Historisches Dokument: Arbeitermacht

In der „kleinen Schriftenreihe zur österreichischen Arbeiter/innen/geschichte“ hat die RSO eine neue Nummer herausgebracht: Einen Reprint der „Arbeitermacht“, der illegalen Zeitschrift des trotzkistischen „Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse“, aus den Jahren 1934/35. Vorangestellt ist eine Einleitung von Manfred Scharinger

 

Arbeitermacht

Illegale Zeitschrift des „Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse“

Band 1 (1934 / 1935)

Kleine Schriftenreihe zur österreichischen Arbeiter/innen/geschichte, Nr. 17

128 Seiten A5, Preis: 11 € / 16,50 CHF

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Einleitung

Die Arbeitermacht war die wichtigste linksoppositionelle Zeitschrift in der österreichischen Illegalität ab 1934. Herausgeber der Arbeitermacht war der Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse, die Nachfolgeorganisation der 1933 verbotenen KPÖ(O), der Kommunistischen Partei Österreichs (Opposition). In der Zeit des Austrofaschismus gelang es dem Kampfbund, einen Kaderstamm nicht nur zu erhalten, sondern auch zu schulen und weiterzuentwickeln.

Dies war nicht zuletzt das Verdienst von Josef Frey, der zentralen Persönlichkeit der österreichischen linksoppositionellen Bewegung. 1882 in der heutigen Tschechischen Republik geboren, studierte er Rechtswissenschaft und arbeitete bis 1914 als Redakteur der Arbeiter-Zeitung. 1918 Vorsitzender des Wiener Soldatenrates, brach er 1920 mit der Sozialdemokratie und trat 1921 zur KPÖ über. 1927 aus dieser ausgeschlossen, war er maßgeblich an der Gründung der KPÖ (Opposition) und 1934 an der des Kampfbundes beteiligt. 1938 musste er in die Schweiz emigrieren, wo er bis zu seinem Tod 1957 lebte.

Auch heute noch kann die Publikationstätigkeit des Kampfbundes in der Illegalität beeindrucken. Neben der über weite Strecken monatlich publizierten Arbeitermacht wurden vom Kampfbund eine Reihe von Broschüren herausgegeben, daneben der Kurs, die breit angelegte Schulungsreihe unter dem Namen marxistisch-leninistische Grundsätze des proletarischrevolutionären Kampfes, und von 1935 bis 1937 auch die Schutzbundzeitung für die Arbeit innerhalb des autonomen Schutzbundes.

Die Neuherausgabe der Arbeitermacht heißt natürlich nicht unbedingt, dass wir uns mit jeder Zeile und allen Positionen des Kampfbundes identifizieren. Vor allem sind es vier Bereiche, in denen wir gravierende Differenzen zu den politischen Grundlagen des Kampfbundes haben.

Allen voran ist es die Frage der kombinierten Kriegstaktik, die von Josef Frey 1937 entwickelt wurde und die letztlich zum Zerfall des Kampfbundes wesentlich beitrug. Bis Herbst 1937 ging der gesamte Kampfbund davon aus, dass die Taktik der Revolutionäre im kommenden imperialistischen Weltkrieg die des revolutionären Defaitismus sein müsse. Die Sowjetunion müsse als – wenn auch degenerierter – proletarischer Staat verteidigt werden, in imperialistischen Ländern müssten, getreu Liebknecht Parole, dass der Hauptfeind im eigenen Land stehe, die Revolutionäre für die Niederlage der eigenen Bourgeoisie eintreten. In der 1935 herausgegebenen Broschüre Gegen den imperialistischen Krieg fasste Frey für den Kampfbund die Aufgabe proletarischer Revolutionäre noch einmal zusammen:

„In keinem Fall darf das Zusammenarbeiten, das Bündnis der Sowjetmacht mit imperialistischen Staaten, Mächtegruppen – nicht im Frieden und erst recht nicht im Krieg – daran gebunden sein, dass die Kommunistische Partei in dem mit der Sowjetunion verbündeten kapitalistischen Staat auch nur für eine Stunde den proletarisch-revolutionären Kampf gegen die Bourgeoisie des verbündeten Staates bremst oder gar einstellt. (…) Die proletarischen Revolutionäre werden in allen Ländern – auch in jenen, die etwa ein Bündnis mit Sowjetrussland schließen! – mit ihrem revolutionären Kampf gegen die Bourgeoisie nicht eine Sekunde aufhören, der überall ausgerichtet sein muss auf den Sturz der kapitalistischen Herrschaft, auf die Errichtung der Diktatur des Proletariats.“

Im Herbst 1937 entwickelte Frey jedoch die kombinierte Kriegstaktik: Revolutionäre sollten im drohenden Krieg in allen mit der Sowjetunion verbündeten imperialistischen Ländern den der revolutionäre Defaitismus modifizieren und mit der Waffe in der Hand gegen die imperialistischen Feinde der Sowjetunion kämpfen. Das Ziel sollte nach wie vor die Umwandlung des Krieges in einen Bürgerkrieg sein, auch die politische Kritik an der heimischen Bourgeoisie sollte nicht aufgegeben werden. Aber trotzdem sollten die Proletarier bewusst mit der Waffe in der Hand gegen die Feinde der UdSSR kämpfen.

Frey legte die trotzkistische Taktik aus dem spanischen Bürgerkrieg – Kritik an der Volksfront, aber Kampf in den Reihen der republikanischen Truppen – auf den imperialistischen Zweiten Weltkrieg um. Freys KKT geriet damit in Widerspruch zur Linie der Vierten Internationale, die analog zu Lenin im Ersten Weltkrieg in allen imperialistischen Ländern für revolutionären Defaitismus eintrat. Mit der kombinierten Kriegstaktik hatte der Kampfbund die Linie revolutionärer Politik in der Kriegsfrage verlassen.

Zweitens ist die grundsätzliche Ablehnung jeglicher Form des Entrismus, also des Eintritts trotzkistischer Organisationen in reformistische Massenorganisationen, sicher in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten. In der Haltung des Kampfbundes zur Entrismus-Frage lässt sich eine sektiererische und starre Tendenz festmachen: nämlich das schematische Anklammern am „Prinzip“ der zeitlosen Notwendigkeit einer auch formal organisatorisch unabhängigen revolutionären Partei.

Die Frage des Entrismus wurde in der Arbeitermacht erstmals im November 1934 thematisiert. Die gesamte Nummer war dem „Purzelbaum“ der französischen Liga gewidmet: Als international 1934 die Entrismus-Taktik beschlossen wurde, trat die französische Sozialdemokratie ein, da sich in dieser ein Teil der Parteijugend zu revolutionären Positionen hin bewegte. Der Eintritt sollte die Möglichkeiten der Trotzkist/inn/en, bei breiteren Massen besser Gehör zu finden, vergrößern. Trotzki entwickelte den Entrismus als kurz- bis mittelfristiges taktisches Manöver, das darauf abzielte, Revolutionäre mit nach links drängenden proletarischen Strömungen zu vereinigen, wenn diese noch nicht bereit waren, mit den reformistischen Massenorganisationen zu brechen. Jedenfalls war der Entrismus in eine reformistische Partei nicht als langfristige Perspektive gedacht, sondern sollte nur unter bestimmten Bedingungen und nur für eine bestimmte Zeit angewendet werden.

Für den Kampfbund hingegen war dieser Schritt „mit den proletarisch-revolutionären Prinzipien absolut unvereinbar“, ein „opportunistischer Purzelbaum“ und eine „Preisgabe der proletarisch-revolutionären Prinzipien“ (Arbeitermacht, Mitte November 1934).

Sicher wurden die Differenzen auch aufgebauscht und kam es zu Missverständnissen, die aufgrund der internationalen Isolierung und durch die Schwierigkeiten der Beschaffung präziser Informationen in der Illegalität begründet waren. Aber diese Differenz beim Entrismus führte zur Vertiefung des Bruches zwischen österreichischer und internationaler trotzkistischer Bewegung. Für den Kampfbund war die Konsequenzen des Eintritts ein „linkssozialdemokratische[r]“ Opportunismus, die Trotzkist/inn/en, die eine entristische Politik betrieben, wurden nun als „Linkszentristen“, die „die Rolle einer linkssozialdemokratischen Opposition“ einnehmen würden, als „Agenten“ der Sozialdemokratie „in den Reihen der ehrlich revolutionär gestimmten“ Mitglieder bezeichnet. Daraus wurde die Notwendigkeit abgeleitet, die entstehende Vierte Internationale vom „trotzkistischen Opportunismus“ zu reinigen. Damit hatte der Bruch mit der internationalen Bewegung nun auch eine politisch-programmatische Note bekommen und wurde damit verfestigt. Mit seinem starren Standpunkt erschwerte der Kampfbund letztlich auch eine durchaus sinnvolle Diskussion über die realen Möglichkeiten, aber auch die Gefahren und Grenzen des Entrismus.

Und drittens ist der Komplex der Analyse des Reformismus zu kritisieren. Für den Kampfbund waren Sozialdemokratie und Stalinismus, die „Verratsparteien“, nicht bürgerliche Arbeiter/innen/parteien, also Parteien, die sich organisch auf die Arbeitenden stützten, sondern kleinbürgerliche Parteien. Es fehlte ein Verständnis von Formationen, die zwar bürgerliche Politik betrieben, aber trotzdem Arbeiter/innen/parteien waren. Für den Kampfbund gab es demgegenüber nur die Alternative, proletarische Parteien mit proletarischer Politik und kleinbürgerliche Parteien mit linksbürgerlicher, linkskapitalistischerKampfbund dazu, in reformistischen Parteien „normale“ (klein-) bürgerliche Formationen und eben keine besonderen bürgerlichen Parteien, eben bürgerliche Arbeiter/innen/parteien, zu sehen. Parallel dazu unterschätzte der Kampfbund die Besonderheiten des stalinistischen Reformismus, seine spezielle Bindung an die sowjetische Bürokratie, die Bürokratie eines degenerierten Arbeiter/innen/staates. Das verhinderte ein völliges Aufgehen des Stalinismus im sozialdemokratischen Reformismus, während der Kampfbund eine baldige Verschmelzung beider prognostizierte. Politik. Damit tendierte der

Dazu kommt der ganze Komplex des Organisationsverständnisses. Der Kampfbund und seine Nachfolgeorganisationen waren äußerst straff, oft sogar pedantisch organisiert und strukturiert. So gut wie nichts wurde dem Zufall überlassen. Das half sicher bedeutend dabei, dass der österreichische Trotzkismus die Zeit des Faschismus mit vergleichsweise geringen Opfern überstand. Aber dieses Organisationsverständnis war auch nicht frei von hierarchischen Zügen, die sicher zum Teil durch die Konspiration erforderlich waren (oder zumindest durch diese verstärkt wurden) und manchmal auch autoritäre Elemente beinhalteten. Die Dominanz von Josef Frey sollte sich spätestens 1938 als nachteilig erweisen: Nachdem dieser in die Schweiz flüchten musste, entstand eine Art politisches Vakuum, das sowohl während des Krieges als auch danach Probleme schaffen sollte.

Trotz aller Mängel aber sind der Kampfbund und die Arbeitermacht ein Teil des Erbes der proletarisch-revolutionären Geschichte der österreichischen Arbei-ter/innen/bewegung. Der Kampfbund hatte aus der Niederlage in Deutschland 1933 und aus der Februar-Niederlage der österreichischen Arbeiter/innen/bewegung die richtigen Schlüsse gezogen, sich ohne jedes Zögern gegen die Volksfront-Politik ausgesprochen, in der UdSSR klar gegen die Stalinisierung gewandt und war ohne Zögern für die Gründung einer neuen revolutionären, einer Vierten Internationale eingetreten. Damit hatte der Kampfbund in den entscheidenden Fragen, die sich der revolutionären Arbeiter/innen/bewegung stellten, die grundlegend richtigen Konsequenzen gezogen.

In der Kleinen Schriftenreihe haben wir bereits eine Reihe von Texten von Josef Frey und des Kampfbundes wieder veröffentlicht. Dazu gehören: Josef Frey: Wie kämpfen gegen die Arbeitslosigkeit? (1927); Ernst Schmied (= Josef Frey): Integraler Sozialismus – ein neuer Weg? Antwort an Otto Bauer (1937); Josef Frey: Frühe Schriften (1911/19); T.J. Melt (= Josef Frey): Zur nationalen und kolonialen Frage und schließlich die Dokumentation der Schutzbundzeitung (1935-1937).

Mit der Neuherausgabe der ersten beiden Jahrgänge der Arbeitermacht haben wir ein ambitioniertes Projekt begonnen, mit dem wir die wichtigste Zeitschrift mit proletarisch-revolutionärer Richtung in der Illegalität der 1930er Jahre leichter zugänglich machen wollen.

Insgesamt liegen fast 600 Seiten der Arbeitermacht vor, die von 1934 bis 1941erschienen sind. Mit diesem Teil 1 der neuen Dokumentation, mit der die Kleine Schriftenreihe zur österreichischen Arbeiter/innen/geschichte und die Revolutionär Sozialistische Organisation (RSO) das zentrale Organ des KampfbundesArbeitermacht-Dokumentation), 1937 (Teil 3) und 1938 bis 1941 (Teil 4) sind in Vorbereitung beziehungsweise geplant. leichter zugänglich machen wollen, haben wir die uns vorliegenden Nummern der Jahre 1934 und 1935 zusammengefasst. Es handelt sich dabei um 14 Nummern aus dem Jahr 1934 (davon eine Doppelnummer) mit zusammen 81 Seiten und um 4 Nummern aus dem Jahr 1935 mit zusammen 33 Seiten, also insgesamt 114 Seiten. Weitere Publikationen mit den Jahren 1936 (Teil 2 der

Allerdings sind die meisten Nummern – bedingt durch die illegale Erscheinungsweise – in einem schlechten Zustand. Viele Seiten waren nur schwer leserlich, sodass für die Herausgabe eine aufwändige digitale Aufbereitung nötig war. Einige Seiten der Arbeitermacht vom August 1934 lagen jedoch in einer so schlechten Vorlage vor, dass wir uns entschließen mussten, auf eine Wiedergabe zu verzichten und die Form einer Abschrift zu wählen. Wir denken, mit der Neuherausgabe und der dafür gewählten Form sowohl dem Bedürfnis nach quellenmäßiger Genauigkeit als auch dem der Lesbarkeit Rechnung getragen zu haben.

In diesem Zusammenhang gilt unser besonderer Dank wie im Falle der Neuherausgabe der Schutzbundzeitung einmal mehr Genossen Günter Schneider. Die Überlassung eines Teiles des Archivs des ehemaligen Kampfbundes für die Befreiung der Arbeiterklasse hat diese Publikation maßgeblich erleichtert.

Manfred Scharinger

Wien, im Januar 2011

 

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