100 Jahre Frauentag. Von Gleichberechtigung immer noch weit entfernt. Die RSO hat sich in den letzten Jahren intensiv mit Geschlechterverhältnissen, Frauenunterdrückung und den verschiedenen Konzepten des Kampfes dagegen auseinander gesetzt. Wir geben hier einen Überblick über unsere Positionen und Texte.
Erste Frauenbewegung und marxistische Debatten
1911 fand in Wien die erste große Demonstration für die Rechte von Frauen statt, an der 20.000 Menschen teilnahmen. Es war die Zeit der ersten internationalen Frauenbewegung. Dabei war der Stellenwert des Kampfes für Frauenbefreiung gerade in der ArbeiterInnenbewegung höchst umstritten – und ist es bis heute. Unser Buch “Proletarische Frauenbewegung ” spannt den Bogen von den Anfängen der proletarischen Frauenbewegung über deren Aufblühen bis hin zur Integration in die Sozialdemokratie. Großes Augenmerk wird auf das Verhältnis der proletarischen Frauenbewegung zur ArbeiterInnenbewegung einerseits und zur bürgerlichen Frauenbewegung andererseits gelegt. Unter anderem diskutieren wir dabei die unterschiedlichen Konzepte von Clara Zetkin, der führenden Persönlichkeit der proletarischen Frauenbewegung und Vertreterin des revolutionären Flügels der Sozialdemokratie, und von Lily Braun, die dem rechten Parteiflügel angehörte. Auch die Positionsbildungen zur Frage der Sexualität nehmen einen breiten Raum ein.
Im Zentrum des Buches “Kommunismus und Frauenbefreiung ” steht dann das russische/sowjetische Beispiel. Dabei werden einerseits die theoretischen Ansätze etwa von Alexandra Kollontai, Inessa Armand und W.I. Lenin als auch die praktischen Entwicklung im nach-revolutionären Russland kritisch untersucht. Ebenso geht es um die – überwiegend in Russland und dem deutschsprachigen Raum geführten – Diskussionen um eine neue Sexualmoral (dabei spannt sich der Bogen von Ruth Fischer oder Kollontai bis hin zu Wilhelm Reich). Um die Frauenpolitik des Stalinismus sowie der frühen KPD geht es dann in den letzten Kapiteln des Buches.
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Analyse des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern im Werk von Karl Marx und Friedrich Engels versuchen wir im Buch “Geschlechterverhältnisse bei Marx und Engels “. Bis heute stellen deren Auffassungen wichtige Bezugspunkte für die Linke dar – ob sie nun wegen ihrer theoretischen Leistungen gelobt und positiv rezipiert oder des Sexismus und der Ignoranz beschuldigt werden. Wir widmen uns einer tiefgehenden Analyse von Schriften wie dem Kapital oder dem „Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ abseits von unkritischen Huldigungen und oberflächliche Abkanzelungen
In der ArbeiterInnenbewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allerdings weitaus bekannter als die Schriften von Marx und Engels war August Bebels Klassiker „Die Frau und der Sozialismus“. Unser Buch „Die ‘Frauenfrage’ bei Bebel und Luxenburg “ liefert eine kritische Untersuchung von Bebels Werk sowie seiner Rezeption in der ArbeiterInnenbewegung. Außerdem schauen wir uns an, was Rosa Luxemburg, die bekannteste weibliche Führungs- und Identifikationsfigur der Zweiten Internationale, zum Thema Frauenbefreiung gesagt hat.
Neue Frauenbewegung
Eine neue Frauenbewegung entstand in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Hier gab es grob gesagt drei Strömungen: die sozialistischen FeministInnen, die versuchten, feministische und sozialistische Ansätze zu verbinden, die liberalen FeministInnen, die vor allem für eine rechtliche Gleichstellung im System kämpften, und die RadikalfeministInnen, die mit öffentlich wirksamen Aktionen gegen Alltagssexismus und Patriarchat antraten. In „Sozialistischer und marxistischer Feminismus “ untersucht die RSO-Aktivistin Maria Pachinger die Konzeptionen der sozialistischen und marxistischen FeministInnen in der neuen Frauenbewegung, die einen systemüberwindenden Anspruch hatten. Die ausgewählten Protagonistinnen sind in den meisten Fällen repräsentativ für bestimmte Strömungen oder Konzepte.
Feministische Debatten
Doch auch abseits größerer Buchprojekte haben sich die RSO beziehungsweise ihre beiden Vorläuferorganisationen in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Frauenbefreiung und verschiedenen damit zusammenhängenden Debatten auseinandergesetzt. Etwa widmen wir uns in einem längeren Artikel der historischen Herausbildung sowie der theoretischen Analyse der bürgerlichen Kleinfamilie . Auch mit dem Thema Prostitution/Sexarbeit haben wir uns intensiver beschäftigt und eine Broschüre dazu herausgegeben. In einer marxistischen Kritik an Judith Butler diskutieren wir deren Thesen wie die Absage an alle bisherigen Vorstellungen von Körperlichkeit und Subjektivität sowie Butlers politische Schlußfolgerungen.
Weiters haben wir uns mit Themen wie Verschleierung oder „traditionsbedingter“ Gewalt auseinandergesetzt. Schließlich sind Schagworte wie Verschleierung, Zwangsehe, Ehrenmorde oder Frauenhandel den letzten Jahren verstärkt in politischen Diskussionen aufgetaucht. Der Haupttenor richtet sich gegen diese Formen „traditionsbedingter“ Gewalt und verbindet diese Kritik mit einer an „der Kultur“, die diese Gewalt angeblich hervorbringt. Auch in der Debatte um das Kopftuchverbot haben wir uns positioniert. Kürzere Texte setzten sich mit Themenbereichen wie geschlechtergerechter Sprache oder Gender Mainstreaming auseinander.
Und natürlich blendet auch unser Artikel „Ficken im Kapitalismus “ Geschlechterverhältnisse nicht aus. In diesem Text stellen wir einige grundlegenden Überlegungen an – zur Entwicklung von Sexualität im Kapitalismus, zum zeitgenössischen Attraktivitätsmarkt und zu den Positionen der sozialistischen Bewegung zu Sex, Liebe und Moral.
Frauenbewegung heute
In einem für uns recht zentralen Artikel „Zustand und Perspektiven der Frauenbewegung “ fassen wir unser Analysen und Positionen zu Kapitalismus und Frauenunterdrückung zusammen. Dieser Artikel schlussfolgert, dass der Kampf gegen Sexismus und Frauenunterdrückung nur dann Aussicht auf substantiellen Erfolg haben kann, wenn er auch gegen das kapitalistische System gerichtet ist. Diese große Aufgabe kann nur in Verbindung mit Klassenkämpfen der ArbeiterInnen geleistet werden, konkret mit Streiks, mit Gewerkschaften und schließlich vor allem mit einer revolutionär-kommunistischen Partei, in der Frauen und Männer Seite an Seite gegen die kapitalistische Ausbeutung und Frauenunterdrückung kämpfen.