Die Arbeitsbedingungen am Bau sind hart, die Sicherheitsmaßnahmen sind ungenügend und sogar das Klopapier muss selbst mitgenommen werden. Doch es gibt Kollegen, denen es reicht. Wir führten ein Interview mit Florian Kostic, Bauarbeiter in Wien.
Florian, kannst Du uns zu Beginn etwas über die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle erzählen?
Gern! Als erstes fallen mir da die mangelhaften Sicherheitsmaßnahmen ein. So wird etwa die Helmpflicht nicht eingehalten, es gibt keine Handschuhe, keine Sicherheitsschuhe und keinen Gehörschutz. Meine Sicherheitsschuhe musste ich mir selbst kaufen, nachdem ich bereits drei Nägel in meinen „normalen“ Schuhen hatte, die meine Fußsohlen ein wenig gekitzelt haben.
Es gibt auch keine Staubmasken, was wirklich übel ist. Wenn ich mich schnäuze, kommt oft schwarzer Schleim, ich habe auch hin und wieder Nasenbluten, weil die Schleimhäute vom Staub so gereizt sind. Was dieser viele Staub in der Lunge gesundheitlich auf lange Zeit bedeutet, muss ich wohl nicht weiter erklären – kein Wunder, dass die Lebenserwartung am Bau sehr niedrig ist.
Die Gerüste werden oft sehr ungenügend gesichert, oft sind das einfach lose Bretter in 20 Meter Höhe, auf denen wir rumtanzen. Da wird wirklich übel gepfuscht. Von Klettergurten oder ähnlichen notwendigen Sicherungen reden wir jetzt mal gar nicht.
Alle Kollegen haben große Probleme im Bewegungsapparat. Knie und Rücken sind kaputt. Es ist zwar nett, dass es eine Verbesserung bei den Zementsäcken gab, die nur mehr 25 Kilo schwer sein dürfen. Doch wenn die Säcke mit dem Putz weiter 40 Kilo haben, ist der Rücken trotzdem gefährdet. Und solche Säcke können dann auch nur aus dem Kreuz ausgeleert werden, nicht aus der Hüfte, wie es eigentlich richtig wäre.
Es gibt auch kaum Tage ohne Verletzungen. Es gibt genug Kollegen, denen ein oder mehrere Finger fehlen. Kein Wunder, ich selbst sollte zum Beispiel gleich am Beginn meiner Arbeit ohne Einschulung an die große Kreissäge. Ich habe mich dann geweigert, das zu machen.
Es gibt auch regelmäßig Tote, wovon in den Medien nichts zu lesen ist – tote Bauarbeiter sind offenbar nicht aufregend genug. Auf einer großen Baustelle gibt es im Lauf eines Bauprojekts oft drei bis vier tote Kollegen.
Gibt es keine Sicherheitsüberprüfungen?
Doch, doch, es gibt eine regelmäßige unangekündigte Sicherheitsüberprüfung durch das Arbeitsinspektorat – jeden zweiten Donnerstag um 12h. Und nachdem alle wissen, wann die Überprüfungen stattfinden, werden eine halbe Stunde davor die Helme rausgeholt und die Absperrungen ordnungsgemäß eingerichtet. Der Bauleiter geht vorher, die Scherereien, wenn etwas beanstandet wird, hat der Vorarbeiter.
Wie sind denn die Arbeitszeiten?
Bau ist ja eine Saisonarbeit, im Winter gehen die meisten Kollegen in die Arbeitslose. Das ist für die Leute teilweise ganz in Ordnung, weil sie ihr Leben so organisiert haben. Die, die nicht aus Österreich kommen, fahren dann meistens nach Hause zur Familie. Aber ein Problem ist natürlich, dass im Winter dann entsprechend weniger Geld da ist.
Am Bau selbst beginne ich um 6 in der Früh und bin um 16h draußen, dazwischen gibt es insgesamt eine Stunde Pause – jede zweite Woche ist kurz, also Freitag frei. Nach der Arbeit bin ich oft so fertig, dass gerade noch duschen, essen und schlafen drin ist. Es gibt einfach zu wenig Zeit, um zu regenerieren. Auf der Baustelle herrscht permanenter Druck, Du musst immer etwas zu tun haben. Es ist nicht erlaubt, sich mal hinzusetzen, SMS oder telefonieren ist ebenfalls nicht gestattet, ja es ist sogar verboten, die Hände hinter dem Rücken verschränkt zu haben. Wenn Du eine Trinkpause brauchst, solltest Du besser nicht gesehen werden, der Bauleiter steht immer mit der Peitsche hinter uns.
