Das Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung für 2017 und 2018 ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, wofür es Kern uns verkaufen will. Es gibt vor, die Situation der arbeitenden Bevölkerung zu verbessern: Schaffung von Arbeitsplätzen, Abschaffung der kalten Progression, Mindestlohn… Tatsächlich werden in erster Linie Geschenke an Unternehmen verteilt (u.a. Senkung der Lohnnebenkosten, Investitionsförderungen).
In einer durch und durch neoliberalen Logik sollen die Bedingungen für Unternehmen verbessert werden, damit diese dann Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft wieder in Fahrt bringen. Seit dreißig Jahren wird nun genau diese Politik, die uns versucht wird als „alternativlos“ in die Köpfe zu hämmern, umgesetzt. Das Ergebnis: sinkende Reallöhne, Zusammensparen des Sozialstaats, Rassismus, Rekordprofite. Die Antwort der Regierung auf diese Probleme: Mehr desselben!
Neoliberalismus und Rassismus
Flankiert werden die Angriffe von rassistischen Maßnahmen (wie etwa dem „Burkaverbot“), die die Spaltung in der Bevölkerung weiter vorantreiben und von den heftigen Angriffen ablenken sollen. Die SPÖ ist beim neuen Regierungsprogramm keineswegs von der ÖVP über den Tisch gezogen worden. Der angeblich „linke“ Kern führt die neoliberale Ausrichtung der Sozialdemokratie der letzten Jahrzehnte konsequent weiter und legt noch ein ordentliches Schäufchen drauf. Sein „Plan A“ trägt die gleiche Handschrift wie die meisten Maßnahmen im Regierungsprogramm.
Finanziert werden sollen rund ¾ der Mehrkosten „durch Einsparungen, Minderausgaben und Umschichtungen“, durch „Verwaltungseffizienz, Fördereffizienz, Einsparungen bei ausgegliederten Einheiten und Sachkosten“. Details dazu sind bisher nicht bekannt. Die restlichen 1,2 Mrd. € sollen durch Konjunkturbelebung und Beschäftigungseffekte hereinkommen, diese Annahme ist allerdings hoch spekulativ.
Die Maßnahmen der Regierung sind nicht nur Geschenke an die Unternehmen, sie werden noch dazu in keinster Weise ihre vorgeblichen Ziele erfüllen. Kern will in den nächsten Jahren 70.000 Arbeitsplätze schaffen. Das Institut für Höhere Studien geht davon aus, dass mit einer Senkung der Lohnnebenkosten im Umfang von einer Mrd. € lediglich 7.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die Arbeitslosigkeit um 0,1% gesenkt werden kann. In einem sich ständig an Veränderungen anpassenden Wirtschaftssystem in einem Land mit wachsender Bevölkerung entstehen ständig neue Branchen, Berufe und Arbeitsplätze. Wir dürfen uns nicht vorgaukeln lassen, dass die alle durch die Maßnahmen der Regierung entstehen würden. Gleichzeitig werden in den nächsten Jahren durch Einsparungen und technische Automatisierungen aber auch tausende Arbeitsplätze verloren gehen.
Das Regierungsprogramm ist eine Fortsetzung und gleichzeitige massive Intensivierung der neoliberalen Angriffe und Kürzungen. Die Strategie der letzten Jahrzehnte, bessere Bedingungen für Unternehmen zu schaffen, damit diese Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum generieren, hat uns in die krisenhafte Situation, in der wir uns heute befinden, geführt. Die Flexibilisierungen, Deregulierungen und Einsparungen haben bisher nie ausgereicht um die angeblichen Ziele zu erreichen – und sie werden es auch in Zukunft nicht.
Wirtschaftsförderung
Investitionsförderung: Unternehmen werden bei Investitionen begünstigt; in der Regel wird das kaum zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen (wenn nicht das Gegenteil der Fall ist und in Automatisierung investiert wird), sondern Unternehmen ersparen sich einfach Geld.
Beschäftigungsbonus: Unternehmen sparen sich 50 % der Lohnnebenkosten für neu geschaffene Arbeitsplätze (auf drei Jahre beschränkt); laut IHS (Institut für Höhere Studien) lassen sich mit Begünstigungen von einer Milliarde € 7.000 Arbeitsplätze schaffen oder die Arbeitslosigkeit um 0,1% senken, bei über 400.000 Arbeitslosen ein Tropfen auf dem heißen Stein, zudem werden Unternehmen Wege finden MitarbeiterInnen zu kündigen um dann für die „neu Eingestellten“ Zuschüsse zu kassieren; gleichzeitig entstehen Lücken bei den Einnahmen der Sozialversicherungen, was wiederum durch Leistungskürzungen beantwortet werden könnte.
