Durch die rot-blaue Koalition im Burgenland und die seltsamen Reaktionen darauf in der SPÖ-Führung stellen sich viele Linke die Frage nach politischen Alternativen. Eine neue linke Kraft scheint das Gebot der Stunde.
In Österreich gab es historisch nur eine gesellschaftlich relevante Arbeiter_innenpartei, die SPÖ. Alle anderen linken Organisationen haben es zu keiner bundesweiten Verankerung in der Arbeiter_innenklasse gebracht. Die Errungenschaften der SPÖ im Aufbau des österreichischen Sozialstaats sind unbestritten. Gleichzeitig hat sie dabei das kapitalistische System niemals ernsthaft in Frage gestellt. Mit der Sozialpartnerschaft etablierte sie den Kompromiss zwischen Unternehmen und Arbeitenden, holte dabei einiges heraus, unterband aber auch jede Aktivität und Selbstorganisation von unten.
Die rot-blaue Koalition im Burgenland ist kein absoluter Tabubruch sondern die Fortsetzung einer kontinuierlichen Rechtsentwicklung der SPÖ. Die SPÖ hat in den letzten drei Jahrzehnten mehrere Sparpakete mitbeschlossen, war für Privatisierungen verantwortlich und hat bei etlichen Verschärfungen im Asylrecht mitgestimmt. Gewerkschaften, die in enger Personalunion mit der SPÖ auftreten, ordnen die Interessen ihrer Mitglieder unter die Interessen ihrer Führungen. Aktuelles Beispiel: Die Aussendung der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten die einen Streik im Gesundheitsbereich ausschließt.
Traurig aber (wahrscheinlich) wahr: Durch die neue Regierung wird sich im Burgenland wenig wesentliches ändern. Gegen Rot-Blau zu sein kann also nicht bedeuten für Rot-Schwarz einzutreten – denn genau diese Koalition hat Österreich in den letzten Jahren regiert und ist für Verschlechterungen und den damit verbundenen Aufstieg der extremen Rechten verantwortlich.
Es ist keine Frage des Personals
In der Linken herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die FPÖ nur so stark geworden ist, weil die große Koalition keine Antworten auf die Krise hat. Keine Antworten auf Arbeitslosigkeit und Armut oder zumindest die Angst davor. Doch, und hier beginnen die unterschiedlichen Sichtweisen, wäre es fatal anzunehmen, man müsse nur das Führungspersonal der Sozialdemokratie austauschen und schon wäre die freiheitliche Gefahr gebannt (so wie etwa Robert Misik in seinem aktuellen Video-Blog behauptet). Die SPÖ hat nicht versagt, ein gutes Leben für alle zu schaffen, wegen ihren bornierten und unfähigen Politiker_innen. Sie hat versagt, weil sie sich seit Jahrzehnten den kapitalistischen Sachzwängen (wie z.B. dem internationalen Standortwettbewerb) untergeordnet hat. Das war kein Problem, so lange der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue wirtschaftliche Dynamik möglich gemacht hat. In Zeiten einer globalen kapitalistischen (Überakkumulations-)Krise gibt es aber nur mehr sehr wenig Spielraum für reformistische Politik.
Mit diesen Sachzwängen wird auch eine neue linke Partei umgehen müssen, sonst droht ihr ein ähnliches Schicksal. Griechenland zeigt gerade, dass dieser Spagat kein leichter und im Rahmen des kapitalistischen Systems kaum zu schaffen ist.
Die SPÖ ist verloren
Ob wir das wollen oder nicht – die SPÖ wird untergehen. Es gibt kein zurück mehr, schon lange nicht. Sie ist ein durch und durch bürokratischer Apparat der nur noch der eigenen Machterhaltung dient. Das ist allein schon eine demographische Entwicklung, denn noch – aber nicht mehr lange – kann sie sich auf eine große Gruppe an Pensionist_innen stützen, die sich ihr weiterhin verbunden fühlen.
Es macht auch keinen Sinn innerhalb der SPÖ einen linken Flügel aufzubauen mit dem Ziel, die „Basismitglieder“ zu überzeugen. Denn bürokratische Apparate zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie keine aktive Basis haben. Sicher gibt es noch zehntausende Menschen, die sich noch immer mit der SPÖ identifizieren und hunderttausende, die sie regelmäßig wählen. Aber es gibt keine kritische Masse von Basismitgliedern die sich regelmäßig in der SPÖ engagieren und nur dort erreicht werden könnten.
Gegen die FPÖ, nicht gegen die FPÖ-Wähler_innen
Mit dem Absturz der Sozialdemokratie geht der Aufstieg der Rechten einher. Dass die FPÖ bald einmal bei einer Wahl die stärkste Partei wird ist sehr wahrscheinlich. Dass sie einmal den Bundeskanzler stellen wird ist auch nicht mehr undenkbar. Die Situation ist ernst, Grund zur Panik besteht allerdings nicht. Nur weil im Burgenland Rot-Blau regiert und 200 rechtsextreme Hooligans durch Wien marschieren steht noch nicht das Vierte Reich vor der Tür. Wir sollten nicht hysterisch werden sondern kühlen Kopf bewahren um kluge Schlüsse aus der Situation ziehen zu können.
