25 Jahre Greenpeace in Österreich

Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Österreich veröffentlichte die Wochenzeitung Furche einen Artikel unseres Autors Michael Mlady zum Thema. Wir dokumentieren den Artikel…

  

Liegestühle auf der Titanic

Zur Politik von Greenpeace

Greenpeace ist "die" globale Umweltschutzorganisation. Ihr eilt ein gehöriger Gutmenschen-Bonus voraus. Michael Mlady findet aber auch kritische Punkte.

"Haben Sie zwei Minuten Zeit für den Umweltschutz?". Wer von uns kennt sie nicht, die SpendenkeilerInnen von Greenpeace und Co? Doch Greenpeace ist mehr. Greenpeace CEE (Central and Eastern Europe) wird aktuell von 173.692 Menschen unterstützt, in Deutschland würden 2/3 der Bevölkerung erwägen, Greenpeace zu wählen, wenn die Organisation eine Partei wäre. Gute Gründe, hinter die Kulissen der Umweltschutzorganisation zu blicken.

In Umfragen haben nichtstaatliche Organisationen (NGOs) wie Greenpeace oder amnesty international regelmäßig Sympathiewerte, die diejenigen von PolitikerInnen und UnternehmerInnen um das mehrfache schlagen. Greenpeace behauptet sich in einem Vakuum, das die etablierte Politik hinterlassen hat. Die Anliegen, die von den NGOs vertreten werden, sind zudem sehr sympathisch. Umweltschutz, Menschenrechte, Tierschutz – wer würde da nicht zustimmen?

Mit waghalsigen Manövern und bewussten Rechtsübertretungen führen sie einen auf mediale Vermittelbarkeit ausgerichteten Schaukampf gegen die UmweltsünderInnen in den Chefetagen und politischen Entscheidungszentralen. Wenn Greenpeace-AktivistInnen wieder einmal eine mutige Aktion durchführen, sind die Sympathien großer Teile der Bevölkerung (zurecht) auf ihrer Seite. Diese Unterstützung drückt sich auch im Spendenaufkommen aus: die Einnahmen von Greenpeace CEE – das von Österreich aus geleitet wird – lagen im Jahr 2007 bei rund 8,6 Millionen Euro.

Ablasshandel?

Doch gerade die Spendenpolitik von Greenpeace sorgt immer wieder für Unmut. Denn relevante Teile der Einnahmen, die die "Dialoger" auf der Straße "schreiben", gehen in die Taschen der Firmen, die diese losschicken. Eines der ältesten Mitglieder, Paul Watson, ehemaliges Greenpeace Mitglied aus Toronto/Kanada, erklärte, der ehemalige Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland (bis 2000), Thilo Bode, wolle nur "im nächsten Jahr mehr Geld einnehmen als in diesem Jahr. Da wird nur noch überlegt, was bringt am meisten Profil und Profit." Watson warf die Frage auf, wo überhaupt der Unterschied liege zwischen dem Ölkonzern Exxon und Greenpeace: "Die verkaufen den Menschen Öl, um Geld zu machen. Greenpeace verkauft ihnen ein gutes Gewissen gegen Spendenbescheinigung. Das ist reiner Ablasshandel." Watson war bereits Teil der Vorläufer-Organisation von Greenpeace in Kanada "Don´t make a wave committee". Greenpeace trennte sich in den 1970er Jahren von Watson, da er nicht auf militante Mittel verzichten wollte.

Greenpeace versteht es sehr gut, Bewusstsein für Probleme zu schaffen. Doch die Politik der symbolischen Aktion und des StellvertreterInnentums trägt auch dazu bei, Selbstaktivitäten von unten zu bremsen: Mit ihren Spendenkampagnen verstärkt sie die Haltung, Greenpeace könnte stellvertretend für alle die Umwelt retten, wenn nur genug an die Organisation gespendet würde.

Wichtige Veränderungen in der Umweltpolitik sind aber nicht durch Robin Hoods erreicht worden, die stellvertretend den Kampf gegen Profitinteressen von Konzernen aufnehmen, sondern durch Massenbewegungen. Beispiele für solche Massenaktionen sind die Verhinderung der Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf, die Au-Besetzung in Hainburg oder die Anti-Atomtransport-Kampagnen in Deutschland.

Greenpeace in den Medien

Die meisten NGOs können aufgrund eines Politikansatzes, der vor allem auf der professionellen Arbeit weniger AktivistInnen beruht, selbst kaum etwas erreichen und sind in ihren Aktionen sehr stark medienabhängig. Daher sind sie darauf angewiesen, die kapitalistischen Medien nicht völlig zu verschrecken – Kritik an einzelnen "UmweltsünderInnen" und eine sanfte Konzernkritik ist noch drinnen, eine Kritik des Systems, das dahintersteht, schon nicht mehr.

Greenpeace Deutschland versuchte sich eine Zeitlang sogar als Produzentin einer Fernsehsendung. Als die Sendung startete, wurde Norbert Schnorbach, damals Leiter der Greenpeace -Öffentlichkeitsarbeit, gefragt: "Ist ein Vorspann denkbar: Das nun folgende Umweltmagazin wird präsentiert von Siemens, Opel oder Shell?" Er antwortete nicht etwa mit einer Konzernkritik, sondern erklärte: "Werbeunterbrechungen wird es in dieser Sendung auch geben. (…) Es ist definitiv ausgemacht, dass wir uns nicht in die Auswahl von Werbekunden einmischen."

Und sogar der Systemüberwindung unverdächtige Personen werden hier stutzig: Vor dem Gentechnik-Volksbegehren stellte der Meinungsforscher Fritz Karmasin im "Falter" fest, dass den Gentechnik-GegnerInnen die Utopien fehlen würden und sie "als kongeniale Partner der Industrie systemstabilisierend geworden sind". Greenpeace-Campaigner Matthias Schickhofer antwortete lapidar, dass in einem Land mit einer solchen Medienlandschaft für Utopien kein Platz wäre.

Keine Alternativen

Die Politik von Greenpeace beschränkt sich auf das Herumdoktern an einem unheilbar kranken System. Nun ist es zweifellos positiv, wenn Greenpeace etwa rund um den "ökologischen Fussabdruck" wichtige Probleme aufzeigt. Doch die "politischeren" Punkte zeigen die Schwächen sehr gut: "Dies wird einen großen gesellschaftlichen Wandel erfordern, sowohl eine Neuorientierung der Politik wie auch eine Umstellung der Wirtschaft, genauso wie andere zukunftsfähige Lebensstile. Zu diesem Wandel müssen alle gesellschaftlichen Kräfte gemeinsam beitragen." Wer einen solchen naiven Appell an das "Gemeinsame" formuliert, hat wenig von den Mechanismen globaler Umweltzerstörung, vor allem aber wenig von den Mechanismen einer profitorientierten Wirtschaft verstanden.

Thilo Bode fasste in einem Artikel die Ideen von Greenpeace zusammen: "Es ist überfällig, dass die Bürger der reichen westlichen Industriestaaten (…) erkennen, dass braves Müllsortieren dem Umstellen der Liegestühle auf dem Deck der ,Titanic' gleicht; dass viel eher die Fernreise in die Karibik darüber entscheidet, welche Zukunft ihre Enkelkinder noch erwarten dürfen." Der Artikel endet zwar mit: "Wir müssen ein Gegengewicht bilden zu der internationalen Wirtschaftsideologie, die unbegrenztes Wachstum in einer begrenzten Welt vorgaukelt" und vermittelt damit noch ein wenig Systemkritik, doch die Botschaft ist klar: Über die "Zukunft unserer Enkelkinder" entscheidet nicht etwa der Kampf gegen den umweltzerstörenden Kapitalismus, sondern die Fernreise in die Karibik ist der springende Punkt. diese Schlussfolgerung ist mehr als dürftig.