Anfang Februar 1979 war die Diktatur von Schah Reza Pahlevi endgültig besiegt. In den westlichen Medien ist meist von einer "islamischen Revolution" die Rede und auch in der Linken existieren oftmals sehr verzerrte Bilder. Wir bringen hier ein Interview mit einem revolutionären iranischen Aktivisten der am Aufstand selbst beteiligt war und verweisen auf eine längere Analyse der Ereignisse.
Aufstand in Teheran
Interview mit Jakub Naderie zur iranischen Revolution 1979
Fanatisierte religiöse Massen, von wahnsinnigen Mullahs verhetzt, richten sich in rückständiger Dummheit gegen die wenigen im Iran bestehenden Ansätze einer aufgeklärten westlichen Zivilisation und stürzen das Land in blinder Zerstörungswut zurück ins Mittelalter – das ist das Bild, das von großen Teilen der westeuropäischen (und natürlich nordamerikanischen) Öffentlichkeit von der iranischen Revolution gezeichnet wird. Dieses Bild mag zwar den Propagandainteressen der herrschenden bürgerlichen Klasse entsprechen, und im undifferenzierten historischen Rückblick mag es tatsächlich so aussehen. Wurde der Schah denn nicht von einer islamisch geprägten Bewegung gestürzt? Endete die Revolution denn nicht mit der Machtübernahme des schiitischen Klerus, an dessen Spitze der besonders reaktionäre Ayatollah Khomeini stand?
Dem tatsächlichen Charakter der iranischen Revolution wird diese Betrachtung aber nicht annähernd gerecht, denn das, was im Iran zwischen August 1978 und Februar 1979 stattfand, war im Kern eine soziale Revolution. Sie richtete sich gegen das prowestliche Regime des Schah, das die arbeitende Bevölkerung ausbeutete und auf extreme Weise unterdrückte. Ein entscheidendes Moment beim Sturz des Schah war der Generalstreik. Dementsprechend spielte auch die ArbeiterInnenklasse und die durchaus nicht schwache iranische ArbeiterInnenbewegung eine wichtige Rolle in der Bewegung. Der Aufstand hatte einen widersprüchlichen, aber überwiegend fortschrittlichen Charakter, unter anderem deshalb, weil es sich um eine anti-imperialistische Bewegung in einem abhängigen Land handelte und der Ausgang in eine ähnlich reaktionäre Diktatur mit weitgehend unveränderten Klassenverhältnissen keinesfalls der einzig mögliche war.
Die Hintergründe und Ursachen, die Dynamiken und Widersprüche der iranischen Revolution beschreiben wir in unserem Text Revolution und Konterrevolution im Iran 1978-1981 (der ursprünglichen in unserem Buch Revolutionen nach 1945 (Marxismus Nr. 13) erschienen ist.
In dieser Arbeit behandeln wir die Kampfformen und Organisationen der ArbeiterInnenklasse und schließlich den konterrevolutionären Gegenschlag und den Sieg der Islamisten. Im nachfolgenden Interview mit dem Genossen Jakub Naderie, der vor, während und nach dem Sturz des Schah als revolutionärer Aktivist im Iran aktiv war, wollen wir das Verständnis der iranischen Revolution weiter vertiefen und insbesondere den Aufstand vom Februar 1979 illustrieren.
Eric Wegner: Vor 20 Jahren ist im Iran der Schah gestürzt worden. Du warst damals als politisch aktiver Jugendlicher am Aufstand in Teheran beteiligt. Ab wann habt Ihr denn damals gedacht, dass das Schah-Regime tatsächlich am Ende ist? Ab dem Zeitpunkt, wo der Schah und seine Clique geflüchtet sind [16. Jänner 1979]?
Jakub Naderie: In den linken Zirkeln im Iran war bereits drei oder vier Jahre vorher davon die Rede, dass der Iran mit einer Revolution schwanger ist. Ab 1978 [Zunahme der Massendemonstrationen, Anm. Eric Wegner] war für uns sicher, dass der Schah gestürzt werden wird. Natürlich konnte niemand den genauen Zeitpunkt bestimmen, aber ab 1978 war klar, dass es für den Schah keinen Ausweg mehr gibt.
