weihnachtsgeschenk
Mit der Finanzmarktkrise kommt jetzt auch der erwartete wirtschaftliche Abschwung. Jetzt kommen die Banken und großen Konzerne angekrochen, um vom Staat Gelder zu bekommen, die zu einem großen Teil von unseren Steuern stammen. Es sind die gleichen Banken und Konzerne, die immer davon gesprochen haben, dass sich der Markt angeblich selbst regelt. Gleichzeitig setzen sie Maßnahmen, wie sie das in solchen Zeiten immer tun: Sie schmeißen Leute raus, stellen sie auf Zeitarbeit um oder stellen Prämien und andere Sozialleistungen ein.
Einer der am intensivsten betroffen Sektoren ist die Automobilindustrie. Im Autocluster Graz sind 45.000 Menschen beschäftigt, 60.000 sind es im oberösterreichischen Autocluster. Beide Konzernnetzwerke haben ihren Betrieb teilweise bereits auf Zeitarbeit umgestellt, bei Magna Graz wurden bereits 900 KollegInnen gekündigt.
General Motors Wien Aspern, ein Ableger des US-Mutterkonzerns und Lieferant von Getrieben und Motoren für Opel, hat bereits im Oktober für einige Tage die Produktion gestoppt. Die ArbeiterInnen wurden zwangsbeurlaubt. Von den 1.850 Beschäftigten sollen bis Ende November 150 gekündigt werden.
In immer mehr Branchen werden momentan Kündigungen angemeldet. Die Softwareabteilung von Siemens, Siemens PSE, entlässt 500 der 3.000 ArbeiterInnen. Die Unternehmensstrategie lässt vermuten, dass mittelfristig der ganze Sektor zerschlagen wird, was ca. 3000 Kündigungen bedeutet.
Die Perspektiven der Telekom sehen voraus, dass bis 2011 2.500 Kündigungen ins Haus stehen werden. Noch heuer werden es 500 sein. Das Unternehmen scheffelt 2008 einen satten Gewinn von 433. Mio. Euro ein. Die Pläne, bei der Post 9.000 Leute abzubauen sind nur vorerst vom Tisch, denn 2011 steht die Vollliberalisierung bevor. Es wird früher oder später Massenkündigungen geben.
Auch der Leiterplattenhersteller AT&S des ehemaligen SPÖ-Finanzministers Androsch hat trotz Rekordgewinnen 450 Leute entlassen. Hier seien nur einige große Betriebe genannt. Wie hoch die Zahl der Arbeitslosen tatsächlich wird, bleibt abzuwarten.
Verrücktes System!
Derzeit treffen sich Staats- und Regierungschefs, um Regelungen zu finden, wie einerseits der jetzigen Krise im Finanzmarktsektor, aber auch z.B. in der Automobilindustrie entgegengewirkt werden kann. Dabei gibt es die landläufige Meinung, dass die Finanzmarktkrise für die gesamte ökonomische Krise verantwortlich sei.
Doch Krisen sind etwas, mit dem die Marktwirtschaft förmlich aufgewachsen ist. Die erste Weltwirtschaftskrise fand bereits Mitte des 19. Jahrhunderts statt. Da die Produktion nur nach den Profitinteressen der KapitalistInnen und nicht nach gesellschaftlichen Bedürfnissen funktioniert, begleiten Krisen seither das kapitalistische Wirtschaftssystem. Den Finanzmarktsektor dafür verantwortlich zu machen, reicht also nicht aus. Auch gezielte Eingriffe vom Staat können maximal vorübergehend stabilisierend wirken.
Abgesehen davon stellen die gegenwärtigen staatlichen Unterstützungen eine enorme Umverteilung von unten nach oben dar. Allein in Österreich wurden 100 Milliarden Euro für Banken und andere Teile des Finanzkapitals bereitgestellt. Die Herrschenden, also Konzernchefs, PolitikerInnen, usw., die unmittelbar von diesem System profitieren, werden immer versuchen, einzelne Sündenböcke zu finden. Damit lenken sie aber nur von den tatsächlichen Herrschaftsverhältnissen ab.
Erster Schritt vorwärts!
Wir müssen uns aber nicht alles gefallen lassen. Beispielsweise haben sich am 06.11.08 rund 2.000 KollegInnen in Wien Floridsdorf versammelt, um gegen den Stellenabbau und die mögliche Schließung von Siemens PSE zu demonstrieren. Viele Beschäftigte und ihre Familien haben ihrem Unmut Ausdruck verliehen. Bei der anschließenden Kundgebung vor den Werkstoren begrüßte der Moderator die Belegschaft so: „Das heute ist eine Betriebsversammlung und wenn wir belagern und wenn wir den Aufstand proben, dann schaut das anders aus.“
Tatsächlich können Demonstrationen und Kundgebungen nur der Anfang sein. Sie erfüllen allerdings zwei wichtige Zwecke: Einerseits wird für öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt, die der Bevölkerung, aber vor allem den KollegInnen in anderen Betrieben die Möglichkeit gibt, sich über die Missstände und den organisierten Widerstand zu informieren. Andererseits ergeben sich für die KollegInnen Chancen, sich untereinander auszutauschen. Solche gibt es im betrieblichen Alltag nicht oder nur in einzelnen Abteilungen isoliert voneinander. Das bedeutet auch, dass über Kampfmaßnahmen diskutiert werden kann. Letztlich werden aber nur Streikmaßnahmen die Bosse unter Druck setzen. Denn ein Streik zeigt uns ArbeiterInnen unsere eigene Stärke. Wenn wir es wollen, stehen alle Räder still.