Frauen* sind Klasse!

Vom Abwehrkampf zum revolutionären Frauen*streik

In den letzten Jahren sind weltweit reaktionäre Regierungen an die Macht gekommen und attackieren Errungenschaften der Frauen*bewegung. Frauen waren und sind es auch, die an der Spitze des Widerstands gegen den Rechtsruck standen und stehen. Dadurch sind in den letzten Jahren auch wieder Debatten über die Bilanz der Frauenbewegung, das Verhältnis von Frauen*unterdrückung und Kapitalismus und Strategien des Widerstands aufgekommen.

Die 68er-Bewegung hat Fragen der sexuellen Freiheit, der Unabhängigkeit und der eigenen Identität aufgeworfen und die konservative Lebensweise mit alternativer Praxis hinterfragt. Die Frauenbewegung hat lautstark Gleichberechtigung gefordert und wenn wir vielen aktuellen Stimmen glauben würden, hätte sie diese auch erreicht.

Frauen* im Neoliberalismus

Tatsächlich hat der Neoliberalismus es gut geschafft oppositionelle Forderungen zu integrieren und dadurch auch den ausgeblichenen Kapitalismus zu attraktiveren. Individuelle Aufstiegsangebote wurden gemacht, neue Identitäten akzeptiert, traditionelle Bereiche unbezahlter Frauen*arbeit zu bezahlter Lohnarbeit transformiert und vielfältige Konsumangebote als Anreize gesetzt. Dadurch wurde das weibliche Subjekt der Veränderung individualisiert, ein Teil der Führung der Frauenbewegung wurde institutionalisiert und ins System integriert. Kollektive Perspektiven wurden durch die neoliberale Attacke unterwandert. Teile der Frauen* aus der Mittelschicht konnten profitieren, Einzelne konnten in die bürgerliche Elite aufsteigen.

In den letzten Jahrzehnten hat sich nicht nur die Situation von Frauen, sondern auch die Struktur der kapitalistischen Gesellschaft gewandelt. Frauen* machen mittlerweile 42 % der globalen Arbeiter*innenklasse aus, die Mehrheit der Frauen arbeitet in Städten und nicht mehr am Land. Oft sind es schwere Arbeiten in der Produktion, die durch die Auslagerung von Fabriken auf der Suche nach billiger Arbeitskraft entstanden sind.

In Österreich sind 68 % der Frauen* erwerbstätig. Viele der Jobs sind dabei prekär, knapp die Hälfte arbeitet Teilzeit. Es ist bekannt, dass Frauen* durch die Mehrfachbelastung von bezahlter und unbezahlter Arbeit in Summe mehr arbeiten als Männer*. Historisch unbezahlte Arbeiten im Sorgebereich wurden ökonomisiert, hier sind viele neue „Frauen*berufe“ entstanden, die schlechter bezahlt werden und weniger anerkannt sind.

Ökonomisierung von Care

Im Care-Bereich ist durch die Ökonomisierung von Sorgetätigkeiten ein neuer kapitalistischer Sektor entstanden. Durch die Akademisierung sind oft Ausbildungszweige entstanden, die durch Managementwissen die Ökonomisierung begleiten. Recht schnell stehen dann in der Pflege, Kinderbetreuung und Sozialen Arbeit nicht gute Qualität und ausreichend Zeit im Vordergrund, sondern Fallzahlen und Papierkram – eine Mischung aus Fabriksakkord und Bürokratie mit akademischem Anstrich. Auch Abläufe wie Reinigen oder Nahrung eingeben werden wie am Fließband standardisiert. Alle Bereiche werden verbetriebswirtschaftlicht, die Erhöhung von Profiten oder Reduktion von Kosten steht im Vordergrund.

Die stärkere Einbeziehung von Frauen* in die Lohnarbeit und auch die Ökonomisierung haben ihnen allerdings neue Hebel in die Hand gegeben. Sie haben jetzt die Macht, durch wirtschaftliche Streiks die Produktion der kapitalistischen Profite und die Reproduktion der kapitalistischen Gesellschaft zu blockieren. Ebenso teilen sie ihr Interesse für den Kampf gegen Ausbeutung mit anderen Gruppen der Arbeiter*innenklasse wie Migrant*innen, die ebenfalls sowohl überausgebeutet, als auch gesellschaftlich diskriminiert werden. Zu diesen Schichten zählen auch Männer, die in „Frauenberufen“ arbeiten, Belegschaften die von Betriebsschließungen bedroht sind und alle die von einem sinkenden Lebensstandard und Perspektivlosigkeit betroffen sind.

Reaktionärer Backlash

So wenig die Gleichstellung von Frauen* stattgefunden hat, so viel mehr werden erkämpfte Errungenschaften heute wieder von rechtspopulistischen Kräften attackiert. Machistische Präsidenten und Minister reißen ihre Mäuler auf und schaffen ein Klima, in dem Sexisten und Rassisten aus ihren Löchern kriechen und sich wieder alles sagen trauen. Im versteckten Privaten, aber auch in der Öffentlichkeit wird Gewalt gegen Frauen* ausgeübt. In Österreich wurden alleine im Jänner 2019 sechs Frauen von ihnen bekannten Männern ermordet.

Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch wird in Polen und Spanien zunehmend eingeschränkt, auch in Österreich werden Verschlechterungen davon diskutiert. Hier werden Frauenorganisationen die Förderungen gestrichen, Frauen* werden bei Steuerreformen benachteiligt und sollen statt Erwerbsarbeit ihre Angehörigen pflegen.