Eric Wegner: Es wird oft berichtet, dass de facto die ganze Bevölkerung an der Bewegung beteiligt war…
Jakub Naderie: Es war natürlich nicht wirklich die ganze Bevölkerung, aber von einem marxistischen Standpunkt aus kann man sagen, dass auch große Teile der Kleinbourgeoisie – durch die Unfähigkeit des Regimes, ihnen eine Perspektive zu bieten – bei der Revolution mitgemacht haben. Getragen wurde die Revolution von der Arbeiterklasse und anderen Lohnabhängigen, zum Beispiel den Lehrern, und besonders natürlich auch von den Jugendlichen. Außer der Bourgeoisie hat schon eine überwältigende Mehrheit die Revolution unterstützt. Es haben dann ja auch viele Millionen an den Demonstrationen teilgenommen. Entscheidend war aber die Arbeiterklasse, die mit ihren großartigen Streiks die Grundlage für den Sturz des Regimes gelegt hat. Diese Streiks waren auch sehr solidarisch: Beispielsweise waren die Ölarbeiter sehr lange im Streik, und das war auch ganz wesentlich für die Revolution. Damit aber die Bevölkerung im Winter nicht frieren muss, haben sie dafür gesorgt, dass die Bevölkerung mit Heizöl versorgt wird.
Eric Wegner: Der eigentliche Aufstand in Teheran wurde am 9. Februar durch die Rebellion der Homafar [junge Techniker und Ingenieure bei der Luftwaffe, Anm. EW] ausgelöst. Welche Rolle hat das gespielt?
Jakub Naderie: Zu diesem Zeitpunkt war die Revolution schon sehr weit entwickelt: Generalstreik, Arbeiterkomitees in vielen Betrieben… Da haben sich die Homafar entschieden, dass sie nicht auf die Massen schießen wollen. Oft wird es so dargestellt, dass die Homafar einen Aufstand gemacht haben und darum die Arbeiter auch einen Aufstand gemacht haben. In Wirklichkeit war es genau umgekehrt: Demonstrationen, Streiks etc. – das war alles schon da. Die Homafar haben auf die revolutionäre Stimmung in der Arbeiterklasse und dem Großteil der Bevölkerung reagiert und sich nicht mehr der militärischen Disziplin gebeugt. Abgelaufen ist das dann so: Die Homafar waren im Südosten von Teheran stationiert. In den Arbeitervierteln haben wir die Nachricht bekommen, dass die Garde [loyale Elitetruppen des Schah, Anm. EW] ausrückt, um die Rebellion der Homafar niederzuschlagen. Ich persönlich war in der Nähe der Universität, und es haben sich dann große Massen, Arbeiter und Jugendliche, in Bewegung gesetzt, um den Homafar zu helfen. Es hat dann bewaffnete Kämpfe gegeben. Wichtig war dabei auch, dass viele Straßen durch große Eisenteile oder Betonteile und auch durch die Massen blockiert waren und sich das Militär in der Stadt nicht mehr richtig bewegen konnte. Es war dann so, dass der SAVAK [der berüchtigte Geheimdienst des Schah, Anm. EW] und das Militär durchsetzen wollten, dass der Beginn der nächtlichen Ausgangssperre vorverlegt wird. Sie wollten die Straßen „säubern“ und so die Kontrolle wieder zurückbekommen. Aber das hat nicht mehr funktioniert. Die Massen haben das nicht akzeptiert und sind einfach auf den Straßen geblieben.
Eric Wegner: Die Kämpfe haben dann ja immer mehr zugenommen. Durch den Aufstand zwischen dem 9. und dem 12. Februar ist dem Schah-Regime endgültig ein Ende gesetzt worden. Die Arbeiterklasse hat sich bewaffnet, Kasernen sind gestürmt worden. Kannst Du uns erzählen, wie das vor sich gegangen ist?
Jakub Naderie: Ja. Vor allem in Teheran und anderen größeren Städten sind fast sämtliche Kasernen gestürmt und die Waffen herausgeholt worden. Dabei hat natürlich die Haltung der Soldaten auch eine wichtige Rolle gespielt. Die sind von den Offizieren unterdrückt worden. Die meisten waren aber die Kinder der Werktätigen und waren von der Revolution beeinflusst. Wenn sie am Wochenende nach Hause gekommen sind, haben ihre Familien und Freunde immer wieder zu ihnen gesagt, dass sie nicht auf die Arbeiter und Arbeiterinnen schießen dürfen. Sie sind unter dem Druck des Geistes der Revolution gestanden. Wenn sie dann in die Kasernen zurückgekehrt sind, haben sie natürlich auch untereinander diskutiert, dass es so nicht weitergehen kann etc. Teilweise haben sich die Soldaten auch organisiert. Viele sind dann in der Phase des Aufstandes vom Militär weggelaufen, damit sie nicht gegen die Bevölkerung kämpfen müssen. Teilweise haben sie auch ihre Waffen mitgenommen. Die Soldaten haben in vielen Fällen auch vorbereitet, dass die Massen in die Kasernen hinein kommen konnten.
