Die NEOS: Gegen das System oder gegen die Arbeitenden und Armen?

Die NEOS geben sich gerne fortschrittlich. Sie fordern eine „Radikalkur des politischen Systems“, eine „bürger_innennahe Demokratie“ und „echte Mitbestimmung“. Doch was verbirgt sich hinter diesen Phrasen?

Wenn die NEOS zu konkreten Fragen Stellung beziehen müssen, zeigt sich woher der Wind weht. Dem 12-Stunden-Tag, der ohne die üblichen sozialpartnerschaftlichen Absegnungen von der türkis-blauen Regierung ins Parlament gebracht wurde, haben die NEOS im Parlament zugestimmt. Lediglich die Vorgehensweise haben die NEOS kritisiert. Ansonsten waren sie einverstanden mit diesem Wunsch der Industriellenvereinigung.

ArbeiterInnenfeindliche Politik

Die NEOS verstehen es gut, ihre Übereinstimmung mit arbeiterInnenfeindlichen Maßnahmen in nette Worte zu kleiden. Ein Blick in die Online-Politikorientierungshilfe Wahlkabine ist aufschlussreich. Hier wird klar, warum die NEOS gegen die Einführung der 30-Stunden-Woche sind, und wie sie gleichzeitig Verwirrung stiften. Grundsätzlich macht es wenig Sinn, so eine Frage einer Partei, die für die 60-Stunden-Woche war, überhaupt zu stellen. Aber die Begründung sagt viel über den Charakter der NEOS aus: Sie haben lieber „innovative und flexible Arbeitszeitmodelle, die Arbeitnehmer_innen mehr Autonomie bieten“.

Welche „Autonomie“ das sein soll, ist eine gute Frage. Eine Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn würde für ArbeiterInnen einen großen Gewinn an Freiheit bedeuten, nämlich zehn Stunden mehr Freizeit pro Woche. Die NEOS verkaufen ihren arbeiterInnenfeindlichen Standpunkt nicht einmal als unternehmerInnenfreundlich und für den Erhalt des Wirtschaftsstandorts notwendig, sondern behaupten, er wäre im Sinn der ArbeiterInnen. Sie liefern also der Industriellenvereinigung ein zusätzliches Argument in netter Verpackung.

Feministisch?

Die NEOS zeigen bei feministischen Fragen ein ähnliches Gesicht. Sie sind „für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und Gleichberechtigung von LGBTIQ-Personen in allen Lebensbereichen“. Allerdings gilt das nur, wenn sie das als Floskel vor sich hertragen können. Wenn es tatsächlich um Diskriminierung geht, zum Beispiel darum, wie (junge) Frauen schikaniert werden, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollen. Natürlich sind die NEOS für „möglichst niederschwellige und kostengünstige Möglichkeit und Zugang zum Schwangerschaftsabbruch“.

Aber sie sind dagegen, dass Schwangerschaftsabbrüche von der Krankenkasse übernommen werden, denn dann würde das ja auf „alle, ganz gleich des finanziellen Hintergrunds“ zutreffen. Dass möglicherweise ein Teil dieser Frauen reich ist, wird als Argument hergenommen, um eine fortschrittliche Maßnahme zu diskreditieren, von der besonders lohnabhängige und arme Frauen profitieren würden. Das ist also die Logik der NEOS: Weil ein Teil der Gelder nicht effizient genug eingesetzt würde, soll am besten niemand etwas davon haben. Mit dieser Logik könnte man gleich das gesamte solidarische Gesundheitssystem abschaffen – was auch im Sinne der NEOS wäre.

Öffentliche Gesundheitsversorgung?

In den letzten Jahren biedern sich die NEOS immer wieder an Bewegungen im Gesundheitsbereich an und stellen sich zum Beispiel im Wiener Gemeinderat als AufdeckerInnen und KritikerInnen dar. Das machen aber auch die anderen Oppositionsparteien im Wiener Landtag.

So haben die NEOS im Wiener Gemeinderat einen Antrag eingebracht, der es Pflegekräften des öffentlichen Krankenanstaltenverbundes ermöglichen soll, in das neue Gehaltsschema zu wechseln, was mit relevanten Mehrkosten verbunden ist. Es ist leicht, Anträge abzustimmen, die nicht umgesetzt werden müssen und bei denen auch klar ist, dass sie sie keine Mehrheit bekommen. Denn tatsächlich sagen die NEOS nicht, wie die Mehrkosten finanziert werden sollen.

Wir unterstützen die PflegerInnen auch in dieser Frage auch. Wir sind für eine öffentliche Gesundheitsversorgung, die aus Steuern auf die Vermögen der Reichen und die Profite der Konzerne finanziert werden soll. Die NEOS wollen aber keine neuen „Belastungen“ und lieber die Lohnnebenkosten (Sprich Sozialversicherungsbeiträge) kürzen. Die Schlussfolgerung muss ein Gesundheitssystem im Sinne der privaten Versicherungen sein, in dem nur zahlungskräftige PatientInnen zählen und Profite mit der Gesundheit gemacht werden können.

Steuerkürzungen? Für wen?

Worum es den NEOS wirklich geht, wird auch in der Frage der Unternehmenssteuer klar. Hier stehen die NEOS für eine Senkung der KÖSt., der Steuer auf die Profite der Unternehmen. Die KapitalistInnen sollen also weniger von dem, was sie durch die Ausbeutung der Arbeitenden erwirtschaftet haben, an den Staat abgeben. Das reicht den NEOS aber nicht, sie wollen auch die Lohnnebenkosten senken. Das klingt erst einmal gut, denn es soll ja mehr netto vom brutto übrigbleiben. Blöderweise sind die Lohn„neben“kosten nur der Teil, den die ArbeitgeberInnen zahlen, für ArbeiterInnen bringt das keine Vorteile. Im Gegenteil: Wenn Unternehmen weniger an die Sozialversicherung abführen, wird das als willkommener Anlass genommen werden, Sozialleistungen zu senken.

Weil ihre „Reformen“ zur Senkung der Lohnebenkosten noch nicht umgesetzt sind, müssen sich die NEOS vorerst dem Schutz der Reichen verpflichten. Eine Erbschaftssteuer lehnen sie ab. Damit diese effektiv wäre, müsse sie nämlich so hoch sein, dass sie vor allem „Menschen aus dem hoch belasteten Mittelstand“ zum Ziel hätte. Wer dieser „Mittelstand“ ist, ist völlig unklar. Natürlich sollte eine Erbschaftssteuer nicht primär auf Erbschaften von einem Einfamilienhaus oder einem Auto abzielen, sondern auf Millionenbeträge. Je höher dann die Erbschaftssteuer ausfällt, desto mehr kann sinnvoll in öffentliche Infrastruktur investiert werden. Aber mit dem angeblichen Schutz des „Mittelstands“ schützen die NEOs diejenigen, die durch die Arbeit anderer reich werden oder dies aufgrund von jahrzente- oder gar jahrhundertelang vererbtem Besitz sind, also tatsächlich KapitalistInnen und GroßgrundbesitzerInnen.

Die wirtschaftspolitische Programm der NEOS deckt sich also zu großen Teilen mit den Interessen der Industriellenvereinigung. Sie stehen in diesem Punkt der türkischen ÖVP sehr nahe. Hinter zum Teil berechtigter Kritik an staatlicher Bürokratie und Paragraphendschungel verbirgt sich ein neoliberales Programm für Reiche, das sich gewaschen hat.

So ist ein Thema, bei dem die NEOS immer wieder Vorstoßen die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern. Sepp Schellhorn, Stellvertretender NEOS-Vorsitzender und Nationalratsabgeordneter drückt die Wichtigkeit des Themas für ihn so aus: “Ich bin auf die Welt gekommen, um die Pflichtmitgliedschaft zu beenden.” Die Pflichtmitgliedschaft der Unternehmen in der Wirtschaftskammer verpflichtet diese dazu, sich an Kollektivverträgen zu beteiligen, die mit den Gewerkschaften verhandelt werden. Die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer (AK) ermöglicht es dieser Organisation die Rechtsvertretung, Beratung und Information zu übernehmen, die ihr das große Vertrauen der Arbeitenden einbringt. Jedes Jahr werden viele Millionen an nicht ausbezahlten Löhnen von Unternehmen zurückgeholt. Kein Wunder, dass den NEOS die Arbeiterkammer ein besonderer Dorn im Auge ist. Weil die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft (noch) nicht gelungen ist, haben sie zusätzlich versucht die Beiträge zu senken, um die AK finanziell auszuhungern. Auch wir haben Kritik an Gewerkschaften und AK, aber weil sie die Interessen der Arbeitenden nicht kämpferisch genug vertreten. Die NEOS hingegen wollen gar keine Interessensvertretung der Arbeitenden.

Weltgewandt und ökologisch?

Auch auf internationaler Ebene stehen die NEOS auf der Seite der Reichen. Obwohl sie sich als umweltfreundlich darstellen, befürworten sie das Mercosur-Abkommen, von dem südamerikanische und europäische Konzerne profitieren sollen. Dass die Produkte, die dabei billiger ausgetauscht werden sollen, höchst umweltschädlich sind, ist keine Frage: Die Autos aus Europa, die landwirtschaftlichen Produkte aus Lateinamerika. In Medien und Politik wird die Lage meist verdreht dargestellt: Europa würde aus Lateinamerika massenhaft unökologische landwirtschaftliche Erzeugnisse importieren, die die heimischen Bauern und Bäuerinnen gefährden. Dass aus Europa aber auch umweltschädliche Produkte exportiert werden sollen, gibt hingegen keinen Grund zum Nachdenken.

Auch der bekannte Einwand von Umweltorganisation, dass in Brasilien durch das Abkommen die Rodung des Amazonas vorangetrieben wird, um noch mehr Soja nach Europa zu exportieren, scheint in der Rechnung der NEOS offensichtlich nicht auf. Schließlich gibt es ja eine Klausel, dass das Abkommen keine ökologischen Standards untergraben soll. Deswegen gab es sogar am G7-Gipfel Probleme mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Dass diese Klauseln in der Praxis nicht mehr als totes Papier sind, liegt auf der Hand.

Die NEOS sind also keine umweltfreundliche Partei, da hilft auch die CO-Steuer nicht. Zwar haben sie recht, dass Emissionen aus Verkehr und ineffizient geheizten Gebäuden verringert werden müssen. Über die „emissions-intensive Industrie“ sagen sie aber: „Diese Branchen betreiben bereits aufgrund ihrer Position im internationalen Wettbewerb einen sorgfältigen Umgang mit Energie“. Gerade in Bezug auf die OMV, die ihre Profite mittels Verkauf fossiler Energien macht, ist diese Aussage ein Hohn.

Die NEOS verschweigen auch, dass viele besonders emissionsreichen Industriezweige bereits vor Jahren von Europa (bzw. auch den USA) ausgelagert wurden: nach China, Afrika, Lateinamerika etwa, um dort billiger zu produzieren und die Profite der einheimischen Unternehmen zu steigern. Den Preis dafür mussten die Arbeitenden mit sozialer Unsicherheit und rasant zunehmender sozialer Ungleichheit bezahlen. Dafür wird in Ländern, die weniger Macht am Weltmarkt haben, das CO2 ausgestoßen, das für Europabillige Importe ermöglicht.

Die NEOS treten für CO2-Steuern ein. Diese sind weitgehend wirkungslos, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Sie belasten aber die Ärmeren und sind meist Umverteilungsmaßnahmen zu den Unternehmen.

Was es statt den NEOS braucht eine Politik, die nicht die Konzerninteressen über Staatsgrenzen hinweg vereint, sondern die Interessen der Arbeitenden. Die Partei für „Umwelt UND Wirtschaft“, hat weder den Arbeitenden noch der Umwelt etwas zu bieten. Wir brauchen eine Partei, die die Interessen von Arbeitenden und arm gemachten Menschen sozial und ökologisch umsetzt.