Wohnpaket: Erleichterungen und Begünstigungen für InvestorInnen und Verscherbelung von öffentlichem Bauland; statt öffentlichen Wohnbau zu fördern und Mieten zu begrenzen, wird die gewinnträchtige Immobilienbranche ermuntert genauso weiter zu machen wie bisher und dabei noch von staatlicher Seite unterstützt; die Preise am Wohnungsmarkt werden so weiter steigen.
Arbeit
Arbeitszeitflexibilisierung: Die Sozialpartner haben bis 30. Juni Zeit für eine Einigung, sonst wird die Regierung im 3. Quartal 2017 Änderungen beschließen; bereits in den letzten Jahren sind zunehmend Überstundenzuschläge gekürzt oder abgeschafft worden, dieser Weg wird branchenübergreifend weiter beschritten werden; wir können massive Lohneinbußen und ein weiteres Zurückdrängen von Normalarbeitszeiten erwarten. Traurigerweise ist nicht auszuschließen, dass die Gewerkschaften diesen Kurs sogar selbst mit beschließen, ansonsten wird die Regierung das übernehmen.
ArbeitnehmerInnenschutz: Diverse Novellen und eine Reduzierung von Regelungen sind geplant; unter der Losung den „Paragraphendschungel“ lichten zu wollen, werden Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen reduziert werden.
Arbeitslose: Erhöhung der Zumutbarkeit von 16 auf 20 Stunden (schwierig für Menschen mit Betreuungsverpflichtungen); Intensivbetreuung bei Vermittlungsproblemen (klingt gut, kann aber sehr leicht an Sanktionen gekoppelt sein); es wird zu Verschärfungen für Arbeitslose kommen; hier wird absichtlich ignoriert, dass es einfach weit mehr Arbeitssuchende als offene Stellen gibt. Arbeitslosigkeit soll nicht als gesellschaftliches Problem bekämpft werden, sondern einzelnen Erwerbslosen die Verantwortung dafür zugeschoben werden.
50+: Lockerung des Kündigungsschutzes; pro Jahr sollen 20.000 Arbeitsplätze bei Gemeinden, gemeinnützigen Vereinen und Unternehmen geschaffen werden; Unternehmen wird also gezielt ermöglicht, Menschen über 50 leichter zu kündigen und der Staat wird sie dann zu schlecht bezahlter Arbeit zwingen; damit sollen ältere Arbeitende zur rechtlosen Billigkonkurrenz für alle anderen werden.
Mindestlohn: soll mindestens 1.500 € betragen (die Sozialpartner haben bis 30. Juni Zeit für eine Einigung, sonst wird die Regierung im 3. Quartal 2017 einen eigenen Vorschlag beschließen); ein solcher Mindestlohn wäre ein nur begrenzter Fortschritt: 1.500 € reichen kaum zum Überleben, es wird sicherlich viele Ausnahmen geben, es besteht die Gefahr der Anpassung nach unten.
Kalte Progression: Bis 18.000 €/Jahr und ab 5% kumulierter Progression werden die Lohnsteuergrenzen automatisch angehoben; gelten soll das Ganze aber erst ab 2019 (!); eine Inflationsanpassung, die selbstverständlich sein sollte, wird hier als großer Durchbruch verkauft; wer über 18.000 €/Jahr verdient, soll anscheinend draufzahlen; zudem hat der Staat in den letzten Jahren und Jahrzehnten durch die kalte Progression auf unsere Kosten Milliarden eingenommen.
Angleichung Pensionssystem: Wie meistens können wir erwarten, dass hier nach unten angeglichen wird; es wird zu Einschnitten für (zukünftige) PensionistInnen kommen.
Migration/„Integration“
Reduktion und Begrenzung von Arbeitsmigration: Nicht-österreichischen EU-BürgerInnen soll der Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erschwert werden; da diese Regelung EU-Recht widerspricht und sich kaum in der EU durchsetzen lassen wird, geht es hier vor allem um eine rassistische Rhetorik: „ausländischen“ ArbeiterInnen wird die Schuld für sinkende Löhne und Arbeitslosigkeit in die Schuhe geschoben, statt die Unternehmen, die Löhne drücken und Arbeitsplätze verlagern, zu belangen. Während die Freizügigkeit von Kapital und Waren beibehalten werden soll, soll sie bei Menschen eingeschränkt werden.