Eric Wegner: Du warst ja selbst auch daran beteiligt!
Jakub Naderie: Ja, bei mehreren Kasernen. Bei einer ist es sehr leicht gegangen, das war ein großes Militärdepot am Rand von Teheran, wo sehr viele Waffen für Bodentruppen eingelagert waren. Ich bin dort vorbeigekommen und habe gesehen, dass dort Soldaten ihre Waffen wegwerfen und selbst verschwinden. Da war mir klar, dass es da eine gute Möglichkeit gibt. Ich bin dort geblieben und habe andere Leute zusammengesammelt. In ein paar Minuten waren wir eine große Menge. Einige Soldaten haben das Tor geöffnet, und wir haben das Depot gestürmt. Es hat dabei schon auch einige Schießereien und einige Tote gegeben, aber es wurde nicht viel Widerstand geleistet, und das ganze war sehr schnell vorbei. Wir haben alles mitgenommen, was wir konnten: Maschinengewehre, Panzer, Militärfahrzeuge. Damit sind wird dann nach Teheran hinein gefahren.
Eine andere Kaserne, wo ich auch beim Sturm dabei war, war eine große Kaserne in Südwest-Teheran, die die Aufgabe hatte, den Militärflugplatz zu schützen. Diese Kaserne hat ein Stahltor gehabt, vier Meter hoch und sechs Meter breit, und war schwer bewaffnet. Es war schon dunkel, und man hat überall leuchtend rote Blitze von den Geschoßen gesehen. Sie haben außerdem Scheinwerfer gehabt, mit denen sie alles vor der Kaserne ausleuchten konnten. Es waren mehrere tausend Arbeiter und Jugendliche da, aber die Bewaffnung von uns Angreifern war schlecht, und nachdem wir schon viele Opfer hatten, waren die meisten dafür, wegzugehen und es am nächsten Tag vielleicht noch einmal zu versuchen. Dann gab es aber plötzlich die Nachricht, dass eine führende Genossin der Fedayin [eine linke Guerillaorganisation, Anm. EW] gekommen ist. Sie war sehr bekannt und in dieser Zeit meistens mit Motorrad und Kalaschnikow unterwegs. Ich weiß nicht, ob sie wirklich da war, aber jedenfalls hat das Gerücht, dass sie da ist, die Massen so angespornt, dass ein neuer Sturmversuch gemacht worden ist. Und diesmal haben wir es geschafft. Wahrscheinlich hat ein Soldat das Tor geöffnet. Dafür war aber sicher auch die Entschlossenheit der Angreifer wichtig, weil die Soldaten gesehen haben, dass es jetzt wirklich möglich ist zu siegen. Dadurch haben die rebellischen Elemente unter den Soldaten Mut bekommen. Es hat dann im Moment des Sturmes in der Kaserne zwei Stimmungen gegeben: Die große Mehrheit der Soldaten, viele Unteroffiziere und auch einige junge Offiziere wollten nicht auf die Masse schießen. Die Offiziere versuchten weiter, die militärische Disziplin aufrecht zu erhalten und die Soldaten zum Schießen auf die Masse zu zwingen. Sie waren aber schnell isoliert. Es hat schon auch noch in der Kaserne einige Tote gegeben, aber die schahtreuen Offiziere sind schnell überwältigt gewesen. Teilweise haben auch Soldaten den Angreifern geholfen und auf ihre Offiziere geschossen. Die Offiziere, die den Schießbefehl auf die Massen gegeben haben – nach Aussage von den Soldaten -, sind dann von den Arbeitern und Soldaten erschossen worden.