Einzige Möglichkeit, mal auszuruhen sind Rauchpausen, wenn Du das Glück hast, dass der Vorarbeiter raucht – oder der Gang aufs Klo. Teilweise sind das so Container, die wären ganz o.k., wenn sie nicht übervoll sind. Teilweise sind es auch wirklich ekelerregende Klos, komplett verdreckt, fließendes Wasser gibt es ebenfalls nicht, nur einen Kübel mit Wasser zum Runterspülen. Klopapier gibt es ebenfalls nicht, das musst Du selbst mitnehmen. Das Wasser ist auch ein Problem beim Trinken, die Leitungen sind teils so ekelhaft, dass niemand dort Wasser trinken möchte.
Wie ist denn überhaupt die Versorgung mit Essen?
Das ist wirklich ein Problem. Die Arbeit am Bau ist wirklich schwere körperliche Arbeit. Viele Kollegen klagen, weil sie jeden Tag wirklich viel Geld im Supermarkt liegen lassen müssen, einfach um genug Kraft zu haben, um fit genug für den Job zu sein. Und auch das Mineralwasser geht auf Dauer ins Geld, wenn Du mehrere Flaschen täglich brauchst.
Und wie gehen die Kollegen miteinander um?
Es gibt eine klare Hierarchie, wo an der Spitze die österreichischen Kollegen stehen. Selbst frisch beginnende österreichische Hilfsarbeiter sind besser angesehen als sehr qualifizierte Kollegen, die nicht aus Österreich stammen.
Viele Kollegen sind sehr rassistisch. Auch die Kollegen, die nicht aus Österreich sind, haben oft rassistische Vorurteile gegen über Kollegen aus anderen Ländern. Wenn Du dann nachfragst, sind es vor allem Ängste vor Jobverlust und sozialem Abstieg. Diese Ängste sind nicht unberechtigt, denn am Bau setzen die Bosse Kollegen aus anderen Ländern tatsächlich massiv als Lohndrücker ein. Doch wäre es dann Aufgabe der Gewerkschaft, diesen Unmut auch gegen die Bosse zu wenden.
Ich habe aber auch andere linke Kollegen getroffen, es gäbe also sehr wohl Ansätze, was zu machen.
Wie sind Deine Erfahrungen mit dem Betriebsrat?
Da muss ich lachen. Der Vorarbeiter ist gleichzeitig der Betriebsrat und versteht sich wunderbar mit dem Chef. Er ist ein sehr schlechter Arbeiter, sitzt den ganzen Tag im Container und trinkt seine Biere. Das einzige, was wir von ihm mitkriegen, ist dass er zu Weihnachten 10 Euro von jedem abkassiert, damit der Chef ein Weihnachtsgeschenk bekommt.
Was glaubst Du, müsste passieren, damit sich etwas ändert?
Gern ist keiner am Bau, die alten Kollegen sagen den Jungen auch, dass sie nicht bleiben sollen. Jeder schimpft. Aber schimpfen ist zu wenig!
Es gibt teilweise wirklich große Bauprojekte, wenn da der Betrieb mal stillsteht, tut das den Firmen wirklich weh. Es gibt ja auch Pönale-Zahlungen, wenn das Projekt nicht rechtzeitig fertig ist. Und weil die Arbeitsschritte genau aufeinander abgestimmt sind, kann auch schon eine kleine Gruppe recht viel lahm legen, wenn sie mal nicht arbeitet.
Dazu wäre es aber notwendig, dass die die Kollegen sich zusammenschließen und wirklich versuchen, etwas zu verändern. Wir kassieren am Bau wirklich oft unser Leben, das kann ja so wirklich nicht weitergehen!
Sehr wichtig wird auch sein, den Rassismus zu überwinden, denn nur so kann wirklich gemeinsam etwas passieren. Mein Aufruf an die Kollegen: macht nicht mit bei den permanenten Sprüchen über Ausländer, Frauen und Schwule.
Florian, zum Abschluss: wo stehst Du selbst politisch?
Ganz klar, ich bin Marxist. Wir dürfen und nicht alles bieten lassen und müssen für unsere Rechte eintreten. Kurz: Wir müssen uns gegen die Bosse organisieren.
Wir danken Dir für das Gespräch und wünschen Dir viel Erfolg!