Alle Jahre wieder… die Männer-Fußball-Europameisterschaft. Während die einen kein Spiel versäumen wollen, sind die anderen genervt von den dauernden TV-Übertragungen. Doch bei der EM in Polen und der Ukraine geht es keineswegs nur um Sport.
Jahrzehntelang war Fußball vor allem ein Sport der (männlichen) ArbeiterInnen. Mittlerweile ist dieser Sport aber so stark kommerzialisiert worden, dass es sich viele gar nicht mehr leisten können, ein Spiel im Stadion zu verfolgen oder die Kosten für das Pay-TV aufzubringen.
Ein Riesengeschäft
Der Fußball ist ein gigantisches Geschäft geworden, aus dem einige wenige Vereine und Konzerne unglaublichen Profit schlagen. Die Kosten dafür hat die Allgemeinheit zu tragen. So rechnet die ukrainische Regierung mit Ausgaben für die EM-Infrastruktur in Höhe von 10 Milliarden Euro – 16-mal soviel wie das Turnier 2008 in Österreich und der Schweiz gekostet hat. Gleichzeitig leben 35% der UkrainerInnen unter der Armutsgrenze und im Zuge der Wirtschaftskrise wurde viele soziale Leistungen gekürzt oder sogar gestrichen.
Doch profitiert nicht auch die Bevölkerung davon? Nicht wirklich. Zum Beispiel werden die großteils neu errichteten (und teuer zu erhaltenden) Stadien nach der EM überhaupt nicht gebraucht werden. In den polnischen Städten Breslau und Danzig wurden Stadien mit über 40.000 Plätzen errichtet, die dortigen Fußballvereine haben aber nur einen ZuschauerInnenschnitt von ca. 17.000.
Heuchelei um Menschenrechte
Einige europäische PolitikerInnen haben bekannt gegeben, die EM boykottieren zu wollen. Aber nicht etwa deswegen, weil es in Polen regelmäßig Angriffe auf Schwule und Lesben gibt oder weil in den Foltergefängnissen der Ukraine allein im Jahr 2010 51 Menschen gestorben sind. Nein, sondern nur deshalb, weil die mit mafiösen Methoden steinreich gewordene Politikerin Julia Timoschenko in der Haft schlecht behandelt wird.
Fest des Nationalismus
In Wirklichkeit freuen sich Europas PolitikerInnen auf die EM. Denn was angeblich eine große völkerverbindende Party sein soll, ist letztendlich ein Fest des Nationalismus. Griechenlands verarmte Bevölkerung soll gemeinsam mit dem dortigen Establishment um den Aufstieg des Nationalteams zittern. Die spanische Jugend, von der jede/r zweite arbeitslos ist, soll gemeinsam mit den spanischen KapitalistInnen für die Nationalmannschaft jubeln.
Heißt das also, die RSO ist gegen Fußball? Nein! Etliche unserer AktivistInnen kicken selbst oder gehen ins Stadion. Andere interessieren sich überhaupt nicht dafür. Doch die politischen und sozialen Auswirkungen des Sports gehen uns alle an. Fußballfans dürfen sich auf spannende Spiele freuen, doch sollten wir Kommerz, Repression und der häufig frauenfeindlichen Stimmung auf Fußballplätzen die Rote Karte zeigen. Und vor allem sollten wir uns nicht durch „patriotische Begeisterung“ das Hirn vernebeln lassen. Denn gegen Sozialkürzungen, Bildungsabbau und (Jugend-)Arbeitslosigkeit können sich die Betroffenen aller Länder nur gemeinsam erfolgreich zur Wehr setzen.