Eric Wegner: In diesen Tagen sind dann ja auch die Gefängnisse gestürmt und die politischen Gefangenen befreit worden…
Jakub Naderie: Ich selbst war beim Sturm auf das Ewin-Gefängnis [besonders verhasste, brutal geführte, von Israel und den USA errichtete Gefängnisanlage in Teheran, in der – sowohl unter dem Schah-Regime als auch später unter Khomeini – viele politische Gefangene eingekerkert und gefoltert wurden; Anm. EW] dabei. Wir waren so gegen acht oder neun Uhr in der Früh dort, Stunde für Stunde sind dann immer mehr Leute hingekommen. Das Ewin-Gefängnis liegt in Nord-Teheran, in einem Gebiet, wo reichere Leute wohnen. Normalerweise war das für die ärmeren Leute so etwas wie eine verbotene Zone. Wenn man dorthin gegangen ist, ist das vom SAVAK überprüft worden. Aber in dieser Situation, wo Millionen Menschen auf der Straße waren, war alles anders. Es haben sich vor dem Gefängnis immer mehr Leute gesammelt. Wir haben auch Waffen gehabt. Es ist aber nicht auf uns geschossen worden – das war bereits zu einem Zeitpunkt, wo die Revolution fast gesiegt hat. Die Frage war aber, wie man das Gefängnis aufmachen kann. Die Wände waren sehr hoch, auch mit viel Stacheldraht. Es gab ein schweres Stahltor. Man musste schon auch noch mit Wächtern und Maschinengewehren rechnen. Ein Arbeiter hat dann gesagt, dass er ein Schweißgerät zuhause hat und dass man damit das Tor aufmachen könnte. Es ist dann mit einem Auto das Schweißgerät geholt worden, mit einem Generator für den Strom. So haben wir das Stahltor dann auch öffnen und die politischen Gefangenen befreien können.
Da haben wir aber den Fehler gemacht, dass wir nicht dort geblieben sind, dass die Arbeiterklasse das Gefängnis nicht in der Hand behalten hat. Wir wollten daraus ja ein Museum machen. Am nächsten Tag in der Früh waren aber schon bewaffnete Khomeini-Leute dort. Die haben dann auch Arbeiter, die dorthin gekommen sind, entwaffnet.
Eric Wegner: Die Arbeiterklasse hat zwar die Revolution durchgeführt, die Macht haben dann aber die Islamisten an sich gerissen. Wie hast Du das damals eingeschätzt?
Jakub Naderie: Mitte 1978 habe ich gedacht, wir gehen jetzt schlagartig in die Richtung einer sozialistischen Revolution, wegen den verwendeten Parolen, wegen den sozialen Trägern der Revolution, wegen der ganzen Dynamik. Dass das dann anders gekommen ist, liegt ganz wesentlich an den politischen Schwächen der linken Bewegung im Iran, die auf eine sozialistische Revolution nicht vorbereitet war. Ein Beispiel: Auch in der Produktion in einer Fabrik braucht man zuerst einen Plan, wo ein bestimmtes Konzept zu Papier gebracht worden ist, das man dann umsetzen kann. Eine Revolution muß genauso vorbereitet werden, mit einem theoretischen Konzept, das man schon vor dem Aufstand haben muss. Denn die Bourgeoisie steht auch nicht still, sondern überlegt sich ihre Antworten. Der Weltkapitalismus hat das genützt, dass die iranische Arbeiterbewegung den Fehler gemacht hat, dass sie sich nie international, mit der Arbeiterbewegung der ganzen Welt, zusammengetan und zusammen weitergemacht hat. Obwohl es in dieser Zeit nicht nur im Iran revolutionäre Möglichkeiten gegeben hat, hat sich die iranische Linke ganz auf den Iran beschränkt, der Kontakt mit anderen revolutionären Bewegungen war sehr schwach. Auch die Organisationen, die sich kommunistisch genannt haben, haben kein Konzept für eine internationale sozialistische Revolution der Arbeiterklasse gehabt, sondern waren meiner Meinung nach Nationalisten und haben sich den bürgerlichen Kräften angepasst.
Durch die politische Schwäche der Linken konnten dann bereits in der zweiten Hälfte von 1978 die religiösen Parolen in der Massenbewegung stärker werden. Oder die Massen haben sich selbständig organisiert, unabhängig von den Religiösen, aber auch ohne Einfluß der Linken. Da war für mich schon spürbar, dass es für eine sozialistische Revolution nicht so gut ausschaut. Ab der Machtergreifung von Khomeini hat die Linke eigentlich verloren gehabt, weil wir keine eigene Perspektive gehabt haben. Die einen haben gesagt, das Khomeini-Regime ist anti-imperialistisch, das müssen wir unterstützen. Manche haben sogar gesagt, dass der Islam ja auch unsere Religion ist! Einige haben auch versucht, Karriere zu machen.
