Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst hat sich mit der Regierung auf einen mehr als faulen Kompromiss verständigt. Die für Donnerstag geplante Großdemonstration der LehrerInnen wurde abgesagt. Wir analysieren die Ergebnisse der Verhandlungen…
Pflichtschullehrervertreter Walter Riegler (ÖVP) meinte in einem Kommentar gegenüber Unterrichtsministerin Schmied: ""Ich glaube, wir können beide zufrieden sein." Nun, für Herrn Riegler mag das stimmen, doch für die KollegInnen bedeutet dieses Ergebnis deutliche Verluste.
Länger arbeiten zum gleichen Lohn
Was beinhaltet das Paket im Einzelnen an Verschlechterungen? Der größte Hammer ist zweifellos der Verzicht auf die schulautonomen Tage. Insgesamt ist das eine volle Woche Unterricht mehr oder bei umgekehrter Sichtweise der Wegfall von fünf bzw. sechs freien Tagen, der noch dazu budgetär keinen Cent bringt. Es handelt sich hier um ein reines Opfer, damit die Regierung sagen kann, dass sie eine Arbeitszeiterhöhung durchgesetzt.
Noch dazu wird dieses Abkommen auf Kosten der SchülerInnen abgeschlossen, die somit entsprechend Ferientage verlieren. Das trägt sicher nicht dazu bei, die Solidarität und das Verständnis der SchülerInnen für den Arbeitskampf der LehrerInnen zu erhöhen.
Weiters werden die Gratis-Supplierstunden von 10 auf 20 im Jahr erhöht, die Dauer-Überstunden-Berechnung wird künftig mit 1,3% (statt bisher 1,432%) verrechnet und die Prüfungstaxen und andere Zuschläge werden reduziert bzw. abgeschafft – so wird etwa die Bildungszulage von 7,3 Euro im Monat abgeschafft und die Zuschläge für den Abendunterricht werden verschlechtert. Laut der Zeitung "Österreich" bedeuten die Einsparungen ein Minus von 40 Euro im Monat oder 560 Euro im Jahr für eine/n durchschnittliche/n LehrerIn. Dabei sind aber die Tage, die zusätzlich gratis gearbeitet werden, noch nicht eingerechnet. Insgesamt werden damit laut der linksliberal/grünen Gewerkschaftsfraktion ÖLI-UG allein von September 2009 bis Dezember 2010 ca. 182,5 Millionen Euro auf dem Rücken der Beschäftigten eingespart.
Ein weiterer Brocken, der die LehrerInnen nicht unmittelbar finanziell trifft, aber sich mittelbar für SchülerInnen und LehrerInnen sehr negativ auswirken wird, ist das Verschieben von Bauprojekten im Wert von knapp 100 Millionen Euro.
Auf der anderen Seite hat sich Schmid mit ihren Vorschlag von zwei Stunden nicht durchsetzen können. Weiters stehen ein Altersteilzeitmodell und ein Überstunden-Zeitkonto für KollegInnen (womit ein früherer effektiver Pensionsantritt möglich ist), leichte Verbesserungen bei den Dienstverträgen und der Wegfall der Kündigungsdrohung für JunglehrerInnen auf der Haben-Seite. Und auch die Regierung musste finanziell ein wenig nachlassen und hat 240 Millionen durch Umschichtungen eingebracht (indem dem Unterrichtsministerium Mieten gestundet werden).
KollegInnen betrogen!
Die Stimmung unter den KollegInnen war im Vorfeld sehr kämpferisch. Das bestätigen Berichte aus verschiedensten Schulen und von einer großen Anzahl von Dienststellenversammlungen. Eine Kollegin und Sympathisantin der RSO berichtete uns, dass in ihrer Dienststelle, die aus mehreren Wiener Hauptschulen besteht, so viele KollegInnen wie nie zuvor in den letzten 20 Jahren zur Versammlung kamen, die KollegInnen fast vollständig versammelt waren.
Interessant ist, dass allein mit der Streikdrohung ein Wegfall der Zwei-Stunden-Bedrohung und eine Umschichtung von 240 Millionen Euro im Budget möglich geworden ist – was wäre erst möglich gewesen, wenn die KollegInnen tatsächlich gestreikt hätten und massenhaft auf die Straße gegangen wären? Insgesamt jedenfalls ist dieses Ergebnis trotz der Verbesserungen gegenüber den ursprünglichen Angriffen eine Verbesserung – doch eine Niederlage bleibt dieses Übereinkommen trotzdem.
Dass die VP-dominierte GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) und die sozialdemokratische FSG (Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen) dem Pakt zugestimmt haben, ist keine Überraschung. Die VP-Fraktion FCG (Fraktion christlicher Gewerkschafter) ist eine bornierte Standesvertretung, die nun etwa kein Problem damit hat, den Kompromiss mit der Regierung auf dem Rücken der SchülerInnen auszutragen und sich auch in gesellschaftspolitischen Fragen (Stichwort Gesamtschule) reaktionären Schulmodellen verantwortlich fühlt. Die FSG als ihr Juniorpartner steht ihr in Punkto bürokratischer Verhaltensmuster und Standesborniertheit um wenig nach und hat nun brav mitgestimmt. Überraschend und beschämend aber, dass auch die linksoppositionelle und grün-nahe ÖLI-UG (Österreichische LehrerInneninitiative / Unabhängige GewerkschafterInnen) sich auf diesen faulen Kompromiss eingelassen und zugestimmt hat.
Eine demokratische Mindestforderung müsste nun sein, dass es eine Urabstimmung über diesen Vorschlag gibt und die KollegInnen selbst entscheiden können, ob sie diesen Verschlechterungen zustimmen. Martin, Lehrer an der Wiener AHS Theodor-Kramer-Straße sprach in einem Interview mit sozialismus.net davon, dass die KollegInnen sich unabhängig von der Gewerkschaftsspitze organisieren müssten. Das ist nun notwendiger denn je!
Siehe dazu auch unsere Position zum Konflikt in einem Artikel von Anfang März.