Volksbefragung zum Bundesheer: Warum wir beide Varianten ablehnen.

Am 20.1. darf die österreichische Bevölkerung über die Zukunft des Bundesheers entscheiden. Wir argumentieren, warum wir uns mit keiner der beiden Varianten anfreunden können.

Wir sind also aufgerufen, unsere Stimme zur Zukunft des Heeres abzugeben. Entscheiden können wir allerdings nur zwischen folgenden Varianten:

„Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres“
oder

„Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes?“

Es ist das alte Dilemma bei solchen Abstimmungen: wer den Text bestimmt, bestimmt die Ausrichtung – und alternative Optionen zu einem Berufsheer einerseits, der bestehenden Situation andererseits sind nicht vorgesehen.

Gegen ein Berufsheer!

Die Ablehnung eines Berufsheeres ist die traditionelle Position der ArbeiterInnenbewegung, und das aus guten Gründen. Eine Berufsarmee setzt sich ausschließlich aus Menschen zusammen, die sich aus freien Stücken dazu entschieden haben, wenn es sein muss, andere Menschen zu töten – „für das Vaterland“. Sie werden ihr Berufsleben lang für diese Aufgabe trainiert.

Eine solche Schicht von SoldatInnen kann daher im Ernstfall auch viel leichter gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, als Wehrpflichtige, die aus der arbeitenden Bevölkerung kommen und nach dem Grundwehrdienst wieder in diese zurückfließen. Weit hergeholt ist das nicht. Historisch fand der Einsatz eines Berufsheers in Österreich gegen die eigene Bevölkerung auch bereits einmal statt: Im Februar 1934 hat das damalige Berufsheer (gemeinsam mit Polizei und austrofaschistischen Paramilitärs) auf die aufständischen ArbeiterInnen geschossen. Das ist auch ein wesentlicher Hintergrund für die Ablehnung des Berufsheeres in einigen (oft linkeren) Teilen der Sozialdemokratie.

Die Erfahrungen aus vielen Klassenkämpfen weltweit zeigen, dass sich SoldatInnen umso eher mit progressiven sozialen Bewegungen solidarisieren, umso mehr sie sozial mit den unterdrückten Klassen und Schichten der Gesellschaft verbunden sind. Wir können uns ausmalen, welche Personen sich für ein Berufsheer melden würden. In Großbritannien etwa muss die Armee bereits vor und aus den Gefängnissen heraus rekrutieren,es ist auch klar, dass Berufsarmeen (genauso wie das Kaderpersonal des derzeitigen „Milizheeres“) ein Sammelbecken für Militaristen und Rechtsextreme darstellen.

Wir gehen allerdings davon aus, dass im Aufstandsfall ohnehin zuallererst die bereits jetzt existierenden Berufssoldaten (16.500 gegenüber im Schnitt 12.000 Grundwehrdienern und 27.000 Milizsoldaten) eingesetzt werden würden. Schließlich ist auch das derzeitige österreichische Bundesheer im Kern bereits ein Berufsheer: Die Milizen machen seit 2005 keine Übungen mehr und Grundwehrdiener werden zu großen Teilen als billige Arbeitskräfte eingesetzt.

Dennoch würde ein Berufsheer eine noch stärker von der Bevölkerung abgehobene und isolierte Armee bedeuten. Zusätzlich wäre eine Aufrüstung in Hinblick auf imperialistische Auslandseinsätze zu erwarten. Es ist kein Zufall, dass Österreich mit 300 SoldatInnen das größte Kontingent im Rahmen des EUFOR-Einsatzes in Bosnien-Herzegowina stellt und gleichzeitig mit einem kumulierten Investitionsvolumen von rund 1,19 Milliarden Euro im Jahr 2011 der größte Auslandsinvestor im Land war.

Keine Bestätigung von Wehrpflicht und Zwangsarbeit im Sozialbereich!

Unsere Ablehnung eines Berufsheers ist eindeutig. Aus der Sicht der ArbeiterInnenbewegung sprechen aber auch einige Gründe gegen die Wehrpflicht. Generationen von jungen Männern werden durch sie zwangsrekrutiert, Monate lang aus ihrem bisherigen Leben gerissen, schikaniert und einer nicht zu unterschätzenden ideologischen Indoktrination unterzogen. Während ein Berufsheer im Fall einer gesellschaftlichen Polarisierung verheerend wäre, ist in die Wehrpflicht in Zeiten ruhigeren Klassenkämpfe wahrscheinlich sogar der größere Schaden für die ArbeiterInnenklasse.

Einige Linke begrüßen die Wehrpflicht, weil sie meinen, dadurch würde die ArbeiterInnenklasse an der Waffe ausgebildet. Diese Argumentation ist zuallererst einmal aus sozialistisch-feministischer Sicht fragwürdig. Schließlich werden nur Männer an der Waffe ausgebildet. Außerdem wird im derzeitigen System mehr als die Hälfte der Grundwehrdiener als sogenannte Systemerhalter eingesetzt – Köche, Fahrer, Schreiber etc. Natürlich, wie in den Revolutionen des 20. Jahrhunderts wird sich auch in jenen des 21. Jahrhunderts die Frage bewaffneter Milizen der Unterdrückten stellen. Doch die Ausbildung dieser Milizen wird definitiv nicht auf der Ausbildung von Grundwehrdienern basieren können, von denen die meisten während ihrer Zeit beim Heer weniger mit einer Waffe schießen, als ZivilistInnen bei einer durchschnittlichen Paintball-Partie.

Was bei dieser Volksbefragung noch dazu kommt, ist, dass eine Zustimmung zur Beibehaltung der Wehrpflicht gleichzeitig eine Bestätigung des Zivildienstes bedeutet. Zivildienst ist aber nichts anderes als Zwangsarbeit im Sozial- und Gesundheitswesen, der in diesem ohnehin schon mies bezahlten Bereich zu weiterem Lohndruck führt. Deswegen sprechen wir uns für die sofortige Abschaffung des Zivildienstes und dessen Ersetzung durch gut bezahlte reguläre Jobs aus.

Bundesheer abschaffen?

Viele Linke argumentieren, dass das eigentliche Ziel ja die Abschaffung des Bundesheeres wäre und – je nachdem – die Einführung des Berufsheeres oder Beibehaltung des Milizheeres nur ein Zwischenschritt wäre. Das halten wir schlicht für eine Illusion.

Der bürgerliche Staat wird sich immer bewaffnete Einheiten halten, um nach Innen und Außen einsatzfähig zu sein. Ob diese dann als Armee oder etwa als Sondereinheiten der Polizei auftreten, ist irrelevant. Bereits Friedrich Engels wies zu Recht daraufhin, dass der Klassenstaat eine Formation bewaffneter Menschen wäre. Erst jüngst sind in Deutschland die Weichen dafür gestellt worden, dass die Armee im Falle von sozialen Unruhen im Inneren eingesetzt werden kann. Das ist die Realität der Krise und des Kapitalismus. Zu glauben, dass der bürgerliche Staat auf ein Heer verzichten will oder kann, demgegenüber Augenauswischerei.

Weder noch!

„Dem Militarismus keinen Mann und keinen Groschen!“ lautet ein traditioneller Slogan der revolutionären ArbeiterInnenbewegung. Forderungen müssten in Wirklichkeit in eine Richtung gehen, die sowohl einem aufgerüsteten Berufsheer als auch dem real existierenden Milizheer widerspricht: Kürzung des Militärbudgets (und Umschichtung von Ausrüstung zur Bezahlung für SoldatInnen), Abschaffung der bereits bestehenden Berufsmilitärs, eine radikale Verkürzung des Präsenzdienstes, eine Demokratisierung der Armee, Abschaffung der Kasernierung, reale Rechte für RekrutInnen und deren VertreterInnen bis hin zur Wahl der OffizierInnen durch die einfachen SoldatInnen; ArbeiterInnenlohn für alle MilizsoldatInnen (inklusive der Offiziere). Die Stoßrichtung kann nur dahin gehen, jedes Heer so unbrauchbar wie möglich zum Einsatz als potentielle BürgerInnenkriegstruppe zu machen.

Solche Errungenschaften werden nicht in einer Volksbefragung abgestimmt, sondern können nur von einer starken und offensiv-kämpferischen ArbeiterInnenbewegung erreicht werden. Viel wichtiger als die Entscheidung zwischen einer Enthaltung und der Stimme für die Wehrpflicht als kleineres Übel ist daher das Engagement zum Aufbau einer solchen Bewegung!

Zum Weiterlesen:

Zur Debatte um die österreichische Wehrpflicht