Regierungsprogramm = Frontalangriff !
Teil II: Das Elend des „kleineren Übels“ und Perspektiven für Widerstand
Mit ihrem neuen Arbeitsprogramm serviert uns die Bundesregierung am Silbertablett, worauf die Politik des vermeintlich „kleineren Übels“ in der Realität hinausläuft: der eben noch als „linke“ Hoffnung gefeierte Kern setzt in weiten Teilen Forderungen der FPÖ um. Den neofaschistischen Identitären ist hier ausnahmsweise mal Recht zu geben, wenn sie der Regierung zur Umsetzung ihrer Forderungen gratulieren.
Neoliberalismus und Rassismus á la Kern
Die SPÖ ist dabei keineswegs von der ÖVP über den Tisch gezogen worden. Vielmehr beinhaltete bereits Kerns Plan A weitgehend wirtschafts- und neoliberale Maßnahmen, wie sie auch die ÖVP vertritt. Diese hat sich daher weitgehend darauf beschränken können, darauf zu bestehen, dass die rassistische Handschrift noch verstärkt wird. Die Sozialdemokratie hat sich bereits seit Jahrzehnten dem „Wirtschaftsstandort Österreich“ verschrieben. Die Umsetzung von immer härteren neoliberalen Einschnitten ist dabei nur folgerichtig.
Die Maßnahmen sind alle getreu der neoliberalen Logik. So ist es mehr als bizarr, wenn etwa die Lockerung des Kündigungsschutzes für über 50-Jährige als Mittel, um die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe zu reduzieren, verkauft wird. Ein paar Maßnahmen die kleine Verbesserungen bringen (wie Gratis-Laptops für SchülerInnen) sind ganz klar im Vorhaben den „Standort Österreich“ zu modernisieren und fit für den Konkurrenzkampf mit anderen Ländern zu machen, eingebettet.
Nicht viel anders sieht es mit dem Mindestlohn (der noch gar nicht beschlossen ist!) und den Maßnahmen zur kalten Progression aus. Sie kommen nur einem Teil der österreichischen Lohnabhängigen zugute und diverse „Ausnahmeregelungen“ sind zu erwarten. Effektive Maßnahmen zur Umverteilung des Reichtums sind sie nicht. Zudem wird gerade fleißig daran gearbeitet mit dem „Integrationsjahr“, Arbeitsmarktbeschränkungen und den Maßnahmen für über 50-Jährige die Schaffung einer Schicht an entrechteten Billigarbeitskräften zu forcieren.
Darüber hinaus ist klar, dass jegliche Verbesserungen mit massiven Angriffen und Kürzungen in anderen Bereichen erkauft werden. Das Programm der Regierung ist ein Gesamtpaket und an diesem gibt es aber auch gar nichts zu verteidigen. Wer sich die eine oder andere progressivere Maßnahmen herauspickt, um die SPÖ dann doch wieder irgendwie verteidigen zu können, fällt weiterhin auf die Politik des „kleineren Übels“ und der „Alternativlosigkeit“ herein.
Globales Wettrennen um den „Standort“
Das Programm der Regierung muss auch im Kontext eines sich ständig weiter verschärfenden internationalen Wettbewerbs um Investitionsbedingungen für Unternehmen gesehen werden. Die Herrschenden wollen, dass Österreich dabei möglichst weit vorne mitspielen kann. Es ist kein Zufall, wenn in anderen Ländern sehr ähnliche Angriffe stattfinden. (Wie etwa das neue Arbeitsgesetz in Frankreich, diverse Vorhaben von Trump oder unzählige „Strukturanpassungsprogramme“ in den krisengebeutelten südlichen EU-Ländern). Es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass wir an der Schwelle zu einer neuen internationalen Großoffensive des Kapitals gegen die Lohnabhängigen und Unterdrückten stehen und die neoliberalen Angriffe in eine neue, noch grausamere Runde gehen.
Neben den ökonomischen Angriffen auf die ArbeiterInnen geht es dabei gleichzeitig um einen Wettbewerb im autoritären Umbau der jeweiligen Staatsapparate. Dabei geht es sowohl darum den politischen Einfluss der Herrschenden zu sichern als auch (potentiellen und zukünftigen) Widerstand gegen ihre Politik effektiver entgegentreten zu können.
Nach dem VdB-Sieg: Schweigen!
Bisher gab es kaum laute Proteststimmen gegen das Frontalangriffspaket der Regierung, jedenfalls in keinem Ausmaß, dass den Maßnahmen angebracht wäre. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen kann hier sicherlich der Sieg von Alexander van der Bellen bei der Bundespräsidentenwahl genannt werden. Der gesamte Wahlkampf wurde als die entscheidende Schlacht gegen die FPÖ und ihren Rassismus inszeniert. Während bei vielen die Erleichterung noch anhält können SPÖ und ÖVP, im Schatten dieses vermeintlichen „Sieges“, fast unbemerkt zum Frontalangriff blasen.
