„Mit der SPÖ um die Arbeitsplätze kämpfen“ plakatiert die österreichische Sozialdemokratie derzeit landauf, landab. Und es stimmt. Die LehrerInnen etwa müssen derzeit tatsächlich mit der SPÖ um ihre Arbeitsplätze kämpfen. Über Arbeitsdruck, Kampfperspektiven und die Rolle der Gewerkschaft sprachen wir mit Martin, Lehrer an einer Wiener AHS
Martin (Name von der Redaktion geändert) ist Lehrer an der AHS Theodor Kramer Straße in Wien-Donaustadt. Mit rund 120 LehrerInnen gehört sie zu den großen AHS in Wien, die politische Stimmung wird von linksliberalen und sozialdemokratischen Kräften unter der KollegInnenschaft bestimmt. Im Gespräch mit Michael Mlady von der Betriebsgruppe der RSO erzählt Martin von der Arbeitssituation der LehrerInnen, von seinem Stolz auf streikende SchülerInnen und von seinen marxistischen Überzeugungen.
Martin, worum geht es beim derzeitigen Arbeitskampf?
Nun, es ist ja allgemein bekannt, dass Unterrichtsministerin Schmied will, dass die LehrerInnen künftig zwei Stunden länger in der Klasse stehen müssen. Dadurch wird die Arbeit außerhalb der Klasse aber nicht weniger, im Gegenteil, es muss dann natürlich noch mehr vorbereitet werden. Es geht also um unbezahlte Mehrarbeit im Ausmaß von mindestens 10% der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn.
Wie ist die Stimmung unter den KollegInnen?
Die KollegInnen sind überraschend kampfbereit. In unserer Dienststellenversammlung haben sich rund 90% für Kampfmaßnahmen ausgesprochen. Es gibt eine relativ einhellige Ablehnung der Pläne von Ministerin Schmied. Viele KollegInnen sind empört. Es gibt aber auch Frustration, vor allem über die mediale Begleitmusik. Es vergeht kaum ein Tag, wo nicht in einem Medium großformatig über die LehrerInnen hergezogen wird.
Wie sieht die derzeitige Arbeitsbelastung der LehrerInnen aus?
Nun, wir sollten die Quantität und die Qualität der Arbeit trennen. Unterricht zu halten ist sehr anstrengend und daneben gibt es vielfältige pädagogische und soziale Probleme, für die wir unzulänglich ausgebildet sind, wo wir aber dennoch einspringen müssen, weil es kaum SchulpsychologInnen oder SchulsozialarbeiterInnen gibt. Es ist die Frage, was wir wollen. Natürlich könnte ich mehr in der Klasse stehen, doch nur, wenn ich weniger vorbereite. Es würde also die Qualität des Unterrichts leiden und das wiederum ginge voll auf Kosten der SchülerInnen.
In den Medien wird jetzt viel über die Probleme für die Eltern gesprochen, wenn die LehrerInnen streiken. Was denkst Du dazu?
Das Problem von Streiks ist oft, dass sie auch Unbeteiligte treffen. Wenn etwa im Flugbereich gestreikt wird, trifft es nicht nur die Airline, sondern auch TouristInnen. Die aktuellen Angriffe bedeuten aber vor allem auch Angriffe auf die Qualität des Unterrichts. Es ist sicher für viele schwierig, Kinderbetreuung während eines Streiks zu organisieren. Aber langfristig wird es viel schwieriger, wenn die LehrerInnen den Kampf verlieren und der Unterricht schlechter wird.
Die LehrerInnen könnten hier aber mehr Verständnis erwarten, wenn sie nicht standesborniert nur die eigenen Interessen vertreten. Es ist ein Angriff auf eine Berufsgruppe, doch im Kern geht es darum, dass wir alle mehr für weniger Geld arbeiten. Es wäre wichtig, wenn die LehrerInnen aktiv ihre Solidarität mit anderen zeigen, die von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind.
Welche Rolle spielt die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) im aktuellen Konflikt?
Die Gewerkschaften sind ja normalerweise SPÖ-dominiert. Die GÖD mit ihrer LehrerInnensektion ist die einzige ÖVP-dominierte Gewerkschaft in Österreich, ihr Vorsitzender Neugebauer ist VP-Abgeordneter. Das spiegelt sich natürlich wieder. So blockiert die GÖD die Schulreform und die Gesamtschule. Die GÖD hat derzeit ziemlichen Druck durch die Basis und es gibt eine „rote“ Unterrichtsministerin, deshalb wird mobilisiert. Aber es werden außerhalb des öffentlichen Dienstes keine Allianzen gesucht, mit den proletarischen Betroffenen der Krise will die GÖD nicht anstreifen.
Was denkst Du, wird nun im aktuellen Konflikt passieren?
Es wird irgendeinen Kompromiss geben, wo die GÖD Verschlechterungen zustimmt. Ob es die Großdemo am Donnerstag gibt, ist noch ungewiss, es kann durchaus sein, dass die GÖD sie noch abbläst. Falls sie stattfindet, wäre das jedenfalls eine neue Qualität. Was schlussendlich rauskommt, ist ungewiss, aber die zwei Stunden Mehrarbeit wird es sicher nicht geben.
Uns scheint, dass eine Ausweitung des Kampfes sehr wichtig wäre. Denkst Du, dass das realistisch ist?
Es wäre wichtig und richtig. Der ÖGB ist aber derzeit nicht dahinter. Sehr gut und begrüßenswert finde ich die Streiks der SchülerInnen, auch bei uns in der Schule haben einige SchülerInnen gestreikt. Die linkeren KollegInnen unterstützen das alle und finden das super.
Und was wäre nötig, um den Kampf tatsächlich zu gewinnen?
Es würde vor allem Strukturen unabhängig von der Spitze der GÖD benötigen. Im letzten Konflikt gab es in Wien mit dem „Aktionskomitee Henriettenplatz“ eine Struktur zur Vernetzung linker und fortschrittlicher KollegInnen. So etwas wäre sehr wichtig, denn auf die GÖD-Spitze ist sicher kein Verlass.
Was für eine Schule würdest Du Dir wünschen?
Nun, ich möchte nur einige Eckpunkte in Stichwortform aufzählen: Gesamtschule, Ganztagsschule, ein massiver Ausbau des sozialen Bereichs, Abschaffung der Noten, Senkung der KlassenschülerInnenzahlen, Teamteaching. So könnten wir auch jene SchülerInnen mitnehmen, die in diesem Schulsystem durchfallen.
Kannst Du uns zum Abschluss sagen, wie Du selbst Dich politisch definieren würdest?
Ich sehe die Notwendigkeit einer Gesellschaft jenseits des Kapitalismus, in der die Arbeitenden ihre Angelegenheiten selbst bestimmen anstatt von sogenannten Führungskräften und dem Kapital ausgebeutet zu werden. Ich sehe mich als Marxisten und revolutionären Kommunisten!
Wir danken Dir für das Gespräch und wünschen Dir und allen KollegInnen viel Erfolg!