„Integration“: Unter dem Label „verpflichtendes Integrationsjahr“ werden MigrantInnen stigmatisiert und ausgebeutet (verpflichtende gemeinnützige Arbeit, Teilnahme an Wertekursen, Ausbau von Sanktionsmöglichkeiten, Förderungen für Unternehmen die Asylberechtigte einstellen…).
„Migration dämpfen“: Ausbau des Grenzschutzes und der Rolle des Bundesheers, Verlängerung der Schubhaft auf 18 Monate, mehr und schnellere Abschiebungen.
Verbot Vollverschleierung und des Verbot des Tragens eines Kopftuchs für Polizistinnen, Staatsanwältinnen und Richterinnen.
Weitere Maßnahmen
Studienplatzfinanzierung: Ein weiterer, deutlicher Schritt Richtung Studienbeschränkungen und Ökonomisierung der Bildung. Was von der Regierung als „mehr Geld für die Unis“ dargestellt wird, wird eher eine Entwicklung der Unis Richtung Fachhochschulen bedeuten.
Ausbau Überwachungsstaat: Videoüberwachung, Kennzeichenerfassung, Registrierung von Wertkartenhandys, Ausbau der Überwachung im Internet und in Privatwohnungen
Mehrheitswahlrecht: Bräuchte eine 2/3-Mehrheit im Parlament, würde eine Entdemokratisierung bedeuten und härtere und schnellere Angriffe von Regierungsseite begünstigen (weil man mit weniger als 50% der Stimmen regieren kann und Wahlergebnisse damit weniger wichtig werden).
Gibt es nicht auch Positives?
Neben dieser Vielzahl an Angriffen und Verschlechterungen, gibt es tatsächlich ein paar Maßnahmen, die positiv sind bzw. sein könnten (abhängig davon ob und wie sie umgesetzt werden):
Gesundheitssystem: Reduzierung von Wartezeiten, Stärkung ambulanter Versorgung, Ausbau von Psychotherapieplätzen auf Kasse…
Vermeidung von Gewinnverschiebung (von Konzernen)
Schnelleres Internet flächendeckend
Laptops für SchülerInnen
Förderung erneuerbarer Energien und Klimastrategie
Forschungsquote erhöhen
Diesen Maßnahmen sind nun alle wirklich nicht herausragend und können nur als Teil des Gesamtpakets bewertet werden. Daraus geht folgendes hervor:
a) Finanziert werden die Maßnahmen durch Einsparungen und Kürzungen (in anderen Bereichen).
b) Mögliche positive Auswirkungen werden durch andere Maßnahmen untergraben:
*Verbesserungen im Gesundheitssystem stehen Einsparungen und sinkende Einnahmen der Sozialversicherungen gegenüber (Senkung der Lohnnebenkosten), zudem werden verschlechterte Arbeitsbedingungen zu mehr Erkrankungen führen
* statt einer sehr vagen „Vermeidung“ von Gewinnverschiebung bräuchte es eine massive Besteuerung von Profiten und Reichtum
* der total nebulösen „Klimastrategie“ steht die Halbierung der Flugabgabe entgegen, eine erfolgreiche Strategie gegen die ökologische Krise müsste sich mit den großen Konzernen anlegen
Resümee
Das Regierungsprogramm ist ein Angriff gegen die Arbeitenden auf allen Fronten. Statt zentrale Probleme (wie Arbeitslosigkeit, steigende Mieten, Zukunftsängste…) zu lösen, wird es diese noch weiter verschärfen. Mit rassistischen Maßnahmen soll auf den Schultern der Schwächsten der Gesellschaft möglichst viel abgeladen und eine rassistische Stimmung befördert werden. Damit lässt sich sowohl von den Verschlechterungen und Angriffen selbst ablenken, als auch von den wahren Verantwortlichen: die KapitalistInnen und ihre politischen HandlangerInnen.
Die Antwort der ArbeiterInnenbewegung und der Linken auf das Regierungsprogramm muss „Widerstand“ lauten, und zwar gemeinsam von allen Betroffenen: ArbeiterInnen, MuslimInnen, Geflüchteten, StudentInnen und Arbeitslosen.