Eine nüchterne Analyse der österreichischen Gesellschaft müsste auch folgendes bedenken: So kontinuierlich wie ihr Rechtsruck, so fließend sind auch die Grenzen zwischen der SPÖ und der FPÖ. Es gibt keine scharfe Trennlinie zwischen jenen rund 30% der österreichischen Wähler_innen, die geneigt sind, den Freiheitlichen ihren Stimme zu geben und dem Rest. Bereiten nur die FPÖ-Wähler_innen ein Problem und haben SPÖ-Wähler_innen automatisch progressivere Einstellungen? Wohl eher nicht. (Übrigens dürfen wir nicht vergessen: Die politischen Verhältnisse auf Wahlebene wären wahrscheinlich deutlich anders, wenn alle hier lebenden Menschen wählen dürften…)
Natürlich würde man es sich zu einfach machen mit der Einschätzung, Arbeiter_innen würden nur FPÖ wählen weil sie wütend auf den Sozialabbau der SPÖ sind. Sie wählen die FPÖ (auch) wegen ihres Rassismus. Weil sie oftmals einfach rassistische Einstellungen haben. Das nicht zu sagen würde die Situation verharmlosen. Gleichzeitig dürfen wir Linken den Kampf um die Herzen und Hirne auch von rassistischen Menschen nicht aufgeben. Einstellungen sind nicht in Stein gemeißelt. Und sie ändern sich leider meistens nicht durch Belehrungen von obergescheiten Linken, sondern durch gemeinsamen Aktivitäten (wie etwa Arbeitskämpfe) auf Augenhöhe. Wir wissen aus eigener Erfahrung in der betrieblichen Arbeit, dass es nicht wenige Kolleg_innen gibt, die einerseits regelmäßig und gerne linke Betriebsflugblätter lesen und sich andererseits über „die Ausländer“ aufregen. Mit diesen Kolleg_innen kann man aber diskutieren oder sogar gemeinsam aktiv sein. Und das tun leider zu wenige Linke.
Eine neue linke Partei muss wirklich pluralistisch sein!
Durch die aktuelle Debatte wird die Perspektive einer neuen linken Partei deutlicher, Prozesse in diese Richtung werden beschleunigt.
Viele sagen, dass eine neue linke Partei pluralistisch sein muss. Wir würden sagen: Ja! Doch was heißt Pluralismus? Eine pluralistische Linke muss die Pluralität, also die Vielfalt der österreichischen Gesellschaft, der Arbeiter_innen, Jungen und Pensionist_innen und ihrer Bedürfnisse, widerspiegeln und nicht bloß die Pluralität der linken Szene.
Es darf nicht zu einer neuen linken Kraft kommen, die sich hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Sicher, unterschiedliche Positionen müssen diskutiert werden, aber ohne bürokratische Manöver oder dümmliche Polemiken, sondern solidarisch und immer in enger Verbindung mit praktischer Arbeit.
Es bräuchte eine Kraft, die intervenieren kann, an Kämpfen teilnimmt und geduldig Verankerung in den Betrieben, Bildungseinrichtungen und Stadtteilen entwickelt. Das erfordert auch eine dementsprechende Orientierung der Linken auf Verankerungsarbeit und konsequenten Widerstand gegen den Sozialabbau, egal ob von SPÖ, ÖVP oder Grünen forciert. Die Fehler der Sozialdemokratie sollten nicht wiederholt werden. Die Sympathien unserer (noch) nicht in der Linken organisierten Kolleg_innen gewinnen wir nicht durch möglichst „softe“ Positionen, durch Verstecken von Antikapitalismus, sondern durch kontinuierliche gemeinsame Aktivität und Diskussion auf Augenhöhe.
Eine neue linke Kraft darf nicht hauptsächlich auf Wahlerfolge orientiert sein, sondern muss in der praktischen Arbeit durch emanzipatorische Politik Alternativen zum Kapitalismus entwickeln. Es muss möglich sein, auf allen Ebenen antikapitalistische Strategien demokratisch diskutieren zu können. Dabei darf linke Politik nicht reaktiv sein und nur auf die Regierung oder die Rechte mit Protesten reagieren. Sie muss ein eigenes, positives Programm vertreten, das Antworten auf die wichtigsten Probleme der breiten Bevölkerungsmehrheit liefern kann und versuchen dieses kämpferisch durchzusetzen.
Die RSO wird sich an Debatten über den Aufbau einer neuen Partei beteiligen und ihre Erfahrungen und Vorstellung solidarisch einbringen.