Bereits jede achte Person in Österreich gilt als „armutsgefährdet“ und hat ein Einkommen unter der Armutsgrenze von derzeit 893 € (netto, inkl. aller Sozialleistungen). Knapp eine halbe Million Menschen sind akut arm. Was dahinter steckt und was wir dagegen tun können verrät der Leitartikel der Jänner-Ausgabe unserer Betriebsflugblätter in Wien.
ÖsterARM und ÖsterREICH
Bereits jede achte Person in Österreich gilt als „armutsgefährdet“ und hat ein Einkommen unter der Armutsgrenze von derzeit 893 € (netto, inkl. aller Sozialleistungen). Knapp eine halbe Million Menschen sind akut arm. Das Risiko, sich in dieser Gruppe wieder zu finden, steigt – auch für Personen, die sich davon nie betroffen gefühlt haben.
Aufgrund steigender Preise sind auch immer mehr Menschen von „Energiearmut“ betroffen. Laut Statistik Austria können es sich mehr als vier Prozent der Wohnbevölkerung nicht leisten, die Wohnung angemessen warm zu halten, das sind knapp 400.000 Menschen. Energie- und Wohnkosten machen bei Haushalten mit weniger als 900 € Einkommen bereits 40% des monatlich verfügbaren Gesamtbudgets aus. Je geringer das Einkommen, umso höher dieser Anteil. Ein zusätzlicher Punkt in diesem Teufelskreis: Haushalte in einer finanziell angespannten Situation werden durch Nebengebühren wie Mahnungen, Erlagscheinzahlungen oder Ab- und Anschaltgebühren zusätzlich belastet.
Armut ist…
Armut ist in Österreich aufgrund durchschnittlich niedrigerer Einkommen von Frauen zu 70% „weiblich“. Auch MigrantInnen sind aufgrund diskriminierender „Ausländergesetze“, die sie zu besonders leicht ausbeutbaren Arbeitskräften machen, einem weit höheren Armutsrisiko ausgesetzt. Menschen, die in Armut leben, sind doppelt so oft krank wie Nicht-Arme. Die so genannte „Managerkrankheit“ mit Bluthochdruck und Infarktrisiko tritt bei von Armut Betroffenen dreimal häufiger auf als bei ManagerInnen.
Wer ein geringes Einkommen und geringe Bildung hat, stirbt laut Statistik durchschnittlich fünf Jahre früher als diejenigen mit höherem Einkommen und höherer Bildung. Konkret bedeutet Armut kaum Möglichkeit, an zentralen gesellschaftlichen Bereichen auch nur im Mindestmaß teilhaben zu können: Wohnen, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Bildung, Sozialkontakte…
Steigender Reichtum bedingt steigende Armut
Österreich gilt als das siebtreichste Land der Welt und das viertreichste Land der EU. Doch der Reichtum ist sehr ungleich verteilt. Das gesamte Privatvermögen aller ÖsterreicherInnen beträgt geschätzte 1.000 Milliarden €. Dieses Vermögen ist aber auf sehr wenige Menschen konzentriert: die reichsten 8.000 Personen, also weniger als ein Prozent der Bevölkerung haben mehr Anteil am Gesamtvermögen als die „untersten“ 90%, also die übergroße Mehrheit der Bevölkerung. Die obersten zehn Prozent besitzen zusammen gleich mehr als zwei Drittel des Gesamtvermögens. Und der Reichtum dieser kleinen gesellschaftlichen Schicht wächst – auch in Zeiten der Finanzkrise – ständig.
Der gesellschaftliche Reichtum wird in erster Linie von der Masse der Lohnabhängigen, also von uns allen, geschaffen. Den Profit haben aber nur wenige KapitalistInnen. Der Arbeitsdruck steigt und im gleichen Ausmaß steigen die Profite: Niedrige Löhne, lange und flexible Arbeitszeiten, geringe Arbeitssicherheit, höhere Arbeitshetze bedeuten mehr Geld in den Kassen der Konzerne. Der Staat ist dabei ein Instrument, um die Herrschaft der KapitalistInnen zu sichern und den Rahmen dafür zu schaffen, dass wir noch „effektiver“ ausgebeutet werden.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der österreichische Staat seinen Anteil an der Umverteilung von Arm zu Reich hat.
Die Steuern auf Arbeit machen 42% aller Steuereinnahmen aus, die Besteuerung des Konsums über die Mehrwertsteuer (die auch besonders die breite Masse der Bevölkerung trifft) 50% – aber die Besteuerung von Vermögen bringt nur sechs Prozent der Steuereinnahmen. Im Vergleich der Vermögensbesteuerung liegt Österreich innerhalb der Industriestaaten an letzter Stelle! Beim Aufkommen aus Gewinnsteuern ist Österreich an vorletzter Stelle in der EU. Ein großer Teil von Mitteln wird so dem „Gemeinwohl“ entzogen, soziale Leistungen können immer weniger finanziert werden. Seit fast 20 Jahren erklären uns die jeweiligen Regierungsparteien, also SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ, dass für Pensionen, Krankenkassen und Bildung kein Geld mehr da wäre. Tatsächlich schenken sie das Geld den Konzernen.
Gemeinsam mit der Verbreitung der absurden Ideologie, dass angeblich jede/r gewinnen kann, wenn sie/er nur wirklich will, trägt diese Entwicklung zu einem Klima bei, in dem jede/r nur auf sich selbst schaut und Solidarität zum Fremdwort wird.
Auswege aus der Armut
Gerade zur Weihnachtszeit wurden wir von verschiedensten Seiten wieder dazu angehalten zu spenden, um das individuelle Schicksal von armen Menschen zu lindern. Spenden ist zwar ein solidarischer Akt. Doch solche Aktionen verdecken, dass Armut nicht durch unglückliche Zufälle, sondern als Folge des kapitalistischen Systems existiert. Auch die Milliardenspenden für Wohltätigkeitszwecke von Superreichen wie Warren Buffet oder Bill Gates dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Herren als Kapitalisten nie Teil der Lösung sein können, sondern immer Teil des Problems sind.
Es geht daher auch um mehr als die Umverteilung des vorhandenen (weltweiten) Überflusses, zu den immer weniger Menschen Zugang haben. Nur eine gesellschaftlich kontrollierte, demokratische Produktion nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht nach den Profitinteressen einzelner würde Armut und Ausbeutung in das Reich der Geschichte verbannen.