„Mittendrin im Leben“ bewirbt die Telekom Austria auf ihrer Homepage ihr Unternehmen. Wenn aber KollegInnen etwas von diesem Leben abbekommen wollen, bekommen sie stattdessen den blauen Brief. Ein Interview mit Peter Mayerhofer (*), Mitarbeiter der Telekom Austria, der nach Protesten gefeuert wurde.
Peter, kannst Du uns zu Beginn etwas über die Struktur Deines Standortes erzählen?
Gern! Ich habe am Standort Wien-Berggasse gearbeitet. Der Standort ist im Wesentlichen ein großes Call-Center mit ca. 150 KollegInnen und betreut die Festnetz-Entstörung, die Bankomat-Entstörung und das Callcenter fürs Internet.
Wie ist die Belegschaft zusammengesetzt?
Das ist sehr absurd, denn es gibt eigentlich fünf Arbeitgeber bzw. Strukturen. Die Telekom least ca. 120 KollegInnen von drei verschiedenen Leiharbeitsfirmen, dazu gibt es ca. 10 Angestellte der Telekom Austria und ca. 20 KollegInnen mit BeamtInnenstatus.
Die Fluktuation ist unter den KollegInnen der Leihfirmen hoch, die durchschnittliche Verweildauer ist ca. ein Jahr, da sind aber schon einige KollegInnen reingerechnet, die seit fast zwanzig Jahren dabei sind. Real sind von 10 KollegInnen nach einem Jahr noch zwei oder drei da.
Es gibt auch kein Interesse, Leute zu halten, oder auszubilden. Es ist austauschbares Call-Center-Fußvolk. Das bedeutet aber leider auch, dass es sehr schwer ist, eine einheitliche Belegschaft herauszubilden oder Protest gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu organisieren.
Kannst Du ein wenig mehr über diese Arbeitsbedingungen erzählen?
Es gibt eine Vielzahl von Problemen. Es beginnt damit, dass es ein so genanntes „Desksharing“ gibt, Du also keinen eigenen Arbeitsplatz hast, sondern diesen teilst, auch wenn Du 40 Stunden arbeitest. Das ist in einem Schichtbetrieb wohl anders schwer lösbar, aber der Witz ist, dass Du eigentlich pünktlich zu Arbeitsbeginn an einem Arbeitsplatz sitzen musst. Du sollst also bereits früher kommen und in Deiner Freizeit durchs Callcenter gehen, schauen, wo ein Platz frei ist, wo der Rechner überhaupt funktioniert, …
Sehr unbeliebt ist das Arbeitseinteilungsprogramm InVision. Es funktioniert im Sinne der MitarbeiterInnen oft überhaupt nicht. Aber die Telekom hat es teuer von ihrer Tochter Mobilkom gekauft, also muss es auch verwendet werden. Es soll dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze optimal nach der Anruffrequenz ausgelastet werden. In der Praxis bedeutet das, dass die Arbeitstage komplett zerstückelt werden und teils auch absurde Belastungen herauskommen. So kann es vorkommen, dass KollegInnen 10 Tage am Stück und 75 Stunden hintereinander arbeiten müssen. Das Dienstrad ist auch jede Woche anders, so dass es überhaupt nicht möglich ist, sich darauf einzustellen. Viel besser wäre natürlich ein fixer Schichtdienst den es früher auch gab.
Schlussendlich wird auch noch bei der Lohnabrechnung beschissen. Als wir drauf gekommen sind, dass die Leihfirma uns bei den Urlaubsgeldern betrügt, haben wir angerufen, es wurde sofort geändert. Die wussten genau, wovon wir sprechen, haben das ganz bewusst gemacht.
Es gibt auch ein ganz brutales Entlassungsprinzip: sie müssen Dich nicht feuern, sie kündigen einfach per sofort den Dich betreffenden Kontrakt mit der Leiharbeitsfirma, nach der Entlassung musst Du sofort die Firma verlassen, darfst nicht mal mehr zurück an Deinen Arbeitsplatz.
Wie ist denn der Umgang mit den KundInnen?
Die Arbeit ist sehr anstrengend, weil Du in einer Beschwerde-Hotline natürlich dauernd mit entnervten KundInnen konfrontiert bist. Die Leute haben oft Recht. Du musst aber nach Betriebsanleitung oft Dinge rechtfertigen, wo der Betrieb in Wirklichkeit einfach Mist gebaut hat. Auch wenn Du drauf kommst, dass KundInnen einen für sie ungünstigen und teuren Tarif haben, darfst Du sie offiziell darauf nicht aufmerksam machen. Die Regel lautet: „Upgrade“: Ja, „Downgrade“: Nein.
Es wird auch nicht honoriert, wenn Du KundInnen helfen willst, im Gegenteil. Denn es gibt eine kostenfreie 0800er-Nummer. Wenn die Leute ein größeres Problem haben, sollst Du sie an die kostenpflichtige 0900er-Nummer verweisen, obwohl Du ihnen helfen könntest. So macht der Betrieb ein nettes Körberlgeld. Teils ist das auch den KundInnen gegenüber eine Frechheit, weil immer wieder sehr unqualifizierte, weil schlecht ausgebildete KollegInnen an der 0900er Nummer sitzen und die KundInnen dann für schlechte Auskünfte blechen. Die Ausbildung liegt überhaupt im Argen. Früher gab es eine Woche Ausbildung, jetzt sind es gerade mal 2-3 Tage. Die Ausbildung wird so also aufs Team abgewälzt. Am Ende verlieren die KundInnen genauso wie die MitarbeiterInnen.
