Der schweizerische Steuerbetrug im grossen Stil soll nun also schwieriger werden. Dass sich der Streit um die Steuergelder reicher Ausländer in den letzten Monaten so zugespitzt hatte, ist eine logische Folge der globalen Finanzkrise.
Die grossen Industrienationen können es sich schlicht nicht mehr leisten, dass ihnen Milliarden entgehen, weil ein Land wie die Schweiz einen Sonderzug fährt und Steuerhinterziehung von Steuerbetrug unterscheidet. Die Ankündigung der Schweiz Mitte März, die Richtlinien der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) zu übernehmen, ist eine logische Folge eines zunehmenden Drucks auf den Finanzplatz Schweiz. Dass sich die schweizerischen FinanzkapitalistInnen dagegen erwehren können, glaubten am Schluss nur noch wenige unbelehrbare PatriotInnen. Bundespräsident Merz musste ankündigen, dass die Schweiz „Informationsaustausch auf Anfrage“ leisten will. Das bedeutet, dass die Schweiz endlich auch bei Steuerhinterziehung Amtshilfe leisten wird.
Der absolute Schutz von SteuerhinterzieherInnen ist damit Geschichte. Vorbei die Zeiten, als Banken ihren ausländischen KundInnen versprechen konnten, ihre Vermögen vor den Steuerbehörden zu verstecken, wie dies bei der UBS geschah und weswegen die Bank im Februar dieses Jahres 780 Milliarden Bussgeld an die amerikanische Steuerbehörde bezahlen musste.
Wie schnell sich doch die Dinge ändern können. Noch vor nicht so langer Zeit sagte Herr Merz: „Der Steuerwettbewerb schützt die Bürger vor übermässigem Steuerappetit der Regierungen“. Noch pointierter drückte sich Hans Dieter Vontobel (Vontobel-Gruppe) aus, als er sagte: „Für mich ist es in höchstem Masse moralisch vertretbar, Vermögenswerte von fiskalisch Verfolgten vor dem Zugriff der Behörden zu schützen. Wer mehr als 50% seiner rechtmässig erworbenen Einkünfte für Steuern und Abgaben bezahlen muss, ist faktisch ein Steuersklave und bedarf besonderer Anteilnahme und Hilfe“. Woher dieses Selbstverständnis für eine Politik, welche anderen Ländern massiv schadet? Ein Blick zurück.
Woher kommt das Bankgeheimnis?
Üblicherweise wird der Ursprung des Bankgeheimnisses in die dreissiger Jahre gesetzt. 1934 wurde es gesetzlich verankert. Damals wurde der ruhmreiche Mythos kreiert, man schütze mit dem Bankgeheimnis jüdische Vermögen vor den Nazis. Ja, dass es genau für diesen Zweck geschaffen worden sei. Wahr ist, dass bereits während des ersten Weltkrieges enorm viel Geld in die neutrale Schweiz transferiert wurde.
1920 lagen über dreissig Milliarden Franken auf Schweizer Bankkonten. Dies entsprach drei Viertel des Volksvermögens. Heute liegt rund ein Drittel des weltweiten Vermögens, welches ausserhalb des Heimatlandes angelegt ist, in der Schweiz! Jean-Marie Musy, seinerseits schweizerischer Finanzminister in den Zwanzigerjahren, machte das Bankgeheimnis politisch salonfähig. Auf seine Initiative hin wurde das Bankgeheimnis 1934 gesetzlich verankert. Musy hat einen höchst zweifelhaften Ruf. Nach seinem Rücktritt unterhielt er eine enge Freundschaft mit dem Reichsführer Heinrich Himmler. Die beiden trafen sich regelmässig. Die eidgenössische Bankenvereinigung erwähnt seinen Namen nur sehr ungern. Ein Nazifreund passt nicht so recht zum Image international tätiger Banken.
Dass das Bankgeheimnis in der Schweiz die heiligste aller Kühe ist, bekamen in den Achtzigerjahren auch die SoziademokratInnen zu spüren: Ihre Initiative, die das Bankgeheimnis faktisch abgeschafft hätte, wurde mit über 70% der Stimmen abgelehnt. Das Thema wurde fortan von der SP zum politischen Tabu erklärt.
Lockruf für das internationale Kapital
Diese politische Stimmung wusste die Schweizer Bourgeoisie zu nutzen. Jahrzehntelang wurden mit einer im internationalen Vergleich extrem tiefen Steuerbelastung Superreiche und Grossfirmen angelockt. Immer wenn sich Widerstand gegen das Bankgeheimnis bildete, wurde die Arbeitsplatzkeule geschwungen und die Angst vor dem allmächtigen Steuervogt geschürt. Schliesslich ist der Finanzplatz Schweiz extrem stark mit der bürgerlichen Politik verflochten.
Einige Beispiele gefällig? Herr Ospel hat als damaliger Konzernchef der UBS sowohl Herrn Blocher (selber ehemaliger UBS Verwaltungsrat) als auch Hans Rudolf Merz (ebenfalls ehemaliger UBS Mitarbeiter) als Bundesrat empfohlen. Was mag wohl der Gegendeal gewesen sein? Eugen Haltiner, heute Direktor der Finanzaufsicht, arbeitete über dreissig Jahre bei der UBS. Er wurde von Bundesrat Merz in das Amt gehoben. Haltiners Nähe zur UBS, die er eigentlich kontrollieren sollte, ist bezeichnend für den Schweizer Finanzplatz. Und zuoberst Hans Rudolf Merz: Der Bundespräsident und Finanzminister steht für eine neoliberale Steuerpolitik, welche die Schweiz als Ort des Dumpings gegen andere kapitalistische Länder festigen soll!
Die Systematik bleibt – bis wir sie verändern!
Natürlich begrüssen wir, dass der absolute Schutz für SteuerhinterzieherInnen auf dem Finanzplatz Schweiz nun vorbei ist. Doch solange dieses System besteht, werden neue Schlupflöcher gefunden werden. Ja, die internationale Stimmung gegen Steueroasen hat sich verschärft, und die KapitalistInnen müssen darauf reagieren, um grössere Klassenkämpfe zu verhindern. Doch das wird sich nicht ewig halten. Der Kapitalismus kann sich unter bestimmten Bedingungen auch wieder erholen und die Wogen werden sich glätten.
Die Schweiz spielt derweil weiter auf Zeit und will den Informationsaustausch erst nach Neuverhandlung über die Doppelbesteuerungsabkommen gewähren. Diese Tröpfchenpolitik ist in hohem Mass verabscheuungswürdig! Wir fordern die vollständige Offenlegung aller Geschäftsbücher, die komplette Abschaffung nicht nur des Bankgeheimnisses, sondern des Geschäftsgeheimnisses überhaupt. Weiter müssen die Banken unter die Kontrolle der Beschäftigten und der Arbeiterklasse insgesamt gebracht werden. Wir sind für die Schaffung eines öffentlich-demokratischen Kreditwesens um sozial und ökologisch sinnvolle Investitionen zu fördern. Das Steuerfluchtkapital gehört enteignet und den jeweiligen Ländern zurückbezahlt! Wir sind uns vollends bewusst, dass diese Forderungen den kapitalistischen Rahmen sprengen. Sie sind in diesem System nicht erfüllbar und die Kapitalistenklasse hat absolut kein Interesse daran!
Die weltweite Finanzkrise zeigt überdeutlich, dass das herrschende System weniger denn je in der Lage ist, die Bedürfnisse der Mehrheit der Menschen zu befriedigen. Die Krise, welche nur durch den Kapitalismus geschaffen wurde und immer wieder aufs Neue geschaffen wird, frisst die Notreserven der Staaten auf, Regierungen versuchen mit immensen Summen Banken und Grossfirmen vor dem Untergang zu retten.
Der Steuerstreit ist die logische Folge davon, dass den grossen Industrienationen das Geld in den Kassen langsam ausgeht. Nur durch antikapitalistische Massnahmen kann dieser Kreislauf der immer wiederkehrenden Krisen durchbrochen werden. Nur der Sozialismus bietet der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung eine Perspektive hin zu einer Gesellschaft welche für den Menschen, statt für den Profit existiert. Weltweite proletarische Solidarität ist der Schlüssel zu einer Überwindung der Missstände, welche der Kapitalismus täglich produziert und worunter die Mehrheit der Menschen leidet.