Die verschiedensten europäischen Politiker_innen demonstrierten am 11. Januar unter dem Motto „Wir sind Charlie“ für die Meinungsfreiheit. Auf unserer aktuellen Berliner Vorderseite, die wir gemeinsam mit der SAS vor Betrieben verteilen, stellen wir uns kritisch zu dieser Einheit.
Am 7. Januar wurde ein Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo verübt. Zwei Tage später wurden bei einer Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt vier Menschen erschossen. Reaktionäre islamistische Kräfte bekennen sich zu diesen Anschlägen, als Antwort auf veröffentlichte Mohamed-Karikaturen und die französischen Militärinterventionen in Afrika. Die kaltblütige Gewalt der Anschläge rufen Empörung und Wut hervor.
Das politische Ausschlachten der Ereignisse
Die verschiedensten europäischen Politiker_innen demonstrierten am 11. Januar unter dem Motto „Wir sind Charlie“ für die Meinungsfreiheit. Unter ihnen zum Beispiel der ungarische Premierminister Victor Orban, der mit Hilfe von faschistischen Gruppen die Presse unterdrückt und der spanische Präsident Mariano Rajoy, der kürzlich die Demonstrationsfreiheit einschränkte.
Überall versuchen Politiker_innen und Medien dieses schreckliche Ereignis bestmöglich auszunutzen, um ihre politischen Ziele zu verfolgen. Das zeigt allen voran der französische Präsident. Er ruft zur nationalen Einheit auf und versucht sein Ansehen, welches er durch seine Spar- und Kürzungspolitik verloren hatte, wieder aufzubessern.
Auch hier verkünden Merkel und Gauck die Einheit der Nation. Mit Worten wie „Wir alle sind Deutschland“ und „…wir alle wollen diesen Staat und die Freiheit seiner Bürger schützen." Doch ihre Freiheit schützt vor allem den Reichtum der Reichen und „wir“ haben wenig gemeinsam mit den Vermögenden. Wie eine neue Studie von Oxfam zeigt, werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung besitzt 65-mal mehr Geld als die Hälfte der Menschheit. In Deutschland haben die obersten ein Prozent 25-mal mehr Vermögen als 50 Prozent der Deutschen zusammengenommen. Die Studie zeigt auch, dass die Vermögenden einen immer größeren Einfluss auf die Politik und die Gesetzgebung ausüben und immer mehr Geld in Lobbyismus investieren. Dies ist ihr Verständnis von Demokratie und Freiheit. Und die verteidigen sie mit ihren Mitteln.
Dieses „Wir“ dient nur der Unterdrückung
In Folge der Anschläge wird überall in Europa die Verschärfung von Überwachung und sogenannten Antiterrorgesetzen diskutiert. Ähnlich wie in den USA nach dem 11. September werden wir im Namen der Freiheit zu gläsernen Bürgern. Auch außenpolitisch erinnern die Ereignisse an den 11. September. Hollande spricht wie seinerzeit George Bush vom „Krieg gegen den Terrorismus“. In Wirklichkeit sind es Kriege im Interesse multinationaler Konzerne, die die Ressourcen der Länder ausbeuten wollen. Afghanistan 2001, Irak 2003, Libyen 2011 und Mali 2013 zeigen, dass diese Kriege nicht zur Schwächung der Islamist_innen beigetragen haben, sondern einen Nährboden für noch mehr Terror schufen. Doch welche Länder werden diesmal angegriffen?
Die Bevölkerungen der neuen Kriegsschauplätze werden gleich zweimal betroffen sein. Einerseits durch die Bombardements der westlichen Streitkräfte und andererseits durch den Terror der Islamist_innen. Das Elend in diesen Ländern wird dadurch nur verstärkt und treibt die Menschen zur Flucht oder in die Arme von Extremist_innen.
Somit ist für den islamistischen Nährboden gesorgt. Die Heuchelei der westlichen Mächte wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass sie in den letzten Jahrzehnten immer wieder reaktionäre Kräfte unterstützt haben, um ihre Interessen in Afrika und im mittleren Osten durchzusetzen. Seien es die Taliban, die im Kampf gegen die Sowjetunion ausgerüstet wurden oder heute Saudi- Arabien und Katar, mit ihrer nicht minder fundamentalistischen Regierungsform, welche Verbündete des Westens sind.
Ihre Freiheit ist nicht unsere
Wenn es nach den Herrschenden geht, sollen sich alle im Namen der Freiheit und westlicher Werte verbünden…
Auch wir sind für die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit. Aber vor allem sind wir für die Freiheit der Unterdrückten, Ausgebeuteten und Arbeiter_innen. Unsere Freiheit richtet sich gegen das kapitalistische System, welches nur den Reichen die „Freiheit“ gibt, immer reicher zu werden und den Rest zu unterdrücken und auszubeuten, und gegen Regierungen, die diese „Freiheit“ aufrecht erhalten.
Nicht die Einheit der Nation wird uns helfen, sondern die Einheit der Unterdrückten und Ausgebeuteten, egal ob deutscher, arabischer, französischer oder türkischer Herkunft. Unsere Freiheit müssen wir gegen das kapitalistische System und gegen jeden religiösen Fundamentalismus erkämpfen.