Eine neue Frauen*bewegung

Doch die Frauen* nehmen die Angriffe nicht widerstandlos hin. In den letzten Jahren hat es weltweit die größten Mobilisierungen seit Jahrzehnten gegeben. In Irland hat die feministische Bewegung das Recht auf Abtreibung erkämpft. Ausgehend von Argentinien hat die Bewegung „Ni una menos („Nicht eine Frau weniger“) Millionen gegen Gewalt und Morde an Frauen* mobilisiert. In Polen gab es Massendemonstrationen und einen Frauen*streik. Gegen die Wahl von Donald Trump sind Millionen Frauen* auf die Straßen gegangen.

Bei den Gelben Westen in Frankreich sind mehr Frauen* aktiv als bei üblichen gewerkschaftlichen Demos und sozialen Bewegungen. Die Gelben Westen sind Menschen die hart arbeiten, aber sich das Überleben kaum noch leisten können, während sich andere durch ihre Arbeit eine goldene Nase verdienen. Das trifft besonders auf Frauen* zu, die deswegen auch Teil dieser sozialen Explosion sind.

Es ist daher kein Wunder, dass die US-amerikanische Intellektuelle Nancy Fraser den Aufbau eines Feminismus der 99 % vorschlägt. Sie spricht sich gegen einen neoliberalen Feminismus aus der nur eine Minderheit von Frauen* betrifft und oft nicht mehr als bessere Aufstiegsmöglichkeiten in die obersten Spitzen der kapitalistischen Hierarchien bedeutet. Sie tritt für einen Feminismus ein, der die Mehrheit der Frauen* anspricht und (auch) gegen ökonomische Ungleichheit auftritt. Sie beteiligte sich am Aufruf für einen globalen Frauenstreik.

Frauen*streiks

Vor gut 50 Jahren haben die Arbeiterinnen bei Ford Dagenham für gleichen Lohn für gleiche Arbeit gestreikt und damit eine weibliche Streikbewegung ausgelöst, an deren Ende der Equal-Pay-Act (Gesetz für die Gleichbezahlung von Männern und Frauen) in Großbritannien gestanden ist. Ähnliche Gesetze in anderen Ländern folgten.

In Spanien gab es schon am 8. März 2018 einen Frauen*streik, an dem sich Millionen beteiligten. Streikkomitees organisierten verschiedenste Aktionen, sowohl ökonomische Streiks, als auch Bestreikungen des Reproduktionsbereichs. In mehr als 30 anderen Ländern gab es Aktivitäten im Rahmen eines globalen Frauen*streiks.

In der Schweiz ist nach 1991 nun der nächste Frauen*streik für den 14. Juni 2019 geplant. Auch manche Gewerkschaften mobilisieren dafür. In allen Regionen haben sich Frauenstreik*kollektive gründet. Auch deutsche Aktivist*innen haben sich 2019 dem Aufruf für einen Frauenstreik angeschlossen und Kollektive gegründet.

SWÖ-Streik in Österreich

Obwohl es in Österreich einen Aufruf zum Frauenstreik am 8. März 2019 gab, war das Echo überschaubar. Gleichzeitig wurde in den Kollektivvertragsverhandlungen der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) in diesem Jahr – wie auch schon im letzten Jahr –  gestreikt. Die SWÖ umfasst den privaten Gesundheits- und Sozialbereich, wozu Pflege, Betreuung, Elementarpädagogik, Sozialarbeit und weitere soziale Berufe zählen.

Der Bereich, der stark von weiblicher Arbeitskraft, Teilzeitarbeit, Überlastung und unterdurchschnittlichen Löhnen geprägt ist, hat eine starke Dynamik bekommen. Nachdem 2018 die ersten Streiks für viele überraschend gut und motivierend funktioniert haben, konnte 2019 bereits auf den gemachten Erfahrungen aufgebaut werden. Es gab Demonstrationen in mehreren österreichischen Städten. In Wien beteiligten sich über 1000 Beschäftigte an einer öffentlichen Streikkundgebung auf der Mariahilferstraße.

In den Verhandlungen wurde die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich aufgestellt. Bereits das Frauen*volksbegehren, um das es mittlerweile relativ ruhig geworden ist, hat für eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich kampagnisiert. Kollektivvertragsverhandlungen und Streiks können eine Möglichkeit sein, diese Forderungen in die Tat umzusetzen.

Für die Care-Revolution

Frauen*kämpfe, die oft in traditionell schlecht vertretenen oder schlecht organisierten Bereichen stattfinden, sind oft selbstorganisiert und die Beteiligten gezwungen, neue kreative Formen zu entwickeln. Sie haben dadurch auch das Potential einer Dynamisierung von ökonomischen und gesellschaftlichen Kämpfen und eine Vorreiterrolle. Ökonomisierte Care-Tätigkeiten stellen eine Verbindung von wirtschaftlichen Kämpfen und gesellschaftlichen Bedürfnissen nach guter Pflege und Sorge her. Anknüpfend daran lassen sich Debatten darum führen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen und wie wir darin arbeiten wollen. Es ergeben sich Ansätze für gemeinsame Kämpfe (mit) der Arbeiter*innenbewegung. Und es lassen sich Perspektiven einer neuen, nachkapitalistischen Gesellschaft, die nach Bedürfnissen statt nach Profiten funktioniert und in der es keine strukturellen Diskriminierungen gibt entwickeln.

Keine Frauenbefreiung ohne Sozialismus – kein Sozialismus ohne Befreiung der Frau