Der Konflikt um die Halbinsel Krim beschäftigte in den letzten Wochen die internationale Öffentlichkeit. Wir haben ein paar Gedanken dazu in einer kurzen Stellungnahme zusammen gefasst.
Der „Westen“ und das „Völkerrecht“
Das „Völkerrecht“ ist zu aller erst einmal eine Menge geduldiges Papier, ein Begriff, der von den Herrschenden jeweils so gebogen wird, wie es ihnen in den Kram passt. Quelle des Völkerrechts sind bi- und multinationale Verträge, die unter der Dominanz der ökonomisch stärksten Staaten der Welt entstanden sind. Ob eine militärische Aktion einen „Bruch des Völkerrechts“ darstellt, kann für Marxist_innen nicht die oberste Richtschnur sein, sondern die Frage, welche (Klassen)Interessen hinter einer solchen Aktion stehen.
Das Beispiel der Krim zeigt die ganze Heuchlerei und Doppelmoral der Regierungen der EU und der USA in Bezug auf das „Völkerrecht“. Denn bei der Auflösung der Sowjetunion oder Jugoslawiens waren die „westlichen“ Staaten glühende Verfechter der Abspaltungen einzelner Länder – nun aber pochen sie auf die „territoriale Integrität der Ukraine“. Das martialische Säbelrasseln führender Vertreter_innen des „Westens“ bis hin zu Vorschlägen, die Atombombe einzusetzen (Sarah Palin, Ex-Gouverneurin von Alaska sowie Julia Timoschenko, Ex-Regierungschefin der Ukraine und EU-Liebkind) spricht Bände.
Weder EU noch Russland!
Wenn wir USA und EU kritisieren, heißt das nicht, dass wir uns – so wie viele Stalinist_innen – auf die Seite Russlands stellen. Die Besetzung der Krim-Halbinsel durch russische Truppen war eine imperialistische Aggression – doch in der gegenwärtigen Weltpolitik leider nichts ungewöhnliches. Wenn US-Außenminister John Kerry meint „im 21. Jahrhundert benimmt man sich nicht einfach wie im 19. Jahrhundert und marschiert unter einem erfundenen Vorwand in ein anderes Land ein" dann erinnert er unfreiwillig an den britisch-US-amerikanischen Angriffskrieg gegen den Irak, der von zahlreichen europäischen Regierungen unterstützt wurde. Wir lehnen die russische Aggression ab, unsere Verbündeten sind hier aber nicht die Regierungen der EU, sondern die Antikriegsbewegung und nicht-nationalistische Kräfte in Russland und der Ukraine..
Zwischen der Außenpolitik Russlands sowie der USA und der EU gibt es keine qualitativen Unterschiede. Beiden Seiten geht es um ökonomische und geostrategische Einflusssphären und nicht um „Menschenrechte“ und „Demokratie“, wie oft beteuert wird. Unterschiede gibt es lediglich in der militärischen Stärke der einzelnen Global Player. Wir Lohnabhängige sollten in Konflikten zwischen diesen Machtblöcken keine Seite beziehen. Unsere Interessen werden nicht von dieser oder jener Regierung vertreten, diese können wir nur selbst vertreten.
Für das nationale Selbstbestimmungsrecht!
Wir sprechen uns für das nationale Selbstbestimmungsrecht aus – und zwar unabhängig davon, ob wir zum Beispiel die Lostrennung eines Gebietes von einem bestehenden Staat sinnvoll finden oder nicht oder ob „der Westen“ dafür oder dagegen ist. Im aktuellen Fall bedeutet das, dass wir den Wunsch großer Teile der Krim-Bevölkerung (und zwar offenbar nicht nur der ethnischen Russ_innen) auf Lostrennung von der Ukraine und Anschluss an Russland respektieren. (Auch wenn ein Referendum unter militärischer Besatzung sicherlich nicht als völlig frei bezeichnet werden kann). Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass ein relevanter Teil der Bevölkerung, nämlich die Krim-Tatar_innen mehrheitlich gegen eine Eingliederung an Russland sind und hier wiederum eine neue unterdrückte Bevölkerungsgruppe entstehen könnte.
Gegen Nationalismus und Chauvinismus!
Die Unterstützung der ukrainischen Übergangsregierung, in der offen faschistische Kräfte wichtige Positionen wie jene des Vize-Premiers, des Generalstaatsanwalts oder des Chef des nationalen Sicherheitsrats einnehmen, durch die EU ist ein Skandal. Ein ähnlicher Skandal ist die Verleugnung und – als dies nicht mehr zu leugnen war – anschließende Verharmlosung dieser faschistischen Kräfte durch die bürgerlichen Medien oder liberale Parteien wie die deutschen Grünen. Damit einhergehend wurde in der deutschsprachigen Medienlandschaft, unter dem Deckmantel der liberalen Demokratie, in den letzten Wochen ein latenter antirussischer Rassismus aufgebaut, den es schärfstens zurückzuweisen gilt. So wird etwa, in einer an den kalten Krieg erinnernden Rhetorik, ein Bild von Putin als dem gefährlichsten Mann der Welt“gezeichnet. Die vermeintlich demokratischen und liberalen Kräfte helfen fleißig mit die eigenen Reihen zu schließen und in der Bevölkerung für Rückhalt bei der Durchsetzung der imperialistischen Interessen der EU zu sorgen.
Weder der Regierung der USA, noch der EU noch Russlands geht es um eine Verbesserung der Lebensbedingungen der breiten Bevölkerung. Eine solche könnte nur durch eine breite, multiethnische Arbeiter_innenbewegung erreicht werden. Ein unabhängiger Standpunkt der Lohnabhängigen ist das Gebot der Stunde.