Dies ist die Vorderseite der Betriebsflugblätter, die wir gemeinsam mit der SAS in Berlin verteilen. Wir kommentieren diesmal die Ereignisse in der Ukraine.
Die Ukraine und die Krise auf der Krim beherrschen die Nachrichten der letzten Tage und Wochen. Was mit Protesten und Demonstrationen der Bevölkerung gegen die Regierung begann, wurde schnell zu einem Ringen der Großmächte um ihren Einfluss auf das Land am Schwarzen Meer. Während die USA und die EU Russland mit Sanktionen drohen und den G8 Gipfel auf Eis legen wollen, stehen russische Truppen auf der Krim-Halbinsel im Südosten der Ukraine, wo ein Referendum über den Anschluss an Russland vorbereitet wird. Beide Seiten tun so, als würden sie für Menschenrechte und Demokratie eintreten, aber niemand denkt daran, die wirklichen Probleme der Bevölkerung zu lösen.
Die Situation der Bevölkerung…
Der bisherige Präsident Wiktor Janukowitsch schien bis vor ein paar Monaten noch für alle Welt fest im Sattel zu sitzen. Doch schon Ende November 2013 zeigten Hunderttausende Menschen mit Großdemonstrationen in der Ukraine, wie unzufrieden sie mit ihrer Lebenssituation und dem Handeln der PolitikerInnen sind. Und die Wut der Bevölkerung ist gut zu verstehen. Im Jahr 2012 bezogen 80 % der RentnerInnen des Landes eine staatliche Mindestrente von 81 €. Die Kindersterblichkeit ist fast vier Mal so hoch wie in Deutschland und die Lebenserwartung zehn Jahre niedriger. Auf der einen Seite steht also die Bevölkerung, die zu einem immer größeren Teil in Armut lebt. Auf der anderen Seite stehen die KapitalistInnen, die immer größere Mengen an Reichtum anhäufen. Angeführt werden sie von einigen Oligarchen, die mit ihrem Einfluss die Ukraine real beherrschen. Abgeordnete, Printmedien, TV-Sender – all das steht unter ihrer Kontrolle. Auf dem Korruptionsindex von „Transparency International“ ist die Ukraine das europäische Land mit dem höchsten Wert. Es ist deshalb gut zu verstehen, dass der Hass der DemonstrantInnen der gesamten politischen Elite gilt.
…und der Kampf auf der Straße
Die Bewegung auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum von Kiew, war gut organisiert. Die Protestierenden haben Straßensperren errichtet, ein Regierungsgebäude nach dem anderen eingenommen und die Kontrolle über die Hauptstadt übernommen. Die dominanten Kräfte wussten, dass die beste Verteidigung gegen ein gewalttätiges Regime mitunter darin liegt, selbst in die Offensive zu gehen.
Jedoch ist die Bewegung auf dem Maidan keineswegs so unkritisch zu bejubeln, wie das in den deutschen Medien der Fall war. Die präsenteste politische Kraft in der Bewegung ist die Rechte. Nationalistische bis hin zu offen faschistischen Gruppen spielen eine wichtige Rolle, vor allem in den Kämpfen mit der Polizei. Gleichzeitig sind es auch diese Gruppen, die linke und gewerkschaftliche AktivistInnen zum Teil mit Gewalt von den Protesten vertreiben und die der gesamten Bewegung eine nationalistische Stoßrichtung geben und somit dafür sorgen, dass die sozialen Forderungen und Probleme der Bevölkerung außen vor bleiben.
Spielball der Weltmächte
USA, EU und IFW (Internationaler Währungsfonds) sind nach dem Rücktritt der Regierung und der Flucht des Präsidenten natürlich zur Stelle, um ihre Einfluss zu festigen. Dazu wurden Kredite angeboten, die ähnlich wie z. B. in Griechenland an die Bedingung brutaler Sparmaßnahmen geknüpft sind: Privatisierungen, Kürzungen im Sozialsystem, Öffnung der Märkte für internationale Konzerne und so weiter.
Und auch Putin ist nicht daran interessiert, die soziale Lage der Bevölkerung positiv zu ändern, sondern er will die Interessen der russischen Unternehmen schützen und den Einfluss Russlands in der Region sichern.
Soziale Forderungen statt nationalistischer Hetze
Wie beeindruckend der Kampf auf dem Maidan auch gewesen sein mag, erfolgreich wird er mit seiner nationalistischen Ausrichtung nicht sein können. Die Oppositionspolitiker, die vom Westen als FührerInnen der Bewegung akzeptiert werden, gehören zu der gleichen wirtschaftlichen und politischen Elite, die das Land seit Jahren regiert. Der Kampf, der geführt werden muss, ist in Wirklichkeit ein Kampf gegen die Macht der KapitalistInnen und Oligarchen. Sie sind es, die von der Situation profitieren und sich selbst bereichern, während die Bevölkerung immer ärmer wird. Diesen Kampf zu führen bedeutet aber auch, sich nicht mit nationalistischen Scheinlösungen abspeisen zu lassen. Nur wenn die Beschäftigten aller Nationalitäten gemeinsam ihre politischen und vor allem auch sozialen Forderungen in den Vordergrund stellen, können sie die Situation wirklich verändern.