Gesundheit für wen?

Unser Gesundheitssystem richtet sich schon jetzt nicht nach den Bedürfnissen der Beschäftigten und PatientInnen. Es dient vielmehr den Interessen der Gesundheitsindustrie. Nachdem den Banken jetzt hunderte Milliarden Euro in den Rachen geworfen worden sind, stehen uns weitere Angriffe auf die Gesundheitsversorgung und die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten ins Haus.

Die Gesundheitsindustrie und Teile der ÄrztInnenschaft bereichern sich systematisch am öffentlichen Gesundheitssystem. Die Medikamentenkosten sind zwischen 1997 und 2005 um 70% gestiegen, was den Pharmafirmen fette Gewinne beschert hat. Manche niedergelassene (Fach-) ÄrztInnen haben irrwitzige Einkünfte, zu guten Teilen aufgrund der (nicht immer nachvollziehbaren) Leistungen, die sie den öffentlichen Kassen verrechnen.

2-Klassen-Medizin

Vor allem aber sind bis zu 80% der oberen ÄrztInnen in Spitälern (ProfessorInnen, PrimarärztInnen) an privaten Gesundheitsfirmen beteiligt. Sie nutzen die öffentlich finanzierten Einrichtungen für "ihre" PrivatpatientInnen. Die so genannten "SonderklassepatientInnen", die über eine private Zusatzversicherung verfügen, bekommen schneller Untersuchungs- und Operationstermine, bessere medizinische Betreuung etc. Die Behandlung der SonderklassepatientInnen und PrivatpatientInnen wird weitgehend in der Dienstzeit der oberen ÄrztInnen, in der sie vom öffentlichen Gesundheitssystem bezahlt werden, durchgeführt. Während die PrimarärztInnen privat abkassieren, werden die teuren medizinischen Leistungen öffentlich finanziert. Die 2-Klassen-Medizin ist also längst Realität.

Die Pharma- und Medizinprodukteindustrie dominieren das Gesundheitswesen. Das bedeutet, dass die Forschung in den Kliniken oft direkt von der Gesundheitsindustrie finanziert wird. Darüber hinaus gibt es ein massives "Anfüttern" von ÄrztInnen, besonders von FachärztInnen. Sie werden von Konzernen zu Kongressen in Luxushotels in teilweise exotische Orte der Welt eingeladen, wo eine Mischung aus Weiterbildung, Marketing, Beeinflussung und Urlaub stattfindet. Finanziert wird das ganze natürlich von den PatientInnen und den Lohnabhängigen z.B. durch hohe Medikamentenkosten. Dazu kommt, dass es nicht nur zu wenig unabhängige ÄrztInnenfortbildung gibt, sondern dass sie mit der Pharmaindustrie verquickt ist. Das ist eine Perversion des kapitalistischen Gesundheitsgeschäftes.

Sparen?

Während die Pharmaindustriellen und die reichen ÄrztInnen abcashen, wird gegenüber uns Beschäftigten und den PatientInnen andauernd davon gesprochen, dass gespart werden muss. Der Arbeitsstress in den Pflegeberufen ist immer mehr gestiegen. Bereiche wie Reinigung, Wäscherei oder Küche in Spitälern werden ausgegliedert, damit sie billiger werden – auf Kosten der Löhne und Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten. PatientInnen müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen beziehungsweise gibt es eine Massenabfertigung, wo ein genaues Eingehen auf die Einzelnen kaum mehr möglich ist.

Dass das Gesundheitswesen unfinanzierbar geworden sei, ist ein Märchen, dass uns die PolitikerInnen und Vorgesetzte auftischen wollen. Tatsächlich ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur minimal gestiegen. Dass die Gebietskrankenkassen etwa zwei Milliarden Euro Schulden haben, liegt an drei Dingen: ersten hat die ÖVP-FPÖ-Regierung den Gebietskrankenkassen zusätzliche Belastungen um den Hals gehängt, zweitens haben die UnternehmerInnen eine Milliarde Euro Schulden bei den Kassen (das heißt, sie zahlen die vorgeschriebenen Beiträge nicht), drittens die erwähnte Bereicherung durch Pharmakonzerne und reiche ÄrztInnen. Für diese Missstände muss jemand aufkommen – und das sollen offenbar wir sein.

Die Banken und wir

Am Gesundheitsmarkt werden weltweit jährlich etwa 5000 Milliarden Euro umgesetzt. In den europäischen Ländern macht der Sektor etwa 10% des BIP aus. Das ist für die KapitalistInnen natürlich superinteressant. Sie und ihre PolitikerInnen arbeiten seit Jahren daran, die gewinnbringenden Teile der öffentlichen Spitäler günstig an private Gesundheitsfirmen, Pharmafirmen, Versicherungen etc. zu verscherbeln. Als Argumente für Privatisierung und „Liberalisierung“ des Gesundheitssektors werden dann immer die Kosten herangezogen – dabei hat etwa das private System in den USA die höchsten Kosten und die schlechteste Versorgung.

Die Banken- und Wirtschaftskrise seit 2008 macht die Situation jetzt noch schlimmer. Die Regierungen haben hunderte Milliarden ausgegeben, um die Banken zu retten. Jetzt sind die Staaten pleite. In allen Ländern werden jetzt Sparmaßnahmen angekündigt, die die Masse der Bevölkerung treffen sollen. Auch das Gesundheitswesen – und damit unsere Versorgung und die Jobs, Arbeitsbedingungen und Löhne der dort Beschäftigten – wird davon bedroht sein.

In vielen Ländern wehren sich die Lohnabhängigen bereits dagegen, dass sie für die Krise der Banken bezahlen sollen. Teilweise sind diese Kämpfe auch erfolgreich. Wenn wir uns auch gegen die bevorstehenden Angriffe wehren wollen, sollten wir nicht auf die Gewerkschaftsführung vertrauen. Diese Leute beweisen seit Jahren, dass sie diverse Verschlechterungen mitverwalten. Erfolg können wir nur haben, wenn wir uns selbst organisieren.