Klima und Corona – zwei Seiten einer Krise

Der Corona-Virus hat dem Thema Klimawandel sehr plötzlich nur mehr geringe Aufmerksamkeit gebracht. Wir haben ein paar aktuelle Berichte gesammelt, die die Klimakrise unterstreichen. Im Zuge des Shutdowns sinken derzeit die CO2-Emissionen. Das ändert allerdings nichts daran, dass das internationale Kapital bereits wieder auf den Pfad des Wachstums zurückdrängt. Hinter dem Klimawandel und dem Ausbruch von Covid-19 stehen die gleichen Muster.

Zunächst ein paar aktuelle Beispiele aus Österreich, die zeigen wie umfassend die ökologische Krise ist und welche Probleme es zu lösen gilt.

Rekordtemperaturen

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Wetterdaten von 2019. Das abgelaufene Jahr war eines der drei wärmsten der Messgeschichte. 14 der 15 wärmsten Jahre fallen in den Zeitraum seit 1994. Auf den wärmsten, trockensten und sonnigsten Juni folgte der zweitheißeste Sommer seit Aufzeichnungsbeginn. Der Herbst rangiert am 4. Platz bezüglich der Durchschnittstemperatur, der Winter war dann schon wieder der zweitmildeste seit Aufzeichnungsbeginn (Daten der ZAMG). Noch Fragen?

Kein Wunder, dass im vorherigen Winter (2018/19) 86 der 92 untersuchten Gletscher in den österreichischen Alpen an Länge verloren haben. Seit Mitte der 1980er gingen die Gletscher kontinuierlich und durchgängig zurück, diese Entwicklung hat sich über die Jahrzehnte beschleunigt.

Auch das neue Jahr hat mit enormen Abweichungen vom durchschnittlichen Wetter begonnen. So hat es seit Jahresbeginn etwa im Süden Österreich nur 20% des üblichen Niederschlags gegeben, im Osten waren es 60%. Bereits nach drei Monaten „Winter“ beginnt das Jahr 2020 in Teilen Österreichs mit Trockenheit.

Bodenversiegelung, Borkenkäfer, Insektensterben

Im Jahr 2019 wurden in Österreich jeden Tag 13 Hektar Boden verbaut. Damit ist der Wert gegenüber dem Vorjahr um rund ein Viertel angestiegen und liegt beim Fünffachen des Zielwertes von 2,5 Hektar/Tag. Rund ein Drittel der neu verbauten Fläche wird dauerhaft versiegelt. Damit gehen nicht nur potentielle Landwirtschaftsflächen verloren, sondern auch Lebensräume, die Artenvielfalt ermöglichen. Zudem kann Regenwasser nicht mehr in den Boden eindringen, was zu Problemen mit Grundwasser und Wasserkreisläufen führt. Auch bei Extremwetterereignissen (wie Starkregen und Hochwasser) bieten die versiegelten Flächen keinen Schutz, sondern tragen entschieden zu deren katastrophalen Folgen bei.

Wegen des milden Winters ist der Borkenkäferbefall in Wäldern in Österreich heuer besonders früh gestartet, bereits im Jänner wurden Exemplare gesichtet. Mit den steigenden Temperaturen wird er sich weiter, und – wie befürchtet – heuer besonders stark, ausbreiten. Die Wälder büßen damit auch ihre Fähigkeit ein, CO2 zu binden und für Kühlung zu sorgen. Den Hintergrund für diesen „Schädlingsbefall“ stellen die auf forstwirtschaftliche Nutzung zugeschnittenen Monokulturen dar, in Kombination mit dem globalen Temperaturanstieg.

Neue Studien zeigen, dass sich der Insektenbestand in Österreich in den letzten drei Jahrzehnten um rund ein Drittel verringert hat. Die Artenvielfalt unter Insekten ist im gleichen Zeitraum ebenso um rund ein Drittel zurückgegangen. Zentral verantwortlich dafür ist die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und Insektiziden. In Folge von Problemen mit der Bestäubung kann es verstärkt zu massiven Ernteausfällen kommen.

Arktis, Afrika und Antarktis

ForscherInnen haben in der Framstraße, einem arktischen Meeresabschnitt zwischen Norwegen und Grönland mit bis zu 5,5 Kilometer Tiefe, erhebliche Mengen von Mikroplastik gefunden. Selbst dieses sehr entlegene Stück Erde ist direkt von der unökologischen Wirtschaftsweise betroffen. Der Meeresabschnitt könnte zu einem Endlager für das Plastik im Meer werden. Die Auswirkungen auf die vielfältige, großteils unerforschte Meerestierwelt und das marine Ökosystem sind nicht abschätzbar – und damit potentiell riesig und gefährlich.

Am Horn von Afrika (etwa in Ländern wie Kenia, Somalia und Äthiopien) breitet sich nicht nur Covid-19 rasant aus. Dazu kommt die Heuschreckenplage, deren Bekämpfung sich unter den Bedingungen eines Corona-Ausbruchs massiv erschweren wird. Ähnlich wie der Virus, droht auch die Heuschreckenpopulation exponentiell zu wachsen. Bis zur Erntezeit im Juni könnte sich diese verzwanzigfachen. Damit droht eine riesige Nahrungsmittel- und Hungerkrise.

Heuschreckenpopulationen zeigen zwar generell wellenartige Entwicklungen, für die aktuelle „Plage“ gilt aber die Trockenheit in Ostafrika, massiv begünstigt durch den Klimawandel, als entscheidender Faktor. Diese äußerst prekäre Situation am Horn von Afrika zeigt, wie sich verschiedene Aspekte der ökologischen Krise verbinden und wie rasch Kipppunkte, an denen sich die Situation innerhalb kurzer Zeit dramatisch ändert, auftreten können. Deutlich wird dabei auch, dass es nicht um „die“ Natur (da draußen) geht, sondern soziale Auswirkungen und Verhältnisse dabei immer präsent sind.

In der Antarktis gab es im Jänner (also im antarktischen Sommer) eine Hitzewelle. Ende Jänner wurden 9,2 Grad Celsius gemessen, rund sieben Grad wärmer, als der durchschnittliche Höchstwert. Die Forscher gehen davon aus, dass diese starken Temperaturabweichungen enorme Auswirkungen haben werden – etwa auf Meeresströmungen und damit auf das Klima in vielen Erdteilen.

Zwei Krisen, eine Ursache

Sowohl der Klimawandel als auch die Covid-19-Pandemie sind weit davon entfernt „Naturereignisse“ zu sein. Vielmehr sind es beide Aspekte einer umfassenden ökologischen Krise, hinter der ein durch das Kapitalverhältnis dominierter, funktionalistischer Bezug auf Natur steht.

Das Auftreten von Epidemien und Pandemien in den letzten zwei Jahrzehnten (von der Schweine- über die Vogelgrippe, bis hin zu MERS und Ebola) steht in engem Zusammenhang mit industrialisierter Landwirtschaft und Massentierhaltung. Mit dem Abholzen von Wäldern und dem Ausbreiten von Monokulturen verlieren wilde Tiere (potentielle Virusträger) ihre Lebensräume und rücken näher an Lebensräume von Menschen heran. Ebola hat sich so von einer räumlich sehr isoliert auftretenden Krankheit zu einer globalen Bedrohung entwickelt. Ihren Ursprung fand die Verbreitung in Gebieten, die von Abholzung gekennzeichnet waren.

Ein weiterer Aspekt ist die industrielle Massentierhaltung, die für perfekte Bedingungen für Viren sorgt. Zum einen stehen mögliche Wirtstiere, die dann in weit entfernten Märkten landen, massenhaft bereit; zum anderen bieten Zuchttiere, mit wenig genetischer Varianz und potentiell schlechten Immunsystemen, perfekte Bedingungen für das Überleben und die Mutation von Viren. Für den Übergang auf den Menschen bieten sich beständig Möglichkeiten.

Genauso wenig wie „das Virus“ an der Corona-Pandemie schuld ist, ist es „die Natur“ am Klimawandel. In der Krise ist dabei in Wahrheit die Art und Weise, wie sich die kapitalistische Gesellschaft auf Natur bezieht. Und das ist in Österreich genauso der Fall, wie etwa in China, in den Wäldern Westafrikas und den Anbauflächen am Horn von Afrika. Hinter den oben erwähnten Beispielen aus Österreich (Bodenversiegelung, Borkenkäfer, Insektensterben) stehen genauso Methoden industrieller Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, wie die Ausdehnung in naturnahe Lebensräume (Bodenverbrauch). All diese Beispiele zeigen auch, wie komplex und voneinander abhängig Ökosysteme weltweit funktionieren.

Für ganz andere Verhältnisse!

Wir brauchen daher einen grundlegend anderen Bezug auf Natur, der nicht durch die Wachstums- und Profitbedürfnisse des Kapitalismus bestimmt ist. Dazu wird es auch nach Corona nicht von selbst kommen. Der aktuelle Shutdown zeigt jedoch, wie rasch ganze Branchen stillgelegt und teilweise zur Produktion anderer Güter gezwungen werden können. Gerade hier gilt es anzuknüpfen. Die notwendige ökologische Wende wird nicht von kapitalistischen KrisenmanagerInnen kommen, sondern erfordert vielmehr eine grundlegende Transformation durch die Beschäftigten und KonsumentInnen selbst. Das bedeutet, die Macht des Kapitals über unsere Gesellschaft und die Produktion, sowie den damit in Verbindung stehenden Bezug auf Natur, zu brechen.