Entgegen mancher Behauptungen stehen keineswegs alle EinwohnerInnen Israels hinter dem Krieg gegen Gaza. Erste Demonstrationen haben begonnen.
Die Bevölkerung in Israel besteht zu rund 80% aus Menschen jüdischer Herkunft, zu rund 20% aus Menschen arabisch-palästinenischer Herkunft. Und natürlich ist es derzeit vor allem die arabisch-sprechende Bevölkerung Israels, die auf die Straßen geht. Doch es gibt auch Demonstrationen und Proteste der jüdisch-stämmigen Bevölkerungsgruppe gegen den Krieg gegen Gaza.
Die beiden bisher größen Demonstrationen fanden am 3. Jänner statt. In der nordisraelischen Stadt Sakhnin gingen mehrere zehntausend Menschen auf die Straße, der Großteil von ihnen arabischer Herkunft. Später am Samstag fand in Tel Aviv dann allerdings eine Anti-Kriegs-Demonstration von rund 10.000 Menschen statt, wobei hier sowohl jüdische wie arabische DemonstrantInnen vertreten waren.
Die DemonstrantInnen nahmen starken Bezug darauf, dass der Gaza-Krieg kurz vor den anstehenden Wahlen für das israelische Parlament, die Knesset, begann. Slogans waren unter anderem "Man baut keine Wahlkampagne auf den Körpern toter Kinder", "Witwen und Waisen sind keine Wahlprogaganda", es wurden auch Transparente getragen, die darauf Bezug nahmen, so etwa: "“Barak ist nicht freundlich, er ist ein Mörder!” (Der Original-Wahlslogan des sozialdemokratischen Verteidigungsministers und Vorsitzenden der Labour-Party: “Barak ist nicht freundlich, er ist ein Führer!”) oder "Nein zum Wahl-Krieg 2009!" und "Der 6-Knesset-Sitze-Krieg" (eine Anspielung darauf, dass vor dem Krieg in Umfragen für die Labour-Party gerade einmal sechs Sitze in der Knesset erwartet wurden).
Weitere Slogans waren: "Alle Minister sind Kriegsverbrecher", "Juden und Araber kämpfen gegen die Rassisten", "Barak, Verteidigungsminister, wieviele Kinder hast Du heute getötet" und "Der Faschismus wird nicht durchkommen."
Die Demonstration war durch ein riesiges Polizeiaufgebot begleitet, einige hundert Rechtsradikale attackierten die Demonstration immer wieder. Dennoch war sie ein beeindruckendes Zeichen der israelischen Anti-Kriegs-Bewegung.
Tägliche Demonstrationen
Linke Homepages aus Israel berichten, dass es derzeit fast täglich kleinere Demonstrationen gibt. So gehen fast jeden Tag Menschen in Tel Aviv auf die Straße, am 06.01. demonstrierten mehrere hundert in Jaffa, am 07.01. gab es eine Demonstration in Jerusalem, ebenfalls am 07.01. gab es Kundgebungen auf den Universitäten von Haifa und Jerusalem (wobei beide Kundgebungen von Rechten angegriffen wurden), für Samstag, den 10.01., ist eine größere Demonstration vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv geplant.
Doch der Staatsapparat schlägt hart zurück, seit dem Beginn des Krieges wurden bereits 530 Menschen bei Demonstrationen verhaftet, rund die Hälfte von ihnen sind immer noch im Gefängnis. Die meisten sind israelische AraberInnen, doch auch eine Reihe von jüdischen AktivistInnen sind unter den Inhaftierten.
Die Friedensbewegung in Israel ist keineswegs homogen. Sie reicht auf jüdischer Seite von der eher sozialdemokratischen "Peace Now" über die linkszionistische Gush Shalom bis hin zu linksradikalen Gruppen wie "Anarchists against the wall" und einigen trotzkistischen Gruppen, die den Kampf gegen den Krieg mit dem Kampf gegen das kapitalistischen System verknüpfen.
Und diese jüdisch-israelischen Organisationen, die die Verknüpfung von Krieg und Kapitalismus sehen und für eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus kämpfen, sind die besten Verbündeten der palästinensischen Bevölkerung in Gaza, die unter den Schlägen der israelischen Militärmaschine leidet. Es sind Organisationen, die die großen Traditionen jüdischer InternationalistInnen in der ArbeiterInnenbewegung fortsetzen, und Ansatzpunkte für eine gemeinsame jüdisch-arabische Perspektive in Palästina, letztlich für eine binationale sozialistische Republik, darstellen.