In den deutschen Opel-Werken sind Massenentlassungen angekündigt. Anstatt gemeinsam dagegen vorzugehen, versuchen die Konzernbetriebsräte, die KollegInnen ruhig zu halten.
Die General Motors-Tochter Opel steht durch die aktuelle Krise gemeinsam mit ihrem Mutterkonzern unter starkem wirtschaftlichem Druck. GM ist weltweit der größte Autokonzern und besitzt unter anderem die Marken Chevrolet, Buick, Saab, Vauxhall, Opel, Hummer, Pontiac und Cadillac. Nun soll die Krise der Autoindustrie auf die Beschäftigten abgewälzt werden, in Deutschland stehen tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Carl-Peter Forster, Europachef von General Motors (GM) hat kürzlich in einem Brief an alle Opel-KollegInnen angekündigt, die Arbeitskosten um mindestens zehn Prozent senken zu wollen. Arbeitsplatzabbau wird zwar vorerst noch nicht angekündigt, doch es folgt die Drohung: "Wenn sich die Marktverhältnisse in Europa weiter verschlechtern sollten, ist es sehr wahrscheinlich, dass weitere Schritte notwendig werden, um weiterhin überlebensfähig zu bleiben".
Bedroht sind einige Werke in Europa, etwa das Saab-Werk Trollhättan in Schweden und GM-Aspern in Wien. Besonders bedroht ist aber das Werk in Bochum, wo die KollegInnen eine sehr kämpferische Vergangenheit haben. Anfang der 1990er Jahre arbeiteten allein im Opel-Werk in Bochum noch fast 20.000 KollegInnen. Seitdem wurden so genannte „Zukunftsverträge“ zwischen Konzern und Betriebsrat abgeschlossen, der letzte war der „Zukunftsvertrag 2005“. Resultat: heute arbeiten noch knapp 5.000 KollegInnen bei Opel-Bochum, die meisten anderen wurden gefeuert, ausgelagert oder in Töchterfirmen verschoben, wo sie deutlich niedrigere Löhne bekommen (insgesamt arbeiten im Werk noch 7.000 KollegInnen). Opel selbst hat früher deutlich über Tarif bezahlt, nach drei Jahren ohne Lohnerhöhung sind die Opel-KollegInnen jetzt gerade noch auf dem Metall-Tarif. Gleichzeitig verordnet GM seinen Tochter-Unternehmen in Europa (Opel, Vauxhall, Saab) weitere Kürzungen. Das Management forderte im November eine Nullrunde von den rund 55.000 ArbeiterInnen in Europa.
Wenn das Opel-Werk in Bochum stirbt, hat das natürlich auch enorme Auswirkungen auf die Region: Tillmann Neinhaus, Hauptgeschäftsführer der Bochumer Industrie- und Handelskammer, erklärt, dass die Zahl der Betroffenen allein im Bochumer Umfeld bei über 11.000 läge. Bereits Anfang 2008 wurde das Nokia-Werk in Bochum geschlossen, was 2.300 KollegInnen ihren Job kostete (wir berichteten ).
Die Betriebsratsjungs von der Opel-Gang haben die KollegInnen abgehängt
(Frei nach den Toten Hosen)
Der Betriebsrat von Opel unterliegt aber leider einer falschen Logik: denn 20.000 KollegInnen können sich besser wehren als 7.000. Das Werk wird langsam ausgehungert und dann wohl endgültig dicht gemacht. Ende September hat der „linke“ Betriebsratsvorsitzende von Opel Bochum, Rainer Einenkel, ein ehemaliges Mitglied der DKP, den nächsten Vertrag namens "Zukunftsvertrag 2016" unterschrieben. Der Inhalt? Gesteigerte Arbeitshetze, Lohnkürzungen für Leiharbeiter um fast 20 Prozent, die Reduzierung der Auszubildendenzahl, eine Kürzung des Weihnachtsgeldes, und eine Anrechnung etwaiger Tariferhöhungen auf übertarifliche Leistungen.
Das verunsichert die KollegInnen natürlich massiv. Im Gespräch mit der deutschen „World Socialist Web Site“ meinten KollegInnen: „Ein Warnstreik wurde mitgemacht, aber auch nicht von allen Leuten. Diese Unsicherheit merkt man in allen Bereichen und in allen Reaktionen. Früher war es so, wenn es hieß Warnstreik, dann haben alle Leute die Arbeit niedergelegt. Da wurde kollektiv daran teilgenommen." Dieses Mal sei es so, dass viele froh sind, wenn sie wieder arbeiten können, meint die WSWS. KollegInnen meinen, dass Streiks allein auch eine stumpfe Waffe geworden seien, denn der Konzern sei gar nicht unglücklich, wenn die Bänder still stehen, so dass keine neuen Autos auf Halde produziert werden.
Diese Situation macht Widerstand sehr schwierig und die Betriebsräte haben sich und die KollegInnen in eine problematische Lage gebracht, als sie in besseren Zeiten nicht ausreichend gekämpft haben. Die KollegInnen in Bochum waren dazu immer bereit. So hatten 2004 die damals etwa 10.000 ArbeiterInnen und Angestellte des Werks den Betrieb besetzt, offiziell in Form einer "Informationsveranstaltung" durch den Betriebsrat, die eine Woche lang durch Abstimmungen jeder Schicht verlängert wurde. Nach einer Woche aber schlug der Betriebsrat den Abbruch vor, immerhin 1000 KollegInnen stimmten damals dagegen.