Für die Niederlage der Arbeiterklasse sind alle drei großen linken Bewegungen, die es damals im Iran gegeben hat, verantwortlich: die Modjahedin [links-islamistische Guerilla-Bewegung, Anm. EW], die Tudeh-Partei [de facto die iranische, auf die Sowjetunion orientierte KP; Anm. EW] und die Fedayin. Bei den Modjahedin hat sich immer mehr der religiöse Aberglaube gegenüber ihren sozialistischen Tendenzen durchgesetzt. Die Tudeh-Partei hat die Linie gehabt, dass die Khomeini-Leute Antiimperialisten sind, obwohl das Regime den Kommunisten vom ersten Tag an gesagt hat: „Wir bringen euch um!“ Khomeini hat das nicht versteckt. Er hat da ganz die Wahrheit gesagt, die haben von Anfang an keinen Frieden gemacht mit den Kommunisten, wie das die Tudeh-Partei gerne gehabt hätte. Für mich ist das ganz klar gewesen. Die Fedayin haben überhaupt kein Programm, keine klare Linie gehabt. Die haben sich darauf orientiert, dass irgendwann einmal Russland statt der Tudeh-Partei sie als Bruderpartei akzeptiert. Die Russen haben damals überhaupt stark Einfluss genommen, dass die iranische Linke das Khomeini-Regime als antiimperialistisch akzeptiert. Denen war vor allem ein gutes Verhältnis zu denen wichtig, die an der Macht waren. Die haben schon gewusst, wer die Khomeini-Leute sind, aber die Bürokraten in Russland haben nicht an die Entwicklung der sozialistischen Revolution gedacht, sondern die haben eine primitive außenpolitische Überlegung gehabt: „Solange die Amerikaner von diesem Land weg sind, heißt das, dass wir da den Fuß drinnen haben.“ Für den Verrat an der Arbeiterklasse in der iranischen Revolution sind meiner Meinung nach alle drei großen Organisationen verantwortlich.
Eric Wegner: Dein zentraler Kritikpunkt an den linken Organisation ist also – neben dem mangelnden Internationalismus -, dass sie keine eigenständige Machtperspektive für die Arbeiterklasse gehabt haben?
Jakub Naderie: Ja, das ist richtig. Die haben sich immer auf einen Teil der Bourgeoisie orientiert. Sie waren nationalistisch und nicht internationalistisch. Sie haben Lenin ganz falsch ausgelegt, sie haben gesagt: „Wir sind in der Phase des Imperialismus, wir unterstützen unseren eigenen nationalen Kapitalismus, wir müssen mit den iranischen Kapitalisten gemeinsam die Produktivkräfte verbessern, damit wir konkurrenzfähig sein können, erst dann irgendwann kommen wir zu einer sozialistischen Revolution.“ Das ist wirklich ein bürgerliches, reformistisches Konzept. In der Phase vor und während der Revolution haben höchstens einige kleine Gruppen sozialistische Parolen ausgegeben. Die großen Organisationen haben gesprochen von „Volksrepublik“ und ähnlichen komischen Dingen. Da hat man als Mitglied eigentlich gar keine Vorstellung gehabt, was das überhaupt bedeuten soll. Ich weiß nicht, ob die Führungen selbst wissen, was das sein soll. Das heißt, dass die gar nicht die Absicht gehabt haben, die Arbeiter und Arbeiterinnen zu organisieren und auszubilden, damit sie selbst die Macht übernehmen können. Wir haben es auch deshalb nicht geschafft, die Mehrheit des klassenbewussten Proletariats in den linken Organisationen zu organisieren. Für die Guerilla-Organisationen war der Klassenkampf der Werktätigen außerdem auch gar nicht das zentrale Kampfmittel. Und die Tudeh-Partei war wegen ihrer politischen Linie auch nicht in der Lage, die vielen klassenbewussten Arbeiter und Arbeiterinnen zu organisieren und zur sozialistischen Revolution zu führen. So ist die iranische Arbeiterklasse ohne revolutionäre Führung geblieben und hat dafür einen hohen Preis bezahlt.
Eric Wegner: Ich danke Dir für das Gespräch.
Jakub Naderie: Ich möchte alle Kommunisten und Kommunistinnen grüßen, die in dieser schwierigen Situation weiter gegen die Bourgeoisie kämpfen. Gemeinsam werden wir eine neue internationalistische revolutionäre Bewegung aufbauen!