Viele ehrlich Empörte haben sich in der Logik gefangen nehmen lassen, dass selbst die Umsetzung von FPÖ-Maßnahmen (siehe Regierungsprogramm) nicht so schlimm ist, wenn bloß die FPÖ nicht an der Regierung ist. Van der Bellen, der angeblich Strache nicht als Kanzler angeloben würde, hat mit den gleichen rassistischen Maßnahmen, so lange sie von SPÖ und ÖVP kommen, offenbar kein Problem. Das ist die Logik des „kleineren Übels“ in ihrer sich vollendenden Form. So sieht die rassistische Praxis der politisch-korrekten Eliten aus. Wer auf diese Weise die FPÖ und ihren Rassismus stoppen will – und die Regierung dabei ungeschoren davon kommen lässt – hilft letztlich seinen eigenen Feinden.
Man sollte sich auch nicht von Kerns Ansagen, nach der nächsten Wahl eine Koalition mit den Grünen und Neos (die selbst klar neoliberale Elitenparteien sind) anzustreben, einwickeln lassen. Weder wird Kern und die SPÖ ihre neoliberale Programmatik nach der nächsten Wahl ablegen, noch taugt die aktuelle Strategie der SPÖ FPÖ-Forderungen gleich selbst umzusetzen, als Mittel gegen die FPÖ. Mit der Umsetzung des Regierungspakets können wir den Anstieg von Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit erwarten. Das ist der Boden, auf dem Rassismus und Nationalismus bestens gedeihen. Und egal wer in der nächsten Regierung vertreten sein wird: diese wird dort weitermachen, wo die jetzige aufgehört hat.
In ihren eigenen Reihen und darüber hinaus hat es die SPÖ wiedermal geschafft über die Inszenierung eines vermeintlichen „Linksrucks“ unter Kern Sympathien zu gewinnen und KritikerInnen einzubinden. Die Enttäuschung dieser Hoffnungen war so sicher, wie das Amen im Gebet und konnte eigentlich niemanden ernsthaft überraschen.
Der ÖGB ist so darüber erfreut, dass er wieder irgendwo mitreden darf und sozialpartnerschaftlich eingebunden wird, dass er selbst fleißig an der Arbeitszeitflexibilisierung mitbasteln wird. (Vielleicht ist ja für Foglar oder andere hohe FunktionärInnen bei der nächsten Regierungsumbildung angesichts ihrer Bemühungen sogar noch ein Ministerposten drinnen?). Statt Widerstand zu organisieren, beteiligt sich der ÖGB lieber gleich selbst an den Angriffen. Kein Wunder ist die Gewerkschaft selbst in einer nationalistischen Standortlogik gefangen und unterstützt etwa die Forderung nach einer Beschränkung des österreichischen Arbeitsmarktes für EU-AusländerInnen. Statt dem Kapital etwas entgegenzuhalten wird die Schuld für Lohndumping und Arbeitsplatzverlust den „Ausländern“ in die Schuhe geschoben und damit erst recht der Schaffung einer Gruppe rechtloser Billigarbeitskräfte Vorschub geleistet.
Worauf warten?
Teile der Linken und Empörten sind in einer doppelten Logik der Alternativlosigkeiten gefangen. Wer es nicht schafft mit den vermeintlichen „Sachzwängen“ des Kapitalismus zu brechen, für den ist die neoliberale Logik tatsächlich alternativlos. Und dann bleibt als politische Hoffnung nur mehr das vermeintlich „kleinere Übel“ über. Die einzige wirkliche Alternative zu dieser vermeintlichen „Alternativlosigkeit“ ist eine neue, unabhängige politische Kraft, die sich den kapitalistischen Sachzwängen nicht unterordnet.
Dafür brauchen wir selbst ein klares Programm und müssen bereit sein uns mit den Reichen und Mächtigen tatsächlich anzulegen. Das bedeutet auch nicht darauf zu warten, bis sich in der SPÖ, den Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft oder sonst wo irgendetwas „nach links“ bewegt, bevor wir selber was Relevantes tun können. Ein Anziehungspol für einen Linksruck können wir nur dann sein, wenn wir eine wirkliche Alternative anbieten. Das heißt auch mit der reformistischen StellvertreterInnenlogik und der „linken“ Mitverwaltung des Kapitalismus zu brechen.
Der bisherige Unmut über die Regierungspläne hat sich in einzelnen Protesten, die sich um spezifische Punkte des Programms gruppiert haben (wie etwa die Demo gegen Kopftuch- und Burkaverbot), niedergeschlagen. So gut und notwendig alle diese Formen des Widerstands sind, muss es letztlich doch darum gehen einen kollektiven Widerstand, der sich gegen die Regierung und ihr gesamtes Programm richtet, zu formieren.
Wir stehen dabei vor dem Problem, dass den meisten Menschen der Charakter des Regierungsprogramms und das Ausmaß der Angriffe nicht bewusst sind. Die Aufgabe der Linken muss daher auch sein, gerade dafür ein Bewusstsein zu schaffen und eine Perspektive für Widerstand zu entwickeln. Die entpolitisierte Stimmung in der Bevölkerung macht das Ganze natürlich schwieriger – aber umso notwendiger.
Wenn wir dem steigenden Unmut, der sich aus ständigen Angriffen auf die eigene Lebensqualität und Zukunft speist, nicht eine linke Perspektive geben können, werden rassistische Antworten weiterhin zunehmen. Ganz egal ob von der FPÖ formuliert oder von SPÖ und ÖVP umgesetzt. Deswegen darf sich die Linke das nächste Mal, wenn es angeblich darum geht die FPÖ „zu verhindern“, egal ob mit Van der Bellen, Kern oder sonst einem/r VertreterIn des Establishments, nicht einwickeln lassen.