Ständig steigende Mieten, die Yuppisierung ehemaliger ArbeiterInnenviertel, die eingeengten Wohnverhältnisse von Menschen mit geringem Einkommen und nicht zuletzt die Schwierigkeit für viele, in Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden: Die Situation auf dem Zürcher Wohnungsmarkt ist ein Dauerthema.
Insbesondere Menschen und Familien mit geringem, aber auch immer mehr Menschen mit einem durchschnittlichen Einkommen wohnen immer öfter in äusserst beengten Verhältnissen (2 kleine Zimmer für 5-köpfige Familien bilden dabei keine Ausnahme), müssen an den Stadtrand oder gar aus der Stadt raus ziehen. Immer mehr arme Familien werden sogar in einer "Familienherberge", die gleich wie eine Notschlafstelle eingerichtet ist, untergebracht, weil die Stadt keine günstigen Wohnungen zur Verfügung stellen kann. In kleineren Städten wie Bülach und Kloten wird bereits überlegt, bedürftige Familien in Containern unterzubringen.
Bei Menschen mit tiefem und durchschnittlichem Einkommen stellt die Miete den grössten Faktor der Haushaltskosten. Eine Bruttomietbelastung von 35 bis 45 Prozent ist bei geringen Einkommen keine Seltenheit, damit ist die Miete einer der grössten Risikofaktoren für Armut. Eine Studie des SECO hat zudem gezeigt, dass ein Drittel der zunehmenden Ungleichheit auf die Mietbelastung zurück zu führen ist.
Und unaufhaltsam steigen die Mieten…
Es ist ja nicht so, dass in Zürich nicht kräftig gebaut, renoviert und saniert würde. Die Frage ist nur, wer sich die neu gebauten und teuer renovierten Wohnungen überhaupt noch leisten kann. Die Mieten in der Stadt Zürich sind in den letzten 10 Jahren um 12 Prozent gestiegen (teuerungsbereinigt um 4%). Diese Zahl ist sogar noch zu tief gegriffen, wenn mensch in Rechnung stellt, dass bei zwei Drittel der städtischen Wohnungen die Mietpreise kaum gestiegen sind. Im Gegensatz dazu sind die Löhne kaum und nicht einmal der Teuerung entsprechend erhöht worden.
Doch solange die Nachfrage nach Wohnungen ungebrochen anhält und es die immer ungleicher werdende Einkommens- und Vermögensverteilung einem Teil der Leute ermöglicht, immense Mieten zu bezahlen, kann eine Liegenschaft zu fast jedem Preis vermietet werden. Nicht selten zahlen MieterInnen freiwillig mehr Miete, um überhaupt eine Wohnung zu bekommen. Überdies haben auch immer mehr Vermögende in Zürich eine Zweitwohnung, die sie kaum oder nur einen Teil des Jahres bewohnen. Hinzu kommt noch, dass sich die Besserverdienenden mehr Raum leisten können.
Warum die Mieten steigen…
In den Medien wird oft allein der Zuzug von Vermögenden für die steigenden Mieten verantwortlich gemacht. Tatsächlich wandern mehr Hochqualifizierte, die sich hohe Mieten leisten können, in die Schweiz ein, doch das ist nicht der einzige Grund.
In den letzten Jahren und vor allem seit Beginn der Wirtschaftskrise investier(t)en Versicherungen, Pensionskassen und Banken vermehrt in Liegenschaften. Schliesslich fliesst das Kapital immer dorthin, wo es profitabel eingesetzt werden kann und Immobilien versprechen nach wie vor hohe Profite. Sie gelten in der Schweiz immer noch als sichere Geldanlage. Und um immer höhere Profite zu erzielen, wird die Bewirtschaftung der Liegenschaften immer aggressiver. Die Ersetzung alter Wohnhäuser durch Blöcke voller Eigentumswohnungen sowie teure ja luxuriöse Renovationen stehen in Zürich auf der Tagesordnung.
Der Immobilienmarkt wächst
Gleichzeitig verkaufen Pensionskassen ihre Immobilien um stattdessen in Immobilienfonds zu investieren. Börsennotierte Immobilienfonds und –gesellschaften, also indirekte Anlageinstrumente, sind in den letzten Jahren stark angewachsen. Die Immobilienbewirtschaftung wird immer mehr professionalisiert und Grosskonzerne transferieren Immobilien in Aktiengesellschaften. Ehemalige Industrieunternehmen wie Maag und Feldschlösschen sind heute Immobiliengesellschaften, es gibt steuerbefreite Immobilienfonds und immer mehr Immobilienunternehmen an der Börse: Seit 2002 hat sich die Marktkapitalisierung von Schweizer Immobiliengesellschaften von drei auf sechs Milliarden Franken verdoppelt.
Um höhere Profite zu erzielen, werden die Mieten bei jedem MieterInwechsel erhöht. Erhöhungen von 30-40%, ohne dass renoviert wurde, bilden dabei keine Ausnahme. Diese Woche wurde sogar ein Fall publik, in dem die Credit Suisse die Mietpreise nach einer sanften Renovation um bis zu 70% erhöhte. Wenig überraschend mussten sich einige MieterInnen nach dieser Erhöhung eine andere Bleibe suchen.
Die Forderung nach einer "sozialeren Wohnpolitik"
Die Forderungen nach einer anderen, "sozialeren" Wohnpolitik werden immer lauter. Auch die SP hat sich im letzten Wahlkampf die Lösung der Wohnungsnot auf die Fahnen geschrieben und fordert eine Erhöhung des Anteils von gemeinnützigen Wohnungen von 25 auf 30%.
Doch real wird eine andere Politik betrieben: Immer mehr Liegenschaften werden vom Kanton, der alte Verwaltungs- und Universitätsgebäude nicht mehr braucht, an Private verkauft. Es bedarf wenig Phantasie, sich auszumalen, was mit den Liegenschaften dann passiert. Auch ein Drittel der städtischen Wohnungen werden seit zwei Jahren bei einem MieterInwechsel viel teurer weiter vermietet: Diese Erhöhung der Mietpreise hängt mit einer vor zwei Jahren vorgenommenen Umteilung eines Teils der städtischen Wohnungen vom Verwaltungsvermögen (Schulhäuser und öffentliche Gebäude, die nicht rentieren müssen) zum Finanzvermögen zusammen. Für die zum Finanzvermögen gehörenden Wohnungen wird für den Mietpreis der aktuelle Marktwert als Basis genommen, während die Basis für die Mietpreisberechnung im Verwaltungsvermögen der Anschaffungswert bildet. "Soziale Durchmischung" und "Wohnraum für alle" sind nette Forderungen, stehen aber nicht auf der neoliberalen Agenda.
Der Markt "spielt"
Albert Leiser, Direktor des Hauseigentümerverbandes und FDP–Gemeinderat möchte nicht von einer Wohnungsnot, sondern von einer Wohnungsknappheit reden. Dass der Markt funktioniere, würden schliesslich die vielen Wechsel zeigen. Die Frage ist aber, ob nicht gerade das Funktionieren des Marktes das Problem darstellt. Schliesslich steigen die Mieten ja mit jedem MieterInwechsel…
Der Wohnmarkt unter kapitalistischen Vorzeichen funktioniert im Interesse des Kapitals. In der momentanen wirtschaftlichen Situation wird er noch härter umkämpft. Solange die hohen Mieten aufgrund der ungleichen Einkommens- und Vermögensverteilung, selbst Produkt des kapitalistischen Wirtschaftssystems, von einem Teil der Leute bezahlt werden können, wird sich die Lage auf dem Zürcher Wohnmarkt nicht ändern. Damit wir wieder angemessen in der Stadt wohnen können, in der wir arbeiten und unsere Freunde haben, brauchen wir ein anderes Wirtschaftssystem. Ein Wirtschaftssystem, das nicht die Interessen des Kapitals sondern unsere befriedigt.