Wesentlich wäre damals und ist noch heute konzernweiter Widerstand und Widerstand in der gesamten Autoindustrie. Allein bei Mercedes in Stuttgart-Sindelfingen werden ab Mitte Januar 20.000 KollegInnen in Kurzarbeit geschickt. Und im Kleinen zeigen KollegInnen, dass Widerstand möglich ist. So besetzten am 5.12. 100 KollegInnen des Autozulieferers HWU (Hohenlockstedter Werkzeugbau und Umformtechnik) in Hohenlockstedt das Werk und versuchen so, gegen die geplante Schließung des Werks zum Jahresende vorzugehen.
Stattdessen spielen die deutschen Betriebsräte „ihre“ Werke gegen die US-KollegInnen aus und kündigen Opfergänge an: Der Konzernbetriebsratschef von Opel, Klaus Franz, erklärte: „Die Arbeitnehmer werden ihren Beitrag leisten“. Der Frankfurter Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild, sekundierte, die Gewerkschaft sei zur Hinnahme „weiterer Lohnverluste“ bereit. Wenn die GM-Spitze solche Aussagen hören, wissen sie, dass von Seiten der IG Metall kein ernsthafter Widerstand zu befürchten ist. Der „linke“ Einenkel meint sogar, es sollten doch mehr Chevrolet-Modelle in Europa statt in den USA gebaut werden und gibt so eine direkte Kampfansage an die US-KollegInnen – und was die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch GM in den USA bereits angerichtet hat, beschreibt Michael Moore sehr gut in „Roger & Me“, seinem Film über das GM-Werk in Flint/Michigan.
Bei einer Protestdemonstration Mitte Oktober in Bochum, an der rund 25.000 KollegInnen von Opel und anderen Betrieben teilnahmen, beschrieb ein Kollege aber, wie es wirklich läuft: „Warum sollen wir uns überhaupt auf solch einen Kurs der Gewerkschaftsspitze einlassen, wo nur ein Standort gegen einen anderen ausgespielt wird? Den Arbeitern in Deutschland sagt man, ihr seid teurer als die Arbeiter in Südafrika und in Südafrika wird gesagt, die Deutschen sind viel produktiver und streiken viel weniger.“
Aber am besten ist immer noch: saufen, saufen, saufen …
Doch die Worte „entschlossener Widerstand“ sind Konzernbetriebsratschef Franz (der sich laut Financial Times Deutschland den Grünen verbunden fühlt) wirklich fremd. Stattdessen fordert er gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Glos (CDU) Kredite für den Opel-Konzern und kündigt Opfer der Belegschaft an. Anschließend an diese Ankündigung in der ARD hat er dann mit Glos noch einige Flaschen Rotwein geleert. „Fragen Sie nicht, wie viele Flaschen wir getrunken haben“, meinte er zur Süddeutschen Zeitung.
Die Linkspartei indessen wird ihre Rolle als linke Flankendeckung gerecht: die hessische Landtagsfraktion der Linkspartei hat im Landtag mit beschlossen, Opel Landesbürgschaften in Höhe von bis zu 500 Millionen Euro zu bewilligen. Es gibt dafür nicht einmal minimale Auflagen und Bedingungen. Fraktionschef Willi van Ooyen meinte anschließend, der „Rettungschirm“ sei gut, weil er zur Stärkung der hessischen Wirtschaft beitrage. Doch es sieht eher so aus, als wird hier gutes Geld schlechtem hinterher geworfen. Auch das US-Rettungspaket für GM in Höhe von 14 Milliarden US-Dollar, das derzeit noch vom US-Senat blockiert wird, ist keine Lösung, würde es doch die Kreditfähigkeit von GM gerade bis März 2009 sicherstellen.
Nach den Banken würde damit auch dem Automobil-Großkapital Geld geschenkt, das zu großen Teilen aus den Massensteuern der ArbeiterInnenklasse kommt; und der Staat soll nur minimale Einflussmöglichkeiten kriegen. Wenn schon Staatsgelder für die Automobilindustrie, dann nur bei Verstaatlichung und zwar unter Kontrolle der Lohnabhängigen – mit der Perspektive der Umstellung der Produktion. Denn es zeigt sich ganz klar das Limit des Kapitalismus: vor allem die Produkte von GM-USA sind eher große, benzinfressende PKW, die in der Krise wenig nachgefragt werden. Doch warum sollen die ArbeiterInnen die Krise bezahlen? Diese Produktlinien waren nicht ihre Entscheidung. Und die Bevölkerung hätte sehr wohl ein langfristiges Interesse an Produkten aus der Fahrzeugindustrie: öffentlicher Verkehr, Straßenbahnen, Eisenbahnen, Autobusse. Doch einen solch grundlegenden Einschnitt wird nur eine demokratisch geplante Wirtschaft in einer sozialistischen Gesellschaft zustande bringen.