Wie ist das Verhältnis der KollegInnen untereinander?
Es gibt eine große Kluft zwischen den Fixangestellten, die zumeist Führungskräfte sind, den BeamtInnen und den LeiharbeiterInnen. Die Bosse stehen auf der anderen Seite, klar. Aber auch zwischen den beamteten KollegInnen und den LeiharbeiterInnen gibt es Reibereien. Es ist gut, dass die beamteten KollegInnen bessere Arbeitsbedingungen haben. Nur leider müssen die LeiharbeiterInnen die Arbeit mit übernehmen, die sie liegenlassen, was natürlich Schwierigkeiten macht. Das sind so Spielchen, wo letztlich nur die Bosse durch die Spaltung profitieren.
Die ÖVP-Gewerkschafsfraktion FCG macht diese Spaltung ganz offen. So ging ein Mail an alle KollegInnen, also auch an die LeiharbeiterInnen, wo gefordert wurde, doch zuerst mal die LeiharbeiterInnen rauszuwerfen, wenn Jobabbau notwendig ist. Die Stimmung der KollegInnen war entsprechend wütend. Weitere Entsolidarisierung mit den beamteten KollegInnen war die Folge.
Welche Rolle spielen denn die BetriebsrätInnen überhaupt?
In meiner Leiharbeitsfirma gibt es gar keinen Betriebsrat. Bei Manpower gab es einen kämpferischen Kollegen. Aber die BRs der Leiharbeitsfirmen haben ja immer das Problem, dass sie für zig Betriebe mit ganz unterschiedlichen Arbeitsbedingungen zuständig sind und dort wiederum mit den BRs vor Ort zusammenarbeiten sollten. Das ist natürlich absurd und es wäre viel logischer, wenn die BRs der jeweiligen Betriebe die LeiharbeiterInnen mitbetreuen würden.
Offiziell sagt der TA-BR auch, dass alle KollegInnen gleich behandelt werden. Das wurde teils auch so gehandhabt, aber real haben wir die BRs ohnehin kaum gesehen und wenn es hart auf hart ging, hat die sozialdemokratische Mehrheitsfraktion, die FSG, sich dann doch vor allem für die direkt bei der TA beschäftigten KollegInnen eingesetzt.
Die FSG spielte überhaupt eine seltsame Rolle. Wenn Du im Betrieb offen rassistische Witze gehört hast, dann waren es meist die FSG-BetriebsrätInnen. Ein FSG-Betriebsrat sandte sogar über den Mailverteiler rassistische „Witz“-Mails an alle KollegInnen. Gleichzeitig war dieser Betriebsrat auch Teamleiter. Eine Kollegin kam mit ihm überhaupt nicht zurecht und hat begonnen, sich mit ihm anzulegen. Einen Monat später wurde sie gekündigt. Wegen „Privatgesprächen“ über die Telefonanlage. Das haben alle gemacht, bei ihr war es aber auf einmal ein Problem.
Und die Gewerkschaft?
Nun, ich kann mich gut daran erinnern, als wir mal von der Gewerkschaft ein Mail bekamen, wo als „äußerstes Mittel“ eine zweistündige Betriebsversammlung angekündigt wurde. Ich glaube ja, das äußerste Mittel fängt mit „S“ an und hört mit „treik“ auf.
Wir wussten damals nicht, ob wir lachen oder weinen sollen. Jedenfalls steht das stellvertretend sehr gut für den Umgang der Gewerkschaft. Der Vorsitzende Fritz ist immer sehr kämpferisch in den Medien, aber am Schluss haben die sich in den letzten Jahren permanent auf wirklich üble Verschlechterungen eingelassen.
Wie kam es nun zu Deiner Entlassung?
Nun, ich habe immer öfter kritisiert, auch öffentlich bei Roadshows und im Gespräch mit Vorgesetzten. Ich bekam dann schnell den Stempel „illoyaler Mitarbeiter“, mir wurde auch offen gesagt, dass ich einen „schlechten Einfluss“ hätte – was ich durchaus für ein Kompliment halte.
Konkret waren dann zwei Ereignisse ausschlaggebend: erstens haben wir anlässlich der Kollektivvertragsverhandlungen eine kleine Gruppe gebildet und sind öffentlich aufgetreten, haben Flugblätter an die KollegInnen verteilt. Zweitens haben wir eine Unterschriftensammlung gegen die Dienstpläne gestartet und ein Komitee gebildet. Die Leitung hat dann sofort einige KollegInnen eingekauft, indem sie ihnen Sondervereinbarungen angeboten hat. Wir konnten dann den Protest nicht aufrechterhalten.
Ein paar Monate später wurde ich dann unter Vorwänden wie „zu-spät-kommen“ entlassen. Aber das machen sie immer so. Es stört nicht, so lange Du funktionierst. Wenn sie Personen los werden wollen oder gerade Personal abbauen müssen, kommen dann solche Argumente.
Wo stehst Du selbst heute politisch?
Ich denke der Protest hat sich gelohnt. Die Erfahrungen die ich dabei gemacht habe, waren wichtig. Weltanschaulich würde ich mich als Kommunist bezeichnen.
Vielen Dank für das Gespräch!
(*) Peter Mayerhofer ist ein Pseudonym, der Name wurde von der Redaktion geändert.