Am 19.November 2005 tötete eine Einheit von Marineinfanteristen 24 Menschen in der Stadt Haditha und verübte damit eines der schwersten Kriegsverbrechen der US-Armee im Irak. Der letzte Angeklagte, Unteroffizier Frank Wuterich, kam letzten Dienstag mit einem milden Urteil davon. Er wurde zu einer Haftstrafe von 90 Tagen verurteilt, die er aus Verfahrensgründen aber nicht absitzen muss. Außerdem wurde er zum einfachen Gefreiten degradiert, muss aber nicht mit Gehaltseinbußen rechnen. Somit muss keiner der beteiligten und verantwortlichen Soldaten hinter Gitter.
Das Massaker von Haditha
Am 19. November 2005 fahren Frank Wuterich und seine Kameraden in einem Militärkonvoi durch Haditha, eine Stadt nordwestlich von Bagdad. Als eines der Fahrzeuge von einem Sprengsatz getroffen wird, stirbt ein Soldat. Die verbliebenen Soldaten erschießen daraufhin zunächst mehrere Männer aus ihren Fahrzeugen heraus. Die Kameraden des getöteten Marine unter der Führung von Wuterich beschließen, Rache zu nehmen. Der Unteroffizier gibt die Parole aus: "zuerst schießen, dann fragen!".
Drei Stunden lang gehen die Soldaten durch die Stadt und schießen auf Männer, Frauen und Kinder. Die Marineinfanteristen durchsuchen ein Haus nach dem nächsten und folgen streng der ausgegebenen Parole. Am Ende des Rachefeldzuges sind 24 Menschen tot. Es ist eines der schlimmsten Massaker der US-Armee während des Irakkriegs.
Die Reaktion der US-Armee
Sprecher der US-Truppen erklärten zunächst, dass die Zivilisten durch einen Sprengsatz ums Leben gekommen seien (eine wohl übliche "Erklärung" der US-Stellen für zivile Opfer). Die Verantwortlichen innerhalb der Armee waren wenig erstaunt über den "Zwischenfall". Chief Warrant Officer K. R. Norwood forderte keine weiteren Informationen an, als er die Meldung von den 24 toten Zivilisten bekam. Der "New York Times" gegenüber sagte Norwood, dass die Zahl der zivilen Todesopfer zu dieser Zeit "nicht ungewöhnlich" gewesen sei. Deshalb also keine weiteren Fragen. Die Unterlagen über den Vorfall sollten vernichtet werden und wurden zu diesem Zweck einer irakischen Vertragsfirma übergeben.
Wenig erfreulich für die US-Armee und deren Verantwortliche war es dann jedoch, als ein Reporter der "New York Times" die Dokumente über das Massaker auf einem Schrottplatz in der Nähe von Bagdad zusammen mit weiteren Unterlagen fand. Die anderen Dokumente enthielten unter anderem Karten mit Flugrouten.
Die gefundenen Dokumente über das Massaker von Haditha wurden die Grundlage für einen Untersuchungsbericht und führten zu mehreren Gerichtsverfahren gegen beteiligte Soldaten.
Die US-Militärgerichte sprechen Gerechtigkeit…
Insgesamt wurde gegen acht Armeeangehörige ein Gerichtsverfahren eingeleitet, von denen bisher sechs Verfahren eingestellt wurden und eines mit Freispruch endete. Dem Höchstrangigen der Angeklagten, Oberst Jeffrey Chessani, wurde vorgeworfen, seine Dienstplicht verletzt zu haben, indem er keine weiteren Ermittlungen zu dem Vorfall einleitete. Ein Armeesprecher verkündete dann gegenüber der Presse, dass der zuständige Richter das Verfahren eingestellt habe. Warum die Anklage nicht weiter verfolgt werden solle, wollte die Militärjustiz nicht mitteilen.
Das letzte Verfahren gegen Unteroffizier Wuterich wurde jetzt am letzten Dienstag ebenfalls beendet.
Das Verfahren gegen Wuterich
Frank Wuterich war der befehlshabende Unteroffizier, der das Blutbad nicht nur anordnete, sondern direkt daran beteilgt war. Wie Wuterich 2007 in einem Interview einräumte, habe er seine Einheit angewiesen, "zuerst zu schießen und dann zu fragen". Ohne Angabe von Gründen wurde die Anklage trotzdem von Mord auf Totschlag reduziert. Vor kuzem gestand der Angeklagte, der bis zu dem Blutbad in Haditha keine Kampferfahrung hatte, bei der Tötung von 24 Zivilisten durch seine Einheit seine Dienstpflicht verletzt zu haben und übernimmt somit die Verantwortung für den tödlichen Befehl. Im Gegenzug ließ die Anklage den Vorwurf des Todschlags in neun Fällen fallen.
Somit war schon vor der Urteilsverkündung klar, dass Wuterich kein hartes Urteil zu befürchten hat. Nach einer Vereinbarung und dem darauf folgenden Schudleingeständnis drohten ihm nur maximal drei Monate Haft. Mit dem Urteil gegen den Unteroffizier wurde nun das letzten Verfahren im Fall "Haditha" beendet. Die Soldaten der US-Armee kommen nach einem ihrer öffentlich gewordenen Verbrechen also wieder einmal fast ungestraft davon.
No Justice No Peace
Das Massaker von Haditha und die nachfolgenden Gerichtsverfahren zeigen deutlich, welche Gerechtigkeit von den Militärgerichten gesprochen wird. US-Soldaten töten 24 Menschen, geben dies auch noch zu und kommen dennoch ohne, bzw. mit einer niedrigen Strafe davon. Die US-Militärgerichte sind damit ein besonders widerlicher Ausdruck der Klassenjustiz. Den Kampf um Gerechtigkeit dürfen wir deshalb nicht den Gerichten und dem Staat überlassen. Wir müssen selbst gegen Unterdrückung und Ausbeutung kämpfen, um Gerechtigkeit zu bekommen.