Trotz der Konkurrenz von Gastgärten und Donaukanal-Bars war das Center in der Lustkandlgasse letzten Donnerstag gut gefüllt. Unter dem Titel „FUSSBALL, WM, WIDERSTAND“ hatten RSO und Funke zur Podiumsdiskussion geladen.
Nach einer unvorhersehbaren technischen Panne begann die Veranstaltung mit leichter Verspätung. Den Anfang machte eine Live-Schaltung nach Sao Paolo, wo uns Caio Dezorzi, Sprecher der Kampagne „Público, Gratuito e Para Todos“ (Öffentlich, gratis und für alle) einen Einblick in die Protestbewegung gegen die Begleiterscheinungen der WM, die sich letztes Jahr gebildet hatte, gab. Caio sprach von insgesamt 17 Millionen Menschen, die im Juni 2013 in ganz Brasilien auf der Straße waren. Seitdem gab es immer wieder Demonstrationen und Streiks (mehr als je zuvor in Brasilien) in verschiedenen Teilen des Landes. Hinter dem Slogan „Die WM wird nicht stattfinden“ bzw. einem Aufruf zum Boykott stünde aber nur eine Minderheit der Bevölkerung. Die Proteste gegen die sozialen Auswirkungen des Mega-Events und die brutale Polizei-Repression hingegen würden massenhaft unterstützt. Auf eine Frage aus dem Publikum bezüglich dem Einfluss rechtsextremer Kräfte in der Protestbewegung antwortete Caio ausführlich. Diese hätten zwar versucht, die Massenbewegung zu unterwandern, zu von Rechten organisierten eigenen Demonstrationen kamen aber nur wenige. Auch von der Polizei unterstützte Angriffe seitens rechtsextremer Schläger auf Linke innerhalb der Demos hätte es gegeben. Mit dem Tipp von 2:0 für Brasilien (welches das Eröffnungsspiel gegen Kroatien letztendlich 3:1 gewann) verabschiedete sich Caio Dezorzi und die Podiumsdiskussion konnte starten.
Moritz Ablinger, Redakteur des kritischen Fußballmagazins Ballesterer erklärte die Kritik am System FIFA anhand der Vergabe der WM 2022 an Katar, und warum eine WM dieser Art keine Zukunft mehr hätte. Funke und SJ Alsergrund-Aktivistin Helene Steiner leitete das Phänomen Fußball als Massenkultur historisch her und erläuterte sowohl die progressiven als auch die herrschaftsstabilisierenden Elemente des Fußballsports.
Aus dem Publikum kam die Frage des Boykotts der WM auf. Während Ablinger meinte, der Ballesterer könne es sich ökonomisch nicht leisten, über Welt- und Europameisterschaften nicht zu berichten, dies müsse aber kritisch geschehen, bezweifelte Steiner die Wirkmächtigkeit eines individuellen Konsumboykotts. Letztendlich ginge es doch mehr um die Frage, wie die sozialen Kämpfe in Brasilien unterstützt werden könnten – „und das tun wir am besten, indem wir auch hier gegen den Kapitalismus und seine Auswirkungen kämpfen“.
Ablinger sprach weiters über die Verbindung von Fußball, Philosophie und Politik in Lateinamerika indem er die Begriffe „linker und rechter Fußball“ des ehemaligen argentinischen Nationaltrainers César Luis Menotti erläuterte. Außerdem berichtete er über spannende politische Entwicklungen unter österreichischen Fußballfans, die von ähnlicher Repression betroffen seien wie linke Aktivist_innen. Helene Steiner betonte in ihrem Abschlussstatement, dass man die Fankurve nicht den Rechtsextremen und den Fußball an sich nicht der totalen kapitalistischen Verwertung überlassen dürfe. Die letzten Worte gehörten Bill Shankly, dem populären Trainer des FC Liverpool in den 1960er und 70er Jahren, der vom Moderator folgendermaßen zitiert wurde: „Der Sozialismus, an den ich glaube, bedeutet, dass jeder für den anderen arbeitet und alle einen Anteil am Gewinn erhalten. Das ist die Art, wie ich Fußball sehe, die Art, wie ich das Leben sehe.“