Am 10. Oktober fand in Belgrad das erste Mal nach neun Jahren wieder die Parade der Homosexuellen, die „Belgrader Pride“, statt. Dabei lieferten sich DemonstrantInnen, PolizistInnen und FaschistInnen brutale Straßenkämpfe.
500 Pride-TeilnehmerInnen, umzingelt von 5000 PolizistInnen, sehen sich 6000 FaschistInnen gegenüber – diese Szenen legen offen, wie sehr spaltende Mechanismen wie Homophobie in der serbischen Gesellschaft Fuß gefasst haben. Knapp zwei Drittel der BürgerInnen von Serbien sehen Homosexualität als Krankheit an, 20.000 Rechte und Rechtsextreme protestieren sogar einen Tag vor der Parade gegen die „Kranken“. Die Parade selbst nahm auf diese rechten Aufmärsche Bezug, die Demonstration zierten unter anderem Transparente mit der Aufschrift „Solidarisch gegen FaschistInnen“.
Übergriffe in Serbien und Bosnien
Doch blicken wir zunächst zurück: 2001 fand die erste Belgrader Pride statt, bei der über vierzig Menschen verletzt wurden. Erst letztes Jahr wagten die AktivistInnen einen erneuten Versuch, welcher jedoch aus Sicherheitsgründen scheiterte. Die Bewegung selbst war und ist zu schwach, um sich selbst zu schützen und der serbische Staat weigerte sich schlichtweg, den Pride-TeilnehmerInnen einen Schutz gegen die FaschistInnen zu garantieren.
Dieselbe Situation findet sich auch in Bosnien und Herzegowina. 2008 etwa hätte zum ersten Mal über drei Tage das „Queer Sarajevo Filmfestival“ stattfinden sollen. Nach dem ersten Tag musste es jedoch aufgrund von rechtsextremen Übergriffen vorzeitig beendet werden. Die FaschistInnen warfen sogar teilweise mit Molotow-Cocktails.
Serbien hat 2009 unter dem Druck der EU Antidiskriminierungsgesetze eingeführt. Doch diese beziehen sich lediglich auf ein Verbot der Diskriminierung im Beruf und im Waren- und Dienstleistungsverkehr. Gewaltakte, die sich gegen Menschen wegen ihrer sexuelle Orientierungen richten, werden nicht besonders gesetzlich anerkannt.
Wer steht hinter den Angriffen?
Sowohl in Bosnien als auch in Serbien stehen nationalistische Organisationen hinter den Übergriffen. Zu nennen sind aber auch religiöse Organisationen, konkret die serbisch-orthodoxe Kirche beziehungsweise islamistische FundamentalistInnen in Bosnien. Bei der Belgrader Pride beispielsweise waren in den Reihen der Homophoben auch Gruppen von orthodoxen Nonnen und Popen, welche schon im Vorfeld offen hetzten.
Und auch auf den Staat und die Polizei selbst ist naturgemäß kein Verlass: so wurde berichtet, dass viele der PolizistInnen, die die Beograd Pride schützten, sich teils selbst offen während der Parade über die „Scheiss-Schwulen“ ausließen. Wie dann der „Schutz“ aussieht, ist sicher gut vorstellbar.
In den serbischen Medien wird die Tiefe der Homophobie allerdings verniedlicht, es ist zumeist die Rede von Hooligans, womit das Problem einfach auf ein „paar“ Fußballfans abgewälzt wird, um nicht zuzugeben, dass es in der vom Kapitalismus zerrütteten Gesellschaft selbst liegt – die dann einen fruchtbaren Nährboden für FaschistInnen bietet.
Der Belgrader Bürgermeister versuchte sogar, die beinharten Verhältnisse mit der Aussage zu verschleiern, dass es eben Leute gebe, die jede Gelegenheit nützen würden, um Vandalismus zu betreiben. Hier geht es jedoch um mehr als nur um Vandalismus, hier geht es um Homophobie als Mechanismus, dessen sich der Kapitalismus bedient, um Sündenböcke zu finden und so die ArbeiterInnenklasse zu spalten und somit zu schwächen.
Hilfe durch die EU?
Viele Schwule, Lesben und Transgender am Westbalkan blicken jetzt nach Westeuropa und hoffen auf die EU. Das ist nachvollziehbar: Es gibt bestimmte gesetzliche Bestimmungen und anders als bei den friedlich ablaufenden, jedoch mittlerweile schon kommerzialisierten Paraden in Westeuropa, ist das Eintreten für die Rechte von Homosexuellen in Osteuropa und den Westbalkanstaaten immer noch gefährlich, manchmal sogar lebensbedrohend.
Doch die EU ist eben nicht nur die Organisation, die sich mit ein wenig Antidiskriminierung brüstet. Sie ist auch die Organisation der Länder und Konzerne, die am Westbalkan alles privatisiert haben, was nicht niet- und nagelfest ist, die den NATO-Angriff auf Jugoslawien gestützt haben und die heute als militärische Besatzungsmacht Bosnien kontrollieren und die ethnisch-religiöse Spaltung fortsetzen.
Wir sollten hier also besser von falschen Freunden sprechen. Weit wichtiger wären der Versuch der Vernetzung mit den Organisationen der serbischen und bosnischen Linken und ein Bezug auf die sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfe am Westbalkan. Dazu wird es aber nötig sein, dass die Organisationen der Linken die in der Gesellschaft tief verwurzelte Homophobie selbst offen thematisieren und bekämpfen und somit Schwulen, Lesben und Transgender ein Angebot zur Zusammenarbeit machen.
Somit muss der Kampf gegen Homophobie – aber auch gegen Sexismus, Nationalismus und Rassismus – immer auch einen systemüberwindenden Charakter haben. Der Kampf gegen jegliche Form von Unterdrückung muss immer mit dem Kampf gegen den Kapitalismus selbst einhergehen!