Wortwitze wie „Bobo Haram“ oder „Antifashionistische Aktion“ machten die Facebook-Satire „Freie Volksrepublik Meidling“ groß. In regelmäßigen Artikeln und Fotomontagen wurde ein gentrifizierunskritischer Verteidigungskampf Meidlings geführt. Dabei wurden nicht nur viele linke Eigenheiten satirisch verarbeitet, sondern auch aktuelle Ereignisse und oberflächliche Hipster-Kritik. Nach einem halben Jahr Pointenfeuerwerk und über 1600 „Gefällt mir“ Angaben wird jetzt dieses, auch in der Linken sehr beliebte, Projekt eingestellt. Im Interview mit der RSO spricht der Macher der Seite über Hipster, Hausbesetzungen und ob Mohammed-Karikaturen lustig sind.
Die Fahne der "Freien Volksrepublik Meidling"
RSO: Stefan, du hast ein halbes Jahr lang die Facebook-Seite „Freie Volksrepublik Meidling “ betrieben. Jetzt hast du sie eingestellt. Sind dir die Schmähs ausgegangen?
Stefan, FVM: Ganz ehrlich: Ja. Die FVM hatte durchwegs eine ziemlich hohe Reichweite und viele likes für die einzelnen Beiträge. Und es gab am Anfang jeden und dann ca. jeden zweiten Tag einen neuen Beitrag. Ich wollte nicht, dass sich alles nur mehr wiederholt und die Leute dann nur mehr genervt und gelangweilt sind.
Die FVM hatte ja ziemlich Resonanz in der Wiener Linken…
Haha, stimmt. Scheinbar hat es einen Nerv getroffen. Das Thema Gentrifizierung von Stadtteilen ist ja auch in Wien aktuell. Sicher nicht so stark wie in anderen Städten, aber steigende Mieten sind ein großes Problem in dieser Stadt, vor allem für Leute, die nicht oder nur schwer an Gemeindewohnungen ran kommen. Auch die zunehmende Überwachung und Privatisierung des öffentlichen Raums ist in Wien spürbar. Aber es gibt auch Widerstand dagegen. Denken wir zum Beispiel an das gnadenlos gescheiterte Alkoholverbot im Museumsquartier.
Dazu hab ich aber auch noch anderen sehr aktuelle Themen verwurstet wie antimuslimischer Rassismus oder die Terror-Panikmache der Medien. Meistens waren diese in eine Art Parabel eingebaut, also dass z.B. die Freie Volksrepublik Meidling einen 14-jährigen „Hipster-Verdächtigen“ verhaftet hat, wo es eigentlich um Jugendliche ging, die mit dem IS sympathisieren. Und natürlich hab ich stark mit linker Symbolik und Sprache gespielt, schon allein im Namen.
Gentrifizierung heißt ja , dass Stadtteile „hip“ werden, aufgewertet werden und in Folge ärmere Bevölkerungsschichten durch wohlhabende verdrängt werden. Dabei ist ja die Aufwertung von Vierteln, etwa durch Sanierung von Häusern, durch mehr Lokale und Geschäfte an sich nichts schlechtes. Wie kann für dich ein Kampf gegen Gentrifizierung bei gleichzeitiger Einforderung von Stadtteilaufwertung aussehen?
Na jedenfalls nicht mit unreflektiertem Hipster-Hass oder „Touristen raus!“-Schmierereien so wie es sie in Berlin gibt. Es gibt da diesen Spruch: „Wer den Begriff Gentrifizierung kennt ist Teil des Problems.“ Das ist polemisch überzogen aber es spielt darauf an, dass jene, die sich für die Veränderung von Stadtteilen und Verdrängung interessieren diese oft, natürlich unbewusst, selbst vorantreiben. Oder um es mit der FVM zu sagen: „Der Kampf gegen Gentrifizierung ist das legitime Engagement von jungen gebildeten Leuten, die vor 5 Jahren in ein Viertel gezogen sind gegen junge gebildete Leute, die vor kurzem in ein Viertel gezogen sind.“
Ich denke also, dass ein Kampf gegen höhere Mieten und die zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums kein Ding der linken Szene sein darf. Man muss versuchen, alle Betroffenen mitzunehmen. Das kann funktionieren, dafür gibt es Beispiele. Im deutschsprachigen Raum denkt man bei besetzten Häusern an abgefuckte Szene-Treffpunkte mit klebrigem Boden und vielen Hunden. Aber in Spanien ist die Bewegung der besetzten Häuser eine Massenbewegung. Weil es für die betroffenen Menschen keine Fragen von alternativem Lebensstil, sondern von schlichter Notwendigkeit geworden ist.
Die Stoßrichtung sollte sein, ja, wir sind für ein besseres Leben! Wir verteidigen nicht die Substandard-Wohnung weil sie billig ist. Aber wir sind für ein besseres Leben für alle! Eine Forderung könnte sein, dass die Stadt Wien endlich wieder neue Gemeindewohnungen bauen muss. Die Forderungen sollten an ganz konkreten Problemlagen wie Mieterhöhungen, Delogierungen oder Umgestaltungen von öffentlichen Flächen ansetzen aber darüber hinausgehen und das große Ganze thematisieren. Am Wohnungsmarkt und in der Stadtentwicklung zeigt sich, wie Kapitalismus konkret funktioniert. Der Staat entwickelt Gebiete, baut die U-Bahn hin, subventioniert fleißig. Und private Unternehmen streichen dann die Gewinne ein.
Du hast dich dafür entschieden am Ende deines Projekts eine ernste Reflexion zu veröffentlichen. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?
Ich finde Satire darf sich durchaus mal erklären. Nicht dass ich die FVM-Leser_innen für dumm halte, ganz im Gegenteil, aber ich wollte meine Beweggründe erklären. Die meisten Satiriker_innen die ich kenne sind übrigens sehr reflektiert.
Aber einige Leute haben deine Satire schon in den falschen Hals bekommen?
Ein paar Typen vom Meidlinger Markt haben sich aufgeregt, für die war es nicht lustig. Dabei war ich eh so harmlos. Satire die niemanden verärgert hätte irgendwie ihr Ziel verfehlt, oder?
We siehst du als Satiriker die Tatsache, dass Satire plötzlich als "westlicher" zu verteidigender Wert dargestellt wird, während gegen linke Satire gehetzt wird? Zum Beispiel kürzlich wiede in der Kronen Zeitung gegen den Wien-Reiseführer des Satirekollektivs „Hydra “.
Das ist so heuchlerisch! Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo hieß es auf einmal, Satire sei so wichtig, ein Ausdruck der Meinungsfreiheit blabla. Und die Muslime müssen das aushalten weil das gehört zu unser westlichen Kultur und so. Und dann wurde nur wenige Tage nach dem Attentat ein 16-jähriger Schüler aus Nantes verhaftet und wegen Verherrlichung des Terrorismus angeklagt, weil er ein Bild gepostet hat, wo der Chefredakteur von Charlie Hebdo von einer Kugel getroffen wird. Das war aber nur eine veränderte Karikatur von Charlie Hebdo. Auf dem Original ist ein Moslem zu sehen, der von einer Kugel getroffen wird mit der Überschrift „Der Koran ist scheiße. Er hält Kugeln nicht auf“.
Ich finde hier die Stellungnahme von Hydra ziemlich gut, wo es heißt: „Wir sind der festen Überzeugung, dass die traurige Tatsache des Terrorismus satirisch bearbeitet werden darf. Das einzige, was Satire in diesen Zeiten nicht darf ist, sich vor den Karren selbsternannter abendländischer Kulturverteidiger spannen zu lassen.“
Sind Mohammed Karikaturen lustig?
Pfff, keine Ahnung. Das ist was sehr subjektives. Ich vertrete die Haltung: Satire soll alles dürfen. Aber gleichzeitig hat Satire, so wie jede Kunst, natürlich schon eine politische Verantwortung. Wir machen das ja nicht im luftleeren Raum. Und wenn jemand in einem Klima von tagtäglicher Hetze gegen Muslime und den Islam hauptsächlich Mohammed-Kariakturen veröffentlichen würde, dann finde ich das nicht besonders klug. Aber ich muss zugeben, dass ich mich mit Charlie Hebdo nicht ausführlich beschäftigt habe. Mein oberflächlicher Eindruck ist, dass bei ihnen die Relation schon stimmt, immerhin haben sie viel öfter gegen die katholische Kirche polemisiert. Aber meins ist es nicht.