Lehrer_innen-Debatte in Österreich: Ein neues Dienstrecht, viele alte Probleme

Eine Reform des Dienstrechts für Lehrer_innen geht diesen Herbst um in Österreich. Und ein weiteres Mal zeigt sich, dass sich hinter einer sogenannten Reform im Wesentlichen ein Sparpaket versteckt. Gastkommentar einens AHS-Lehrers, er unterrichtet Geschichte und Deutsch an einer AHS in Wien 22.

Diesmal scheint das Sparpaket besonders gut versteckt zu sein. So versicherte Bundeskanzler Faymann: "Dafür werden höhere Einstiegsgehälter geboten" (bka.gv.at vom 19.11.2013). Die Sozialdemokraten haben also scheinbar ihr Wort gehalten, schließlich hatten sie im Wahlkampf plakatiert: "Gegen Lohnkürzungen". Es stellt sich freilich die Frage: Wofür werden höhere Einstiegsgehälter geboten? Dazu lesen wir im Kurier vom 18.11.2013: "Kern der Reform – Künftige Lehrer haben ein höheres Anfangsgehalt als die jetzigen; gegen Ende der Laufbahn gibt es weniger als jetzt. Und: Die Pädagogen sollen mehr unterrichten. Statt 17 bzw. 22 (je nach Schultyp) Stunden sollen es 24 Stunden pro Woche sein. Davon ausgenommen: Klassenvorstände" (müssen eine Stunde weniger unterrichten).

Es soll mit dem neuen Dienstrecht also auch Schluss gemacht werden mit den für das österreichische Schulsystem typischen unterschiedlichen Dienstrechten, einerseits für Pflichtschullehrer_innen, andererseits für Lehrer_innen an Gymnasien und berufsbildenden höheren Schulen. Wohl gemerkt, nur das Dienstrecht soll vereinheitlicht und die Ausbildung aller Lehrer_innen an die Universitäten verlegt werden, am zweigliedrigen Schulsystem selbst soll freilich fest gehalten werden. Nicht zuletzt wegen des zweigliedrigen Schulsystems, Stichwort Hauptschule vs. Gymnasium, gibt es von Alters her zum einen die nicht universitär ausgebildeten Pflichtschullehrer_innen: Sie haben eine höhere Lehrverpflichtung, dafür aber ein niedrigeres monatliches Gehalt. In Volksschulen sind das zu 90 Prozent weibliche Kolleginnen. Zum anderen im Wesentlichen die universitär ausgebildeten AHS- und BHS-Lehrer_innen, zu denen ich zähle. Hier gibt es je nach Unterrichtsgegenstand eine unterschiedlich hohe Lehrverpflichtung, aber jedenfalls, zumindest bisher, ein höheres Gehalt als für die Kolleginnen in den Pflichtschulen.

Neues Dienstrecht: mehr ist weniger

Soweit, so alt und schlecht. Mit dem neuen Dienstrecht winkt "Mehr Geld für mehr Arbeit", das klingt ja noch nicht nach einem Sparpaket. Die Personalvertretung an meiner Schule hat sich die Auswirkung für uns AHS-Lehrer_innen angesehen und errechnet, dass das neue Dienstrecht im Wesentlichen auf "Weniger Geld für mehr Arbeit" hinausläuft. Das scheinbar höhere Anfangsgehalt ist im Gegenteil sogar ein niedrigeres Anfangsgehalt. Praktischerweise wurden die Rechenergebnisse auch gleich am Tag der Offenen Tür am 22. November im ganzen Schulhaus plakatiert sie sehen wie folgt aus: Nach bisherigem Dienstrecht kam ein_e AHS-Lehrer_in mit einer vollen Unterrichtsverpflichtung von 20 Wochenstunden auf ein Anfangsgehalt von 2.294 Euro brutto pro Monat. Nach dem neuen Dienstrecht mit dem attraktiven, höheren Anfangsgehalt von 2.420 Euro brutto pro Monat müssten 24 Unterrichtsstunden pro Woche gehalten werden. Zum Begriff Wochenstunden noch weiter unten mehr. Nur soviel zum Ergebnis der Rechnung schon jetzt: Erhielt ein AHS-Lehrer nach altem Schema 57,30 Euro brutto monatlich pro Wochenstunde, so erhält er nach neuem Dienstrecht 50,40 Euro brutto im Monat pro Wochenstunde. Das höhere Anfangsgehalt hat also negatives Vorzeichen: Genau Minus 6,90 Euro pro Wochenstunde beträgt die "Steigerung". Noch eine Rechnung, um die Veränderung durch das neue Dienstrecht greifbarer zu machen: Nach dem bisherigen Dienstrecht muss ein Kollege mit den Fächern Deutsch und Geografie, wenn er beide Fächer unterrichtet, etwa in acht Klassen unterrichten. Bei durchschnittlich 25 Schüler_innen ergibt sich daraus ein Betreuungsschlüssel von 1:200. Das neue Dienstrecht bedeutet mehr Unterrichtsstunden, das bedeutet also mehr Klassen und mehr Schüler_innen für den Kollegen. Im konkreten Fall wären das ein bis zwei Klassen mehr, je nachdem, ob die Kollegin eine Deutschklasse mit 4 Stunden oder zwei Geografie-Klassen mit je 2 Stunden dazu bekommt. Der Betreuungsschlüssel verschlechtert sich also auf 1:225 oder auf 1:250, je nachdem. Das bedeutet: Weniger Zeit für individuelle Betreuung der Schüler_innen.

Das sind nur zwei Rechnungen, anhand derer die Verschlechterungen ersichtlich sind. Zugegeben: Aufgrund der bisher besseren Bezahlung der AHS- und BHS- Lehrerinnen bedeutet das neue Dienstrecht klarerweise eine größere Verschlechterung für diese Lehrer_innengruppe als für die Kolleginnen an den Pflichtschulen.

Spaltung der Lehrer_innenschaft

Das zweigliedrige Schulsystem ist nicht nur eine Institution, die mit dafür verantwortlich ist, dass Bildungsprivilegien vererbt werden, sie spaltet die Lehrer_innenschaft auch nachhaltig. Und so weiß auch ich im Wesentlichen nur über die Veränderungen für die AHS-Lehrerinnen Bescheid. Aber selbst hier gibt es Kolleg_innen denen größere Verschlechterungen ins Haus stehen und solche, denen weniger große Verschlechterungen ins Haus stehen.

 

Am härtesten trifft das neue Dienstrecht (zukünftige) AHS- und BHS-Lehrer_innen in den sogenannten Schularbeitsfächern. Diese müssen bisher nämlich "nur" 18 Stunden unterrichten und erhalten trotzdem die "vollen 20 Wochenstunden", das ist als Ausgleich für die Zeit gedacht, die diese Kolleginnen mit dem Korrigieren von Hausübungen und Schularbeiten verbringen. Vollbeschäftigte Kolleg_innen in Nicht-Schularbeitsfächern unterrichten 20 bis 22 Stunden wöchentlich. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden soll zukünftig für alle Kolleg_innen auf 24 Stunden angehoben werden, das ist für die Schularbeitsfächer (Mathe, Deutsch, Englisch) eine Steigerung um 6 Stunden pro Woche bzw. Unterricht in zwei zusätzlichen Oberstufenklassen.

Ein lustiges Detail über die Berichterstattung betreffend dieser Arbeitszeiten der Lehrer_innen war für mich die Meldung, dass sich die Lehrer_innen den Rest der Arbeitszeit völlig frei einteilen können. Für Vorbereitung, Korrektur usw. ist das zwar richtig. Aber in Wirklichkeit zählen zur sogenannten "Lehrverpflichtung" noch zahlreiche weitere, unbezahlte Arbeitsstunden, die man sich beim besten Willen nicht "frei einteilen" kann. Dazu zählen drei Stunden Bereitschaft pro Woche, das sind also die Stunden, in denen man bereit steht um für abwesende Kolleg_innen zu "supplieren". Mindestens eine solche Supplierstunde pro Woche ist übrigens jedenfalls unbezahlt zu halten. Jedenfalls zählen diese Stunden nicht zu den Wochenstunden der Lehrverpflichtung und von einer freien Zeiteinteilung kann keine Rede sein, im Gegenteil: Natürlich muss ich anwesend und verfügbar sein, um eben für erkrankte Kolleg_innen einspringen zu können. Dasselbe gilt für die wöchentliche Sprechstunde. Auch diese hat den Wert "Null" in der Lehrfächerverteilung, zählt also nicht zu den ominösen 20 Unterrichtsstunden und wird nicht bezahlt. So geht es weiter mit mehrmals pro Semester stattfindenden Konferenzen, mit dem Elternsprechtag, mit den – an meiner Schule – alle zwei Wochen stattfindenden Teamsitzungen, alle diese Stunden werden nicht extra bezahlt, sie sind nicht Teil der "20 Wochenstunden" und sie können nicht frei eingeteilt werden.

Wie viele Stunden sich ein_e Lehrer_in wöchentlich auf seine Unterrichtsstunde vorbereitet, wie viel er oder sie sich überlegt, um den Unterricht abwechslungsreicher zu machen, wie viele Stunden er oder sie damit verbringt, Materialien für Freiarbeit oder für Projektunterricht zu erstellen oder sogar einfach nur für seinen "Frontalunterricht", weil auch der kann mehr oder weniger ansprechend ausfallen, all das hängt vom individuellen Lehrer ab. Nach verschiedenen Arbeitszeitstudien, auch von denjenigen, die von der Regierung in Auftrag gegeben wurden, kommen Lehrer_innen durchschnittlich auf 43 bis 45 Stunden Arbeit pro Woche.

Viele Kolleginnen und Kollegen, die sich um die Einrichtung und Wartung vernünftiger Computerräume kümmern und als "Systemadministratoren" arbeiten, werden oft aber auch noch mehr Stunden wöchentlich arbeiten. Sie müssen als zwar "ersatzweise" einige wenige Wochenstunden weniger unterrichten, kümmern sich aber rund um die Uhr neben ihrem normalen Unterricht um das Funktionieren der EDV.

Solche Überlegungen finden selten Eingang in die öffentliche Debatte, dort wird lieber Jagd auf die „faulen Lehrer“ gemacht. Und es stimmt. Die Bezahlung in der Schule und die dafür von den Lehrer_innen geleistete Arbeit erfolgt ein wenig nach dem Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" Es erhält jeder Lehrer in Österreich das gleiche Gehalt, zumindest in der gleichen Schulart. Dass das trotzdem einigermaßen funktioniert, hat ganz offenbar damit zu tun, dass die meisten Kolleg_innen ihren Job als sinnvoll erleben und deshalb mehr als das unbedingte Minimum an Aufwand und Zeit dafür aufwenden. Aufstieg und Karriere als Belohnung für "außergewöhnlichen Einsatz" oder wahlweise für das richtige Parteibuch gibt es nur für ganz wenige. Da gibt es einmal den "Administrator", zum anderen den "Direktor". Bei weit mehr als 100 Kolleginnen an meiner Schule kann sich jede_r ausrechnen, wie hoch die Chancen für diesen Aufstieg stehen.

Und ob ein Lehrer oder eine Lehrerin sich auch noch um die Organisation des jährlichen Schulfests oder dergleichen kümmert, das hängt davon ab, wie viele Reserven er oder sie eben noch hat. Bezahlt bekommt kein Lehrer etwas dafür. Allerdings hängt die Finanzierung der Schulen, also die (Nicht-)Ausstattung mit Computern in vielen Fällen davon ab, wie viel Geld bei Schulfesten und ähnlichen Gelegenheiten hereinkommt. Auch werden solche Einnahmen beispielsweise für Unterstützung für Schüler_innen verwendet, die sich ohne Zuschuss die Teilnahme an einwöchigen Veranstaltungen wie Auslandsaufenthalten nicht leisten könnten. Davon ist in der Medienberichterstattung nicht viel zu lesen, wäre ja schließlich ein weiterer Hinweis für die Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung.

35 Verhandlungsrunden

Bei der Vermarktung des neuen Dienstrechts dagegen erwiesen sich die meisten Medien in Österreich als treue Diener ihrer Regierungsherren. Mehrere Millionen jährlicher Einnahmen aus Inseratenkampagnen der Regierung werden dieser scheinbar durch Hofberichterstattung zurückbezahlt.

Dabei waren sich Regierung und die meisten Expert_innen und Medien einig: Nach 35 Verhandlungsrunden zwischen Vertretern der Gewerkschaft und denen der Regierung zum neuen Lehrer_innendienstrecht muss doch endlich einmal Schluss sein. Die Qualität eines Verhandlungsergebnisses wird in Österrreich, da sind sich Regierung, Experten und die meisten Medien einig, an der Zahl der Verhandlungsrunden gemessen. Die Ablehnung des Entwurfs für ein neues Dienstrecht war das Ergebnis der "Blockierer-Haltung" der Lehrer_innengewerkschaft. Was stört da die Tatsache, dass die Anfang 2012 begonnenen Verhandlungen die längste Zeit unter Geheimhaltung geführt worden waren, daran hat man sich entweder schon gewöhnt oder man wird sich noch daran gewöhnen müssen.

Kurz vor der ursprünglich im Frühjahr 2013 geplanten Beschlussfassung im Nationalrat wurden die Ergebnisse der Verhandlungen erstmals dem einfachen Fußvolk der Lehrer_innen präsentiert. Das Ergebnis hatte allerdings den Schönheitsfehler, dass die Gewerkschaftsvertreter das neue Dienstrecht ablehnten. Nach einigen weiteren Verhandlungsrunden, die ebenfalls ohne Einigung endeten, wurde der Regierungsentwurf im Sommer "in Begutachtung" geschickt. Der Verhandlungsführer auf Seiten der Lehrer, Paul Kimberger, Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, meinte dazu: "Ohne Verhandlungsergebnis kann kein Gesetzesentwurf in Begutachtung gehen. Das wäre eigentlich ein Bruch der Sozialpartnerschaft. [… Das] kann die Gewerkschaft nicht hinnehmen". (aus: Der Standard, 8.8.2013)

Die Regierung setzt auf Klassenkampf

Der Vorwurf des "Bruchs der Sozialpartnerschaft" kümmerte die Regierung nur wenig, im Gegensatz zur Gewerkschaft war sie offenbar zum Klassenkampf bereit. So wurde nach den Nationalratswahlen angekündigt, dass das neue Dienstrecht auch ohne Zustimmung der Gewerkschaftsvertreter im Nationalrat beschlossen werden sollte. Zwischenzeitlich hatte sich unter den Lehramtsstundierenden eine "Initiative für ein faires Lehrer_innendienstrecht" gebildet, diese organisierte eine Anfang Oktober eine Demo in Wien von der Uni zum Bundeskanzleramt, an der rund 700 Leute teilnahmen, und zwar Studierende Seite an Seite mit einigen solidarischen Kolleg_innen, "die eigentlich ja gar nicht betroffen sind."

Dass die bereits im Dienst befindlichen Lehrer_innen gar nicht betroffen sind entwickelte sich neben den 35 Verhandlungsrunden allmählich zum besten Argument der Regierungsseite und der Befürworter des neuen Dienstrechts. Dieses, ihr bestes Argument, schickten Regierungsvertreter wie ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka oder die von den Medien so genannte "Beamten"-Staatssekretärin Gabriele Heinisch-Hosek von der SPÖ allerdings erst relativ spät ins Rennen, vielleicht haben sie das auf einem Rhetorik-Seminar so gelernt: Das neue Dienstrecht gilt nur für Lehrer_innen, die ab 2019 neu in den Dienst eintreten!

Mir persönlich ist kein einziger Kollege und keine einzige Kollegin bekannt, der oder die bisher daran gedacht hätte, diesen Gedanken auszusprechen. Einmal abgesehen davon, dass das neue Dienstrecht auch für alle Kolleg_innen gelten wird, die bis dahin schon beschäftigt waren, aber noch keinen fixen Vertrag haben, habe dafür bisher nur diese Erklärung gefunden:Solidarität ist für meine Kolleginnen und Kollegen offenbar kein Fremdwort, sondern eine Selbstverständlichkeit. Die Aussicht darauf, den ohnehin schon knappen Raum im "Lehrerzimmer" in naher Zukunft mit einer stetig wachsenden Zahl junger, schlechter bezahlter Kolleginnen teilen zu müssen, ist zumindest für die Kolleg_innen, die ich kenne, kein Grund sich zurückzulehnen und sich darüber zu freuen, "dass sie eh nicht betroffen sind."

"Lassen wir uns nicht auseinander dividieren"

"Lassen wir uns nicht auseinander dividieren in AHS und Pflichtschule, Berufsschule und BMHS." So lautet die meiner Ansicht nach wichtigste Forderung der "Initiative für ein faires Lehrer_innendienstrecht", die meiner Einschätzung nach bisher vor allem von Lehrarmtsstudierenden an den Unis und solidarischen Kolleg_innen an den AHS getragen wird. Das Auseinanderdividieren der Lehrer_innen im Österreichischen Schulsystem mit seinen unterschiedlichen Dienstrechten scheint die beste Waffe der Regierung in der Auseinandersetzung mit den Lehrer_innen zu sein. Die Kürzung der Lebensverdienstsumme durch das neue Dienstrecht beträgt nach Berechnungen der AHS-Lehrer-Gewerkschaft bis zu 500.000 Euro für einen AHS-Lehrer, aufgrund der bisher schlechteren Bezahlung der Pflichtschullehrer ist der Verlust bei diesen entsprechend geringer. Als Mitglied der AHS-Lehrergewerkschaft komme ich mehrmals jährlich in den Genuss, die von der Gewerkschaft herausgegebene Zeitschrift mit dem passenden Titel "Gymnasium" zugeschickt zu bekommen. Eine Beschäftigung mit den Auswirkungen des Dienstrechts auf die Kolleginnen in den Pflichtschulen ist den "Standesvertretern" der AHS-Lehrer_innen bisher kaum eine Zeile wert gewesen. Verantwortlich dafür zeichnet der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, Eckehard Quin, seines Zeichens AHS-Lehrer und Lokalpolitiker der ÖVP in Niederösterreich. Dieser hat es sich zweifelsohne zu seiner Lebensaufgabe gemacht, eine gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen zu verhindern. Unter seiner Führung wurde die Zeitung der AHS-Lehrergewerkschaft von "AHS" in "Gymnasium" umbenannt. Offenbar war ihm der Titel "AHS" noch zu wenig Abgrenzung zur Gesamtschule. In eben dieser Zeitung erscheinen regelmäßig tendenziöse Berichte über die Nachteile der Gesamtschule im Allgemeinen und die verheerenden Folgen des finnischen Gesamtschulmodells im Besonderen. Quin, der auch den Blog "Quintessenzen" (https://quinecke.wordpress.com/) betreibt, befasst sich auf diesem auch in erster Linie damit, regelmäßig Kommentare und Blogeinträge gegen die gemeinsame Schule der 10 bis 14-Jährigen zu veröffentlichen. Der jüngste dieser Einträge stammt vom 9. November 2013, hier freut sich der konservative Gewerkschafter über das Ergebnis einer vom „Standard“ in Auftrag gegebenen Umfrage des Market-Instituts über die fehlende Zustimmung zu einer Gesamtschule in der Bevölkerung. (https://quinecke.wordpress.com/tag/gesamtschule/)

"Lassen wir uns nicht auseinander dividieren in AHS und Pflichtschule, Berufsschule und BMHS." Und genau hier müssen sich meiner Ansicht nach die Forderungen fortschrittlicher Kolleginnen und Kollegen von denen der führenden "Standesvertreter" der AHS-Lehrergewerkschaft unterscheiden. Denn eine gemeinsame, wie geplant universitäre Ausbildung aller Lehrer_innen, ist meiner Ansicht nach grundsätzlich zu begrüßen. Dadurch ergäbe sich nach der Logik der Bezahlung der öffentlich Bediensteten eben auch ein gemeinsames, einheitliches Dienstrecht. Ein solches neues Dienstrecht muss aber Verbesserungen für alle Kolleg_innen bringen, und darf nicht massive Verschlechterungen für viele Kolleg_innen bedeuten. Der Entwurf für das neue Dienstrecht bringt zusätzliche Spaltungen. Absehbar ist hier insbesondere die Herausbildung einer Gruppe der "überbezahlten, weniger arbeitenden Altlehrer an den AHS und BMHS". Es braucht nur wenig Phantasie, um sich die Medienkampagne von "Österreich" und ähnlichen Zeitungen in Zukunft auszumalen.

Leider völlig erfolglos haben sich die Vertreter_innen der Österreichischen Lehrer_inneninitiative (= ÖLI), die zur Fraktion der Unabhängigen Gewerkschafter_innen zählen, dafür eingesetzt, dass von Gewerkschaftsseite gemeinsame Forderungen betreffend der Eckpunkte eines neuen Dienstrechts ausgearbeitet werden. Mit solchen Eckpunkten, mit Mindestforderungen für ein neues Dienstrecht hätte die Gewerkschaft an die Öffentlichkeit gehen können und wäre damit weniger leicht als reine "Betonierer-Vereinigung" wahrgenommen worden. Statt dessen haben die Gewerkschaften den "Geheimverhandlungen" zugestimmt. Zur Ausarbeitung gemeinsamer Eckpunkte waren die FCG-dominierten Gewerkschaften nicht in der Lage, statt dessen spielte sich ein Abwehrkampf ab, bei dem nicht ganz zu Unrecht der Eindruck entstehen musste, dass die Gewerkschafter am liebsten alles beim Alten belassen möchten.

Aber damit nicht genug: Innerhalb der Lehrergewerkschaften herrscht eine Schicht aus FCG-Funktionären, die praktisch nicht in der Lage sind, eine gemeinsame Stimme aller Lehrer_innen in der Öffentlichkeit zu sein. Im Gegenteil, es wird immer offenbarer, dass Quin seine Funktion als Chef der AHS-Lehrergewerkschaft nicht nur für seinen Kampf gegen die gemeinsame Schule gebraucht, sondern dass er auch einen Kampf gegen das neue Dienstrecht führen möchte, der in der Öffentlichkeit nicht anders als ein Kampf für die Beibehaltung der "Besserstellung der AHS-Lehrer" ankommen kann. Das ist mit ziemlicher Sicherheit die Garantie für eine Niederlage des Kampfes. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Quin bereit ist, diesen Preis zu bezahlen, solange sein heiß geliebtes Gymnasium erhalten bleibt.

Mit dieser Gewerkschaftsführung ist ein erfolgreicher Kampf gegen Verschlechterungen mit ziemlicher Sicherheit unmöglich. Die schwarzen Gewerkschafter setzen auch weniger auf Arbeitskampf als darauf, Druck auf "ihre" ÖVP-Abgeordneten im Parlament auszuüben, womit sie womöglich sogar kurzfristig erfolgreich sein könnten, beim Vorhaben, das Dienstrecht zu verhindern. Denkbar wäre auch ein Szenario, bei dem das neue Dienstrecht nur für die Pflichtschullehrer_innen kommt. Das Dienstrecht bei den AHS und BHS-Lehrern bliebe dann beim Alten und die Trennung in Hauptschule und AHS sowieso. Damit bliebe aber der Kampf für eine neue, eine besser Schule erst Recht